Das GrainUp-Projekt belegt eine geringere Verdaulichkeit der Aminosäuren als nach DLG-Werten. Schweinehalter sollten ihre Rationen nach den neueren Erkenntnissen berechnen.
Fred Schnippe, SUS
Viele Schweinehalter haben die Protein- und Phosphorwerte in ihren Futterrationen stark he-runtergefahren. Insbesondere in den Veredlungsregionen ist die stark N/P-reduzierte Fütterung weit verbreitet. Entsprechend wurden die Sicherheitszuschläge minimiert bzw. gestrichen.
Wer „hart an der Grenze“ füttert und will, dass sich die Tiere dennoch optimal entwickeln und gesund bleiben, muss die Nährstoffzufuhr exakt abstimmen. Hierfür muss der Betrieb die wertbestimmenden Inhaltsstoffe seines Futters genau kennen. Regelmäßige Laboruntersuchungen der Rohkomponenten sind daher unverzichtbar.
Wichtig ist zudem, dass der Landwirt die Verdaulichkeit seines Futters genau kennt. Denn sie entscheidet, welchen Anteil der mit der Ration zugeführten Nährstoffe das Tier für seinen Erhaltungsbedarf und sein Wachstum tatsächlich nutzen kann.
Wie viel Eiweiß ist nutzbar?
Der Proteinverdaulichkeit kommt dabei eine übergeordnete Rolle zu. Denn der Wunsch nach geringen Stickstoffausscheidungen der Tiere und anhaltende Diskussionen um Nitrate im Grundwasser haben die Nährstoffabsenkung vor allem beim Protein weit vorangetrieben.
Unabhängige Versuche zeigen, dass auch sehr niedrige Rohproteingehalte von 12% oder leicht darunter ab 70 kg Lebendgewicht ohne Nachteile möglich sind. Wirtschaftlich sind sie allerdings im aktuellen Preisgefüge nicht darstellbar.
Damit die Eiweißabsenkung funktioniert, sollte die Rationsberechnung laut Gesellschaft für Ernährung (GfE) sowie der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) auf Basis der dünndarmverdaulichen Aminosäuren erfolgen. Fachleute sprechen von der praecaecalen Verdaulichkeit (pcv). Sie umschreibt den Nährstoffanteil, den das Tier bis zum Ende des Dünndarms bzw. bis vor dem Blinddarm (Caecum) aufnehmen kann.
Rationsberechnungen auf Basis der verdaulichen Aminosäuren bieten den Vorteil, dass sie den tatsächlichen Futterwert wesentlich genauer abbilden. Denn die Verdaulichkeit der Aminosäuren kann je nach Rohkomponente stark unterschiedlich ausfallen.
Die DLG hat zuletzt im Jahr 2014 neue Daten zur Verwertbarkeit von Aminosäuren in der Schweinefütterung veröffentlicht. Die Datenerhebung liegt jedoch noch weiter zurück. In der Zwischenzeit wurden sowohl die Methoden der Verdaulichkeitsbestimmung als auch die chemischen Analysemethoden weiterentwickelt.
Zudem gab es seither sowohl seitens der Zucht als auch seitens der Futtermittel Anpassungen, die zu einem veränderten Futterwert geführt haben könnten. Eine Neubewertung wurde daher im GrainUp-Projekt aufgegriffen.
Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig aktuelle Verdaulichkeitstudien sind. Auch wenn die rechtlichen und finanziellen Hürden hierfür sehr hoch sind.
Projekt mit echten Tierdaten
Um die Verdaulichkeit der Aminosäuren genauer beurteilen zu können, hat die Uni Hohenheim „in vivo-Versuche“ vorgenommen. Sie bezeichnen Prozesse, die im lebenden Organismus stattfinden. Hierzu wurden neun Mastschweine mit einem Ausgangsgewicht von 30 kg chi-rurgisch mit einer T-Kanüle am Ende des Dünndarms ausgestattet.
Diese Kanüle erlaubt es, Futterbrei aus dem lebenden Tier zu entnehmen und den Nährstoffgehalt im Labor zu analysieren. Im Abgleich mit den über das Futter zugeführten Mengen können die Versuchsleiter genau ermitteln, welchen Anteil der Aminosäuren das Tier resorbiert und für sich nutzbar gemacht hat.
Während der Versuche erhielten die Tiere jeweils nur eine Getreideart als einzige Futtergrundlage. Die Datenerhebung erfolgte getrennt für Weizen, Gerste, Roggen und Triticale. Wobei verschiedene Getreidegenotypen bzw. Sorten zum Einsatz kamen. Der Anbau des Getreides erfolgte unter standardisierten Bedingungen.
