Etliche Schweinehalter wollen ihre Ställe für mehr Tierwohl umbauen. Doch im Baurecht und bei der technischen Umsetzung gibt es dicke Bretter zu bohren.
Fred Schnippe, SUS
Der politische Wille für mehr Tierwohl ist groß. Viele Schweinehalter würden den Weg mitgehen. Jedoch muss der finanzielle Ausgleich der Tierwohl-Maßnahmen sicher sein. Immerhin geht es um mehrere Milliarden Euro jährlich!
Sollte es der Politik gelingen, die Mittel bereitzustellen, ist die Kuh aber nicht vom Eis. So gibt es erhebliche rechtliche und technische Hürden. Sie können Tierwohlställe vielerorts blockieren.
Knackpunkt Baurecht
Zunächst zum Baurecht. Mit der Novelle des Baugesetzbuches haben 2013 viele Vorhaben im Außenbereich ihre Privilegierung verloren. Betroffen sind sogenannte gewerbliche Ställe, bei denen weniger als 50% des benötigten Futters selbst erzeugt werden kann.
Zwar besteht Bestandsschutz für Ställe, die vor 2013 gebaut wurden. Dieser kann jedoch wegfallen, wenn für den Umbau zum Tierwohlstall eine Genehmigung fällig wird. Dies kann schon der Fall sein, wenn z.B. zur Schaffung von Außenklima eine Stallwand geöffnet wird.
Hinzu kommt, dass die Behörden heute höhere Anforderungen an den Nachweis von Futterflächen stellen als vor zehn Jahren. Sie fordern u.a. deutlich längere Laufzeiten für Pachtflächen, die vielerorts nicht realisierbar sind. Wer seinen Bestandsschutz verliert, müsste für den Tierwohlstall mit der Gemeinde einen Bebauungsplan aufstellen. Dies ist aufwendig, teuer und bislang nur in Einzelfällen gelungen.
Hemmschuh Immissionsschutz
Neben dem Baurecht hat der Gesetzgeber den Immissionsschutz verschärft. Und bei genehmigungsbedürftigen Umbauten kommen auch die Immissionen erneut auf den Prüfstand. Ställe, die vor zehn Jahren hinsichtlich ihrer Belastungen durch Geruch und Ammoniak noch genehmigungsfähig waren, können unter heutigen Kriterien durchs Raster fallen.
Die Situation kann sich verschärfen, wenn in den letzten Jahren schützenswerte Gebiete um den Stall neu ausgewiesen wurden. Dies kann ein Biotop oder eine Wohnbebauung sein.
Hinzu kommt bei Ställen mit Außenklima oder Auslauf, dass statt einer Zwangslüftung in Teilen oder vollständig eine freie Lüftung zum Einsatz kommt. Dies vermindert die Möglichkeiten, die Abluft zielgerichtet abzuführen.
Stattdessen treten die Emissionen verstärkt im Nahbereich des Stalles auf. Außerdem weisen Tierwohl- bzw. Offen-ställe allein aufgrund der größeren Oberflächen höhere Emissionen auf. Das treibt die Abstände zu Wohnhäusern oder Biotopen zusätzlich in die Höhe und kann viele Tierwohlprojekte blockieren. Welche emissionsrechtlichen Probleme bei der Umrüstung zum Tierwohlstall im Detail auftreten können, lesen Sie im nachfolgenden Beitrag ab Seite 20.
Um den Tierschutz nicht schon im Vorfeld abzuwürgen, will das BMEL ein sogenanntes Tierwohlstall-Förderungsgesetz auf den Weg bringen. Es soll die Zielkonflikte zwischen dem Tier- und Umweltschutz auflösen und die Genehmigungsverfahren für besonders tiergerechte Ställe erleichtern.
Bislang scheitern die geplanten Anpassungen aber im Wesentlichen am Hickhack in der Großen Koalition. Ein Änderungsantrag zum Baurecht liegt seit fast einem Jahr auf Eis. Und bei der für den Immissionsschutz relevanten TA Luft ist das SPD-geführte Umweltministerium wenig kooperativ. Zwar besteht die Bereitschaft, Erleichterungen für tiergerechte Ställe zu verankern. Jedoch hat das BMU eigene Kriterien für Tierwohl-ställe definiert, die nicht mit dem Tierwohlkennzeichen übereinstimmen.
Funktioniert der Stall noch?
Weitere Hürden gibt es im technischen Bereich. Zuerst geht es darum, ob und wie sich vorhandene Ställe umbauen lassen. Keine Frage: Stufe 1 des Tierwohlkennzeichens mit mehr Platz und Raufutter lässt sich in vielen Schweinebetrieben realisieren.
Doch die weiteren Stufen fordern auch Außenklimareize und Auslauf. Hierfür muss die Außenhülle der meist vollklimatisierten Ställe geöffnet werden. Das bringt vor allem zwei Probleme:
- Die in der Regel eingesetzte Unterdrucklüftung funktioniert nicht mehr. Ob ein teilweiser oder kompletter Ersatz durch die freie Lüftung gelingt, ist unklar.
- Ställe mit Außenklima sind vor allem im Winter für jüngere Schweine zu kalt. Das macht wärmegedämmte Ruhezonen z.B. als Liegekisten unverzichtbar.
Derart große Eingriffe an der Klimaführung und Buchtenstruktur können die Funktionssicherheit vorhandener Ställe gefährden. So steigt die Gefahr, dass Schadgase und Wärme nicht mehr ausreichend abgeführt werden und die Buchten stärker verschmutzen.
