Die Bundesregierung will den Ammoniak-Ausstoß der Tierhaltung stark senken.Vor allem BImSchG-Betriebe müssen höhere Auflagen zum Immissionsschutz erfüllen.
Fred Schnippe, SUS
Nach jahrelangem Gezerre hat Berlin Ende Juni die Novelle der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) beschlossen. Drei Monate nach der Veröffentlichung tritt sie in Kraft. Fachleute erwarten diesen finalen Schritt noch im laufenden Jahr.
Mit der TA Luft setzt die Bundesregierung EU-Vorgaben zur Luftreinhaltung um. So hat sich Deutschland im Rahmen der NEC-Richtlinie verpflichtet, den Ausstoß an Ammoniak bis zum Jahr 2030 um 29% zum Basisjahr 2005 zu senken. Die Landwirtschaft soll dabei mit 90% das Gros der Reduktion leisten.
Weniger Ammoniak
Die Novelle bringt für Schweinehalter mit größeren Ställen massive Verschärfungen. So nimmt das mehr als 500 Seiten starke Papier neben deutlich höheren Anforderungen für Neubauten erstmals bestehende Ställe ins Visier. Für viele nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftige Anlagen stehen erhebliche Anpassungen und Mehrkosten ins Haus.
Wegen der großen Tragweite hagelte es in den vergangenen Monaten Kritik von Fachleuten und Verbänden. Vor der finalen Abstimmung im Bundesrat gingen mehr als 300 Änderungsanträge zum Entwurf der TA Luft ein! Zahlreiche betrafen auch die Landwirtschaft.
Hierdurch kam es zwar noch zu Anpassungen. Etliche wichtige Forderungen für die Schweinehaltung wurden allerdings nicht berücksichtigt. Die Folge: Beim Immissionsschutz geht Deutschland in vielen Punkten deutlich über die Vorgaben in anderen EU-Ländern hinaus.
Tierwohlställe blockiert
Zunächst zu den sogenannten Schutzanforderungen der neuen TA Luft. Hierbei handelt es sich um Prüfwerte z.B. für Ammoniak bzw. die Stickstoffdeposition sowie Immissionswerte für Geruch, die an einem Standort relevant sind. Sie entscheiden insbesondere darüber, ob ein Bauvorhaben genehmigungsfähig ist bzw. ob weitergehende, aufwendigere Untersuchungen erforderlich sind.
Bei den Schutzanforderungen ist für den Schweinebereich auch zu erwähnen, dass die angekündigten Erleichterungen für Tierwohlställe enttäuschen. Denn sie beschränken sich auf die Geruchsimmissionen kleinerer Mastställe mit Außenklima und Auslauf bis 500 Plätze, weil deren Belästigungspotenzial als geringer eingestuft wird.
Doch viele tierfreundliche Ställe weisen aufgrund der freien Lüftung bzw. des Außenklimas deutlich höhere Geruchsbelastungen im Nahbereich auf. Auch Ausläufe erzeugen mehr Belastungen.
Das heißt: Die neue TA Luft führt aufgrund ihrer starren Schutzanforderungen dazu, dass der Um- oder Neubau von Tierwohlställen an vielen Standorten blockiert bleibt. Mehr zu dieser Problematik lesen Sie in der SUS 3/2020 ab Seite 20.
Noch gravierendere Folgen hat die neue TA Luft im Bereich der Vorsorge. Hier geht es um technische Lösungen, um die Emission möglichst gering zu halten. Die Vorsorgeanforderungen gelten für alle immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen, unabhängig vom Standort.
Filter für große Ställe
Die TA Luft unterscheidet ausgehend von den Tierplatzzahlen zwei Größenklassen. Zu den sogenannten V-Anlagen mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zählen Schweinebetriebe ab 1500 Mast-, 560 Sauen oder 4500 Ferkelaufzuchtplätzen. Die sogenannten G-Anlagen umfassen Betriebe ab 2000 Mast-, 750 Sauen- oder 6000 Ferkelaufzuchtplätzen.
Für beide Größenklassen schreibt das Regelwerk neue Maßnahmen zur Emissionsminderung vor. Besonders hart trifft es dabei die größeren Betriebe der G-Klasse. Denn für sie wird der Abluftfilter bei allen Ställen mit Zwangslüftung zur Pflicht. Die neue TA Luft erklärt die Abluftreinigung damit für Betriebe dieser Größenordnung bundesweit zum Standard. Bislang war dies nur in Niedersachsen, NRW, Schleswig-Holstein und Thüringen der Fall.
Laut TA Luft muss die Abluftreinigungsanlage bei Ammoniak und Gesamtstickstoff eine Abscheideleistung von mindestens 70% erzielen. Beim Geruch ist eine Reingaskonzentration unter 500 Geruchseinheiten (GE) je Kubikmeter Luft zu gewährleisten. Dies ist weniger streng als die Vorgabe für Anlagen mit DLG-Test (300 GE/m3). Der Bundesrat hatte die Anhebung empfohlen, da die Grenzwerte aufgrund großer Unsicherheiten bei der Messung im Praxisbetrieb nicht einzuhalten wären.
Bei G-Anlagen, die nachweislich dem Tierwohl dienen und eine Abluftreinigung technisch nicht möglich ist, lässt die TA Luft alternativ andere Maßnahmen zur Emissionsminderung zu. Hierzu zählen geneigte Seitenwände im Güllekanal, Güllekühlung, Gülleansäuerung und Kot-Harn-Trennung. Welches Minderungspotenzial hierbei angesetzt werden darf, ist im Anhang der TA Luft definiert (siehe Übersicht).
Was ein Tierwohlstall ist, hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe in einer Vollzugshilfe definiert. Sie enthält verschiedene Kriterien, beispielsweise das Platzangebot je Tier.
