In der Ausgabe 6/2023 berichteten wir über eine Promotionsarbeit und erhielten Leserfragen. Fachtierarzt Dr. Jörg Tenhündfeld hat die Studie in seiner Praxis mitbetreut. Hier seine Antworten.
Ein hoher Anteil grober Futterpartikel kann die Magengesundheit bei Schweinen entscheidend fördern. Offenbar ist es sogar möglich, die Risiken feiner Futterpartikel zu kompensieren. Das ist das Kernergebnis einer Praxisuntersuchung im Rahmen einer Promotionsarbeit.
Diese Arbeit wurde am Institut für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Prof. Kamphues, und in der Tierarztpraxis Vetland Dr. Tenhündfeld & Kollegen aus Vreden im Münsterland durchgeführt. Im Interview beantwortet Fachtierarzt Dr. Jörg Tenhündfeld unsere Leserfragen zur Untersuchung.
Können Sie erklären, warum ein erhöhter Anteil von Grobpartikeln die Magengesundheit nachhaltig verbessert?
In unserer Studie haben wir keinen einzigen Mageneingang mit einem ulzerativen Geschehen befundet. Es ist davon auszugehen, dass dies auf den Grobanteil im Futter zurückzuführen ist. Dieser steigerte den Trockensubstanzgehalt im Magen, wodurch eine bessere Schichtung des Mageninhalts gewährleistet wurde. Dadurch bleibt der gewünschte pH-Gradient vom Mageneingang bis zum -ausgang erhalten. Das wiederum sorgt dafür, dass die Magensäure und das Verdauungsenzym Pepsin nicht unverhältnismäßig stark mit dem empfindlichen Teil in der oberen Zone des Magens in Kontakt kommen. Außerdem wird durch die günstige Magenschichtung eine zu schnelle Entleerung verhindert, sodass der Magen auch nicht so schnell ganz leer wird. Längere Phasen eines leeren Magens sind Risikofaktoren für die Gesundheit der inneren Magenwand.
Der Austausch eines Lochsiebes gegen ein Drahtsieb bringt mehr Grobpartikel. Gibt es weitere Lösungen?
Zuerst geht es um die Vermahlungstechnik. Im Fokus stehen Rotordurchmesser, Hammer-/Siebqualität, Drehzahl und der Zustand der Hämmer. Wichtig ist auch die Verarbeitung. So können eine Pelletierung oder Fermentierung sowie lange Standzeiten von Flüssigfutter zur Nachzerkleinerung grober Partikel führen.
Im untersuchten Betrieb handelte es sich um eine Teil-Fermentierung, welche in dieser Hinsicht von Vorteil war. Außerdem sind die Komponenten naturgemäß auch entscheidend. Gerste behält aufgrund des höheren Strukturanteils nach der Vermahlung einen größeren Partikeldurchmesser als Weizen oder Roggen. Letztlich tragen auch ein ausreichendes Tier-Fressplatz-Verhältnis sowie bedarfsgerecht angepasste Fütterungsblöcke entscheidend dazu bei, Nahrungskonkurrenz und Stress am Trog zu verhindern.
Wie wirkt sich ein erhöhter Anteil grober Partikel auf die Futterverwertung aus?
Getreidekörner, die nur grob oder gar nicht geschrotet sind, werden weniger effizient/kaum im Dünndarm und auch im Dickdarm nicht vollständig verdaut. Dies beweist eine weniger effiziente Stärkeverdauung im Magen-Darm-Trakt.
Es hat sich gezeigt, dass eine günstige Verdaulichkeit bei einer Balance zwischen Grob- und Feinanteil erhalten bleibt. Um die Verdaulichkeit zu beurteilen, wurden Kotproben auf ganze Körner und erhöhte Stärkegehalte untersucht. Denn dies weist auf eine weniger effiziente Stärkeverdauung im Magen-Darm-Trakt hin. Der zu Grunde liegende Betrieb schnitt weit besser ab als Vergleichsbetriebe, die auf eine reine Erhöhung des Grobanteils setzen. Die Bandbreite der Partikelgrößen hat dazu beigetragen, eine effiziente Verdaulichkeit zu erhalten.
Kann organisches Beschäftigungsmaterial die Magengesundheit verbessern?
Durch Kotproben und die Beprobung des Mageninhalts ließ sich im betrachteten Betrieb nachweisen, dass der Strohanteil gerade einmal 0,01% der täglichen Futteraufnahme ausmachte. Auch bei anderen organischen Beschäftigungsmaterialien ist davon auszugehen, dass der geringe Anteil an der Gesamtfuttermenge keine ernährungsphysiologischen Auswirkungen, wie einen Rückgang in der Verdaulichkeit, hat.
Das heißt: Es ist nicht davon auszugehen, dass organisches Beschäftigungsmaterial die Magengesundheit signifikant verbessern kann. In der vorliegenden Studie zeigten sich keine Einbußen in der Magengesundheit, wenn auf die Strohdusche verzichtet wurde. Als Beschäftigungsmaterial kann Stroh dennoch sinnvoll sein, im Sinne ruhigerer Tiere.
Wie erklären Sie sich die äußerst geringe Strohaufnahme der Schweine?
Den Tieren stand das Stroh über Strohduschen mehrmals täglich zur Verfügung. Trotz einer großflächigen, geschlossenen Unterlage unter der Auswurföffnung ist davon auszugehen, dass ein Teil der vorgelegten Mengen im Rahmen des Wühlverhaltens verloren gegangen ist. Eine Aufnahme von Stroh erfolgte allenfalls in „homöopathischen Dosen“. Dennoch erwies es sich Stroh zur Beschäftigung als höchst attraktiv.
Welcher Anteil grober Futterpartikel ist im Mastfutter anzustreben?
Um diese Frage beantworten zu können, führen wir derzeit eine Folgeuntersuchung in einem weiteren Praxisbetrieb durch. Im laufenden Projekt liegt im Gegensatz zur vorherigen Erhebung eine relevante Prävalenz an Magenerosionen und -geschwüren vor, während der Vermahlungsgrad annähernd identisch ist. Beide Betriebe weisen einen Grobanteil mit Partikelgrößen über 1 mm von rund 30% und einen Feinanteil mit Partikeln unter 0,2 mm Größe von etwa 60% auf. Das gilt für die gesamte Mastdauer.
Es wird derzeit überprüft, ob die Magengesundheit durch eine Futterration mit 20% Gerstenanteil verbessert werden kann. Dabei kommt eine Hammermühle mit einem Drahtsieb zum Einsatz. Ferner gilt es, weitere Faktoren wie den Einfluss von intensiv eingesetzten Nebenprodukten herauszufiltern. Erste Erkenntnisse erwarten wir zum Ende dieses Jahres.Ihr Kontakt zur Redaktion:fred.schnippe@susonline.de