In den ASP-Gebieten wird die Lage für die Betriebe immer dramatischer. Die Seuchenbekämpfung im Wildschweinebestand muss an Durchschlagskraft zulegen.
Michael Werning, SUS
Als Ende September vergangenen Jahres im brandenburgischen Landkreis Spree-Neiße das erste mit der Afrikanischen Schweinepest (ASP) infizierte Wildschwein gefunden wurde, war für Bart und Mascha Vennix schnell klar, dass nichts mehr wie vorher sein würde. Die beiden führen einen Mastbetrieb mit 4800 Tieren in Schlaubetal. Das liegt zwischen Frankfurt (Oder) und Cottbus – genau die Region, in der in den folgenden Wochen immer mehr ASP-positives Schwarzwild entdeckt wurde.
Vorkehrungen getroffen
Die gebürtigen Niederländer sind Schweinehalter durch und durch. Nach einigen Jahren als Angestellte in der Schweinebranche wagten sie 2013 den Schritt in die Selbstständigkeit und übernahmen den Hof Bremsdorf. Die Mastanlage wurde Anfang der 1970er-Jahre in der Blütezeit der DDR-Planwirtschaft als sogenannte Typanlage für 6000 Schweine gebaut. Insgesamt 39 baugleiche Anlagen wurden errichtet. Der Betrieb galt in dieser Riege als Vorzeigebetrieb. „Die Struktur bzw. Bausubstanz der fünf miteinander verbundenen Ställe ist heute immer noch gut und wir erfüllen die Vorgaben der ITW. Ich würde heute kaum anders neu bauen“, so Bart Vennix.
Als vermeintlicher Schwachpunkt ihres Standortes entpuppte sich in den letzten Jahren allerdings die Nähe zur deutsch-polnischen Grenze. In Polen wütet die ASP schon seit Jahren in den Wildschweine- und Hausschweinebeständen. „Wir haben überlegt, wie wir uns schützen können. Letztlich sind die persönlichen Möglichkeiten aber überschaubar. Wir haben die Umzäunung des Geländes weiter verstärkt, eine Desinfektionsanlage für Fahrzeuge installiert und die Schwarz-Weiß-Bereiche schärfer getrennt“, erzählt der Schweinehalter. Außerdem wurde eine Ertragsschadensausfallversicherung abgeschlossen.
Betrieb in weißer Zone
Obwohl die ASP damit schon lange vor dem Erstausbruch in Deutschland zu einem sehr präsenten Thema für das Betriebsleiterpaar wurde, war der Schock beim Eintreten des „worst case“ groß. „Plötzlich fanden wir uns zwischen zwei ASP-Kerngebieten wieder und liegen bis heute in der Weißen Zone“, berichtet der Mäster.
Von Tag 1 des ASP-Ausbruches hatten Vennix mit massiven Vermarktungsschwierigkeiten zu kämpfen. „Früher gingen unsere Tiere zum Tönnies-Standort in Weißenfels. Nach dem Ausbruch konnten wir zunächst einen Monat gar keine Tiere verkaufen. Dann öffnete Tönnies den Standort Kellinghusen in Schleswig-Holstein für Tiere aus Restriktionsgebieten“, blicken die Schweinehalter auf die einschneidenden Erlebnisse zurück.
Stand heute ist dieser Schlachthof noch immer der einzige in Deutschland, den Vennix und die anderen betroffenen Betriebe beliefern dürfen. Die Schweinehalter fühlen sich gebrandmarkt und halten den aktuellen Zustand auch aus seuchenhygienischen und tierschutzrechtlichen Gründen für ein Unding. „Es kann doch nicht sein, dass wir Schweine aus ASP-Gebieten fast sieben Stunden lang quer durchs Land fahren. Wie hätte das geendet, wenn der letzte Sommer richtig heiß geworden wäre“, fragt sich Bart Vennix.
Schlachter in der Pflicht
Vor diesem Hintergrund hat der Mäster schon mehrmals das Gespräch mit dem niederländischen Schlachtkonzern Vion gesucht. Der betreibt im brandenburgischen Perleberg einen Schweineschlachthof, weigert sich aber, Tiere aus den Restriktionsgebieten zu schlachten. „Hier müssen Politik und Behörden Druck aufbauen, aber auch die Kostenfrage klären“, fordert der Schweinehalter.
Denn den Schlachtern und Fleischbetrieben entstehen unbestritten Mehrkosten bei der Aufnahme dieser Tiere. Vennix Hoffnung ist, dass bei einer staatlichen Übernahme der Kosten die Schlachter wieder zu marktüblichen Preisen zurückkehren.
Aktuell muss der Mäster bei dem ohnehin ruinösen Notierungsniveau einen pauschalen Abschlag von 10 Cent pro kg Schlachtgewicht hinnehmen. Obendrauf kommen die Mindererlöse, weil die Tiere mit durchschnittlich 100 bis 103 kg am Haken aus der AutoFOM-Maske fallen. Dazu kommen 5 € pro Schwein extra an Transportkosten, wegen der weiten Strecke nach Kellinghusen.