Nach einer viertägigen Anfütterung der Versuchstiere wurde der Futterbrei aus dem Ileum, sprich dem letzten der drei Dünndarmabschnitte tierindividuell über einen Zeitraum von zwei Tagen entnommen. Die Erhebungen umfassten insgesamt acht Wiederholungen.
Geringere Verdaulichkeit
Die Laboranalysen des Futterbreis zeigen, dass der Genotyp der Getreideart nur einen geringen Einfluss auf die Eiweiß- bzw. Aminosäurenverdaulichkeit hat. So wies z.B. die Lysinverdaulichkeit beim Weizen bei einem Mittelwert von 71% nur eine Standardabweichung von 1,9% auf. Insgesamt lag die Lysinverdaulichkeit beim Weizen zwischen 69 und 74%.
Viel gravierender ist, dass die am lebenden Tier ermittelten Verdaulichkeiten deutlich unter den Daten der Futterwerttabellen liegen. Übersicht 1 zeigt die Versuchsergebnisse für die Leitaminosäure Lysin. Es wird deutlich, dass die im GrainUp-Projekt ermittelten Verdaulichkeitswerte im Mittel um mehr als 13 Prozentpunkte unter den DLG-Daten liegen. Beim Weizen und Roggen sind die Unterschiede zwischen den beiden Bewertungsansätzen mit 17 bzw. 18 Prozentpunkten besonders hoch.
Die Analyse der fünf weiteren erstlimitierenden Aminosäuren bis zum Valin bestätigt diesen Trend. Übersicht 2 zeigt, dass die Methioninverdaulichkeit der Gerste im GrainUp-Projekt nur bei 77% liegt, während die DLG einen um 5 Prozentpunkte höheren Wert angibt. Die Übersicht zeigt die gesamten Laborergebnisse. Wobei die DLG-Werte zum Vergleich in Klammern dargestellt sind.
Was die Ergebnisse der Uni Hohenheim für die praktische Fütterung bedeuten, zeigt die Kalkulation einer Ration für die Vormast. Es handelt sich um eine getreidebetonte Ration mit 32% Weizen, 28% Gerste sowie 12% Roggen (s. Übersicht 3).
Als Eiweißträger kommen 15% Soja- und 7% Rapsextraktionsschrot zum Einsatz. Die Ration enthält zudem 3% Pflanzenöl und 2,8% Mineralfutter. Das Vormastfutter weist bei 88% Trockensubstanz je Kilogramm 13,1 MJ ME, 155 g Rohprotein sowie 2,8 g verdaulichen Phosphor auf.
Die Bewertung der verdaulichen Aminosäuren erfolgte zum einen nach der DLG sowie zum Vergleich nach dem GrainUp-Projekt der Uni Hohenheim. Erwartungsgemäß weist die Kalkulation auf Basis der DLG-Daten deutlich höhere Gehalte an verdaulichen Aminosäuren auf. Dies gilt für alle der hier gelisteten Aminosäuren.
Ein Abgleich mit den Zielwerten für Vormastfutter aus dem Rechenmeister 2022 der Landwirtschaftskammer NRW zeigt die Konsequenzen auf. So sollten Rationen für Schweine ab 40 kg Lebendgewicht bei 850 g mittlerer Tageszunahme 9,5 bis 9,8 g verdauliches Lysin je kg Futter enthalten. Diese Zielvorgabe wird nur unter der Maßgabe der DLG-Verdaulichkeiten erreicht.
Sicherheit bei N/P-Absenkung
Anders sieht es aus, wenn der Betrieb die im GrainUp-Projekt ermittelten Verdaulichkeiten zugrunde legt. Dann liegt der Anteil des verdaulichen Lysins mit 9,42 g je kg Futter unter dem Zielwert für die Vormast. Der Mäster müsste dann ein Mineralfutter mit einem höheren Gehalt an freien Aminosäuren oder mehr Sojaextraktionsschrot einsetzen.
Die Fütterungsberatung der Landwirtschaftskammer NRW empfiehlt, auf die niedrigeren Daten zur Aminosäurenverdaulichkeit aus dem GrainUp-Projekt zurückzugreifen. So lässt sich die Sicherheit bei der Rationsoptimierung auf Basis der verdaulichen Aminosäuren erhöhen. Dies gilt insbesondere für Schweinehalter, die mit stark oder sehr stark N/P-reduzierten Mischungen arbeiten.