Minus 40% Ammoniak
Tierwohlställe der Größenklasse G müssen ihre NH3-Emissionen mindestens um 40% zum Referenzwert erzielen. Bietet der Tierwohlstall zudem Außenklima, sind die Emissionen um 33% zu senken. Für Mastschweine beträgt der Referenzwert z.B. 2,9 kg N pro Tierplatz und Jahr unter Berücksichtigung einer stark N-reduzierten Fütterung.
Auch für mittelgroße Anlagen der V-Klasse mit z.B. über 1500 Mastplätzen sind Maßnahmen zur Minderung der Emissionen vorgeschrieben. Zwar gibt es keine Filterpflicht. Doch in zwangsbelüfteten Ställen müssen die Ammoniakemissionen um mindestens 40% gemindert werden. Hierfür sind neben Filtern dieselben Minderungstechniken zulässig, wie bei Tierwohlställen der G-Klasse.
Auch eine teilweise Reinigung der Abluft soll möglich sein. Das heißt, der Betrieb könnte z.B. nur einen Teil der Abteile mit Abluftfilter ausrüsten, während die Abluft die anderen Abteile ungereinigt verlässt. Insgesamt sind mindestens 60% der gesamten Abluft zu filtern.
Bei den V-Anlagen gibt es ebenfalls Ausnahmeregelungen für tiergerechte Haltungsverfahren. So sind die Maßnahmen zur Emissionsminderung hier nur umzusetzen, soweit dies möglich ist. Die Entscheidung darüber wird die Genehmigungsbehörde im Einzelfall auf Grundlage der Unterlagen des Antragstellers treffen müssen. Diskussionen sind vorprogrammiert.
In fünf Jahren Nachrüsten
Der Zeitplan für die neuen Vorgaben ist straff. Neubauten mit BImSchG-Pflicht müssen sie sofort nach Inkrafttreten der TA Luft umzusetzen. Bei vorhandenen Ställen der G-Klasse ist eine Nachrüstung binnen fünf Jahren vorgesehen, sofern dies verhältnismäßig und technisch möglich ist. Sind Abluftfilter unverhältnismäßig, muss eine G-Anlage die zuvor genannten alternativen Minderungsmaßnahmen umsetzen.
Bei bestehenden V-Anlagen gilt eine längere Übergangsfrist bis 2029. Wichtig: Bei diesen kleinen BImSchG-Anlagen muss die Nachrüstung nur erfolgen, sofern sie verhältnismäßig und technisch möglich ist.
Wer einen Abluftfilter für den Stall nachrüsten muss, entscheidet die Genehmigungsbehörde im Einzelfall auf der Grundlage der Unterlagen der Planer bzw. Sachverständigen. Hierbei gelten verschiedene Kriterien, insbesondere das Alter des Stalles und die Möglichkeit bzw. der technische Aufwand für den Umbau der Lüftung.
Fachleute bewerten die Nachrüstung von Abluftfiltern in den meisten Fällen als aufwendig und teuer. Dies gilt insbesondere, wenn der Stall über keine zentrale Abluftführung verfügt. Denn in diesem Fall setzt die Schaffung eines zentralen Sammelkanals einen erheblichen Eingriff in die Dachkonstruktion voraus. In der Regel ist die Verhältnismäßigkeit einer Nachrüstung nicht gegeben.
Neue Vorgaben für Futter
Neben den technischen Anforderungen greift die neue TA Luft stärker als bisher in die Fütterung ein. So müssen BImSchG-Betriebe die Mehrphasenfütterung mit Obergrenzen für die Stickstoff- und Phosphorausscheidungen umsetzen. In diesen Betrieben wird die stark nährstoffreduzierte Fütterung zum Standard erklärt. Insbesondere in der Ferkelerzeugung ist fraglich, ob alle betroffenen Betriebe die neuen Anforderungen zur Fütterung erfüllen können.
Positiv ist, dass die TA Luft die Fütterung als gleichwertigen Weg zu den technischen Emissionsminderungsmaßnahmen anerkennt. Dies gilt für Betriebe, die die neuen Mindeststandards zur Fütterung mehr als erfüllen und z.B. sehr stark oder extrem stark nährstoffreduziert füttern. In diesem Fall kann die Fütterung einen erheblichen Beitrag leisten, um z.B. die 40% Minderung beim Ammoniakausstoß zu erfüllen.
Trotz der Anrechenbarkeit der Fütterung müssen Betriebe mit BImSchG-Anlagen mit erheblichen Mehrkosten rechnen. Denn neben Abluftfiltern erfordern auch die alternativen Wege zur Emissionsminderung hohe bauliche Aufwendungen.
Erhebliche Mehrkosten
Nach Kalkulationen der Landwirtschaftskammer NRW muss ein Betrieb mit gut 2000 Mastplätzen durchaus mit jährlichen Mehrkosten zwischen 20000 und 60000 € rechnen. Betriebe knapp oberhalb der relevanten Tierplatzzahlen können versuchen, zusätzlichen Auflagen durch eine Abstockung zu entgehen. Dies kann im Rahmen von Tierwohlprogrammen gangbar sein.
Jedoch ist der Deckungsbeitragsverlust einer Abstockung nicht zu unterschätzen. Bei G-Anlagen ist zudem zu bedenken, dass trotz Abstockung immer noch die emissionsmindernden Maßnahmen von V-Anlagen zu erfüllen sind.
Die weitere Optimierung der Fütterung dürfte daher in vielen Betrieben eine Schlüsselrolle zur Erfüllung der TA Luft spielen. Nach einer neuen Studie des Deutschen Verbandes Tiernahrung besteht hier ein erhebliches Potenzial zur Senkung des Ammoniakanfalls. Mehr dazu im Beitrag ab Seite 30.