„Unterm Strich haben wir durch diese Repressalien schon mehr als 200000 € verloren“, rechnet Mascha Vennix vor. Die Ertragsschadensausfallversicherung deckt nur einen kleinen Teil dieser Schadenssumme und ist obendrein nach zwölf Monaten im vergangenen September ausgelaufen.
Positive Erfahrungen haben Vennix dagegen mit dem zuständigen Veterinäramt gemacht. Die Amtstierärzte suchen regelmäßig das Gespräch mit den Schweinehaltern vor Ort. „Wir haben schon das Gefühl, dass die Behörde hinter uns steht und versucht, die Lage zu entschärfen“, betont Bart Vennix.
Wildschweinfreie Zonen
Wirklich gelungen scheint dies angesichts der jüngsten Seuchensprünge und Fallzahlen noch nicht zu sein. Dementsprechend nüchtern fällt auch Dirk Breskes Urteil zu den bisherigen Bemühungen zur Bekämpfung der ASP im Wildschweinebestand aus.
Der hauptberuflich als Schweineproduktionsberater in Ostdeutschland tätige Jäger hat sich intensiv in dieses Thema eingearbeitet und unter anderem für die ostdeutschen Interessengemeinschaften der Schweinehalter (IGS) Bejagungskonzepte erarbeitet. „Wir haben seit dem Herbst des vergangenen Jahres wertvolle Zeit verloren. Nur mit einem konsequenten und koordinierten Handeln lässt sich eine endemische Seuchenlage im ostdeutschen Wildschweinebestand noch abwenden“, stellt er klar.
Unter konsequent versteht der Jagdexperte, dass möglichst viel Fallwild geborgen wird, eine intensive Bejagung in den „Weißen Zonen“ stattfindet und dass Schwarzwild in den Kernzonen vollständig entnommen wird. Letzteres ist jetzt durch die neuesten Änderungen der Schweinepest-Verordnung auch rechtlich durchsetzbar.
Zentrale Anlaufstellen
Neben der teils unsicheren Rechtslage hat es sich im bisherigen Verlauf der ASP-Bekämpfung als großes Hindernis erwiesen, dass es keine richtige Abstimmung zwischen den betroffenen Landkreisen gab. Daher sieht es Dirk Breske als sehr wichtig an, dass in den Gebieten zentrale Stellen zur Koordination der Entnahme eingerichtet werden.
Diese Anlaufstellen sollen die involvierten Fachbereiche wie das Veterinäramt, die landwirtschaftlichen Vertretungen und die zuständige Jagdbehörde, zusammenführen. Die leitende Person muss zudem über Weisungsbefugnisse gegenüber den Behördenmitarbeitern und handelnden Personen vor Ort verfügen.
Denn nach wie vor vertreten einige Teile der Jägerschaft die Meinung, dass sich die Seuche totläuft. Doch abgesehen davon, dass man damit viele Wildschweine in einen grausam siechenden Tod schickt, überleben circa 10% der Tiere die Infektion und werden zu gefährlichen Virusträgern. „Deshalb ist es ganz wichtig, die Landwirte und Jäger vor Ort mitzunehmen. Außerdem kennen sie die Gegend bzw. das Revier am besten!“, erklärt der Berater.
Bestandsbonitur wichtig
Während die Einzäunung der Zonen in Brandenburg nach seiner Einschätzung gut funktioniert, tut sich Sachsen hier deutlich schwerer. Dabei ist der Zaunbau entscheidend, um die Emigration von ASP-Trägertieren zu verhindern und später eine gezielte Entnahme der Wildschweine zu ermöglichen. Für diesen Schritt muss nach der Einschätzung unbedingt eine Bestandsbonitur erfolgen. „Nur so lässt sich halbwegs sicher einschätzen, wie viel Aufwand für die Eradikation der Wildschweine notwendig ist“, so Breske.
Neben den Revierjägern können dabei auch Drohnen, Hubschrauber und Wildkameras zum Einsatz kommen. Die Verteilung der Rotten in einem Gebiet lässt sich relativ gut bestimmen, weil mehr als 80% der Population einen Aktivitätsradius von vier bis sechs Kilometer nicht überschreiten.
Sollte die Bestandsbonitur ergeben, dass die ortsansässigen Jäger dem vorgefundenen Wildschweinebestand nicht gewachsen sind, muss externe Hilfe angefordert werden. Dirk Breske denkt hier an Berufsjäger aus den Landesforsten und Jagdausübungsberichtigte, die über die Jagdverbände landesweit aufgerufen werden sollten. „Das wird nicht jedem Revierinhaber gefallen, doch sonst lodert das Feuer immer wieder auf“, stellt Breske klar.