Baukosten explodieren
Bei einem Umbau zur Haltungsstufe 2 kommt ein weiteres Problem hinzu. Zwar stellt die hier geforderte Schaffung von Außenklima auf den ersten Blick geringere Anforderungen als Stufe 3. Doch in der Bauberatung festigt sich die Meinung, dass Außenklima in konventionellen Ställen mit vertretbarem Aufwand kaum realisierbar ist. Oft bliebe nur der Weg, Ausläufe anzubauen. Auch wenn dies in Stufe 2 gar nicht direkt gefordert ist.
Zu bedenken ist zudem, dass alle Tiere Zugang zum Außenklima bzw. Auslauf erhalten müssen. Bei typischen Kammställen heißt das oft: Der Betrieb muss die Abteile verbinden und auf größere Buchten umstellen. Voraussetzung ist zudem, dass sich das Außenklima an den Traufseiten realisieren lässt. Ist der Auslauf nur im Giebel möglich, sind sogar Großraumabteile notwendig, damit alle Tiere ins Außenklima gelangen.
Dabei sind die Kosten ganz erheblich. Denn beim Stallbau macht sich die allgemeine Kostenexplosion im Baugewerbe ebenso bemerkbar. Fachleute kalkulieren bei der Nachrüstung eines Auslaufes mit Investitionen von 250 bis 300 € je Quadratmeter.
Was fehlt, ist zudem eine klare Definition von Außenklima. Hier gibt es in den Borchert-Fachgruppen keinen Konsens. So sehen Bauberater z.B. Jalousienställe als Außenklima-Variante, während Hardliner diese als Warmstall definieren, der entsprechend umzubauen wäre. Maßgeblich ist hier die Tierwohlkennzeichen-Verordnung. Sie soll die Details der Tierwohlkriterien regeln. Die Verordnung liegt aber nur als Referentenentwurf vor. Etliche Punkte sind strittig.
Lange Säugezeiten
Die Verordnung enthält auch Kriterien, die bislang wenig diskutiert wurden, aber zum Fallstrick für die Praktiker werden können. Es geht zum einen um die Liegeflächen, die Stufe 2 und 3 des Tierwohlkennzeichens vorsehen. Geplant ist z.B. in der Endmast eine Liegefläche von mindestens 0,6 m2 je Tier.
Neben der Flächengröße bereitet die Definition Probleme. Denn im Gespräch sind ganz bzw. nahezu ganz geschlossene Liegeflächen. Dies geht deutlich über die Schweinehaltungs-VO hinaus, die im Liegebereich zumindest einen reduzierten Schlitzanteil von 15% zulässt. Die Gefahr der Buchtenverschmutzung steigt damit ab Haltungsstufe 2 stark an.
Ein weiterer Fallstrick können die Säugezeiten werden. So sieht bereits Haltungsstufe 2 Säugezeiten von 28 Tagen vor. Unklar ist, ob damit die Mindest- oder die Durchschnittssäugezeit gemeint ist. Bei erstgenannter Definition müsste der Betrieb bereits in Stufe 2 auf fünf Wochen Säugezeit hochgehen, damit auch die jüngsten Ferkel der Gruppe die Mindestsäugezeit erreichen. Bei dieser Auslegung käme es in Stufe 3 sogar zu sechs Wochen Säugezeit.
Abstockung unverzichtbar?
Derart lange Säugephasen bringen große Belastungen für die Sauen. Fachleute halten Zufütterungssysteme in jeder Abferkelbucht für ein Muss. Zudem steigt der Bedarf an Abferkelplätzen stark an. Gleichzeitig sinkt die Wurffolge. Bei 13 abgesetzten Ferkeln je Wurf bedeutet eine Woche mehr Säugezeit ein Minus von rund 1,5 Ferkeln je Sau und Jahr. Das kostet Geld und verstärkt die Unterversorgung mit deutschen Ferkeln. Zumal viele Sauenbetriebe die höheren Platzvorgaben im Borchert-Plan vermutlich nur mit einer Abstockung schaffen.
Noch stärker wirkt der Druck zur Abstockung in der Mast. Denn hier gelten bereits in den unteren Haltungsstufen deutlich erhöhte Platzvorgaben. Viele Mäster werden dies nur mit einer stark verminderten Tierzahl erreichen, um angesichts der Hemmnisse im Baurecht die Betriebserlaubnis zu sichern.
Problem Kupierverbot
Abschließend stellt sich die Frage, welche Betriebe den Weg ins staatliche Tierwohlkennzeichen gehen können. Stufe 1 scheint oftmals gangbar. Das zeigen die Erfahrungen aus ITW, die ähnliche Kriterien hat. Doch bereits nach drei Jahren fordert Stufe 1 den vollständigen Verzicht auf das Schwänzekupieren. Das kann viele Betriebe vor schwer lösbare Probleme stellen.
Noch schwerer wird es in Stufe 2. Denn durch den Schritt zum Außenklima können das Bau- und Emissionsrecht den Umbau der Ställe blockieren. Hinzu kommen erhöhte Haltungsanforderungen, welche die Funktionssicherheit der Ställe gefährden können.
Stufe 3 dürfte für viele Schweinehalter schwer vorstellbar sein. Denn neben den rechtlichen Hürden wie in Stufe 2 gelten nochmals höhere Tierwohlstandards. In der Ferkelerzeugung erreicht die höchste Tierwohlstufe mit hohen Platzvorgaben, sehr langen Säugezeiten und der freien Abferkelung nahezu Bioniveau.
In der Mast dürfte in Stufe 3 neben den rechtlichen und baulichen Hürden vor allem die Pflicht zu 100% mehr Platz Kopfzerbrechen bereiten. Viele Mäster wären zu schmerzlichen Abstockungen gezwungen. Je nach Ausgangslage können ein Drittel oder mehr Mastplätze futsch sein. Das schmälert die Betriebserlöse stark und führt zu einer hohen Abhängigkeit von Subventionen.