Holländische Versuche zeigen ein Leistungsplus bei einer Lysin-Zulage in der ersten Mastphase. Die Ergebnisse geben Anlass, auch die deutschen Empfehlungen zu überprüfen.
Fred Schnippe, SUS
Die Proteinversorgung spielt eine Schlüsselrolle in der Mast. Zum einen beeinflusst die Zufuhr an Aminosäuren in großem Maße die Mast- und Schlachtleistung. Zudem entscheidet vor allem der Rohproteingehalt, wieviel Nährstoffe die Tiere ausscheiden. Dies wird bei schärferen Dünge-Regeln immer wichtiger.
Auch in den Niederlanden bleibt der Trend zu Nährstoff-reduziertem Futter. Um dem Bedarf fleischreicher, frohwüchsiger Genetiken gerecht zu werden, hat die Uni Wageningen 2018 die Empfehlung für die Aminosäuren im Mastfutter aktualisiert. Basis war das sogenannte Tiermodell InraPorc, das den Bedarf anhand der Fleischbildung ableitet.
Versuch in zwei Betrieben
Um zu sehen, wie gut die Modelle zu modernen Genetiken passen, hat die Uni Wageningen Versuche durchgeführt. Sie erfolgten im Testbetrieb Laverdonk von Agrifirm (Betrieb A) sowie bei einem Kunden von ForFarmers (Betrieb B).
Unterstützer der Versuche sind die niederländische Vereinigung für Tierfutteruntersuchung und Hollands Regierung. Die Versuche liefen von Januar bis Juli 2019. In beiden Testbetrieben kamen in gleicher Anzahl Jungeber und weibliche Tiere zum Einsatz. Die neun Wochen alten Ferkel wurden mit knapp 24 kg getrenntgeschlechtlich aufgestallt.
Betrieb A stallte 520 Ferkel ein. Die Topigs-Tiere stammten von TN 20- bzw. TN 70-SauenxTempo-Eber. In den Buchten standen sieben bis zehn Tiere.
Betrieb B hat 1408 Tiere aufgestallt. Die Ferkel stammten von der Topigs-TN 70-SauxTriton-Eber von Topigs. In den Kleinbuchten standen je elf Schweine.Beide Betriebe fütterten ad libitum an Trockenautomaten. Die Mast erfolgte dreiphasig. Das Vormastfutter wurde fünf Wochen, das Mittelmastfutter vier Wochen und das Endmastfutter bis zum Verkauf mit gut 120 kg vorgelegt.
Die Tiere erhielten getreidebetonte Rationen mit Gerste, Weizen, Mais und Sojaschrot. Die fünf erstlimitierenden Aminosäuren bis zum Valin wurden synthetisch ergänzt. Der Rohproteingehalt war mit 20% in der Vor- und 16,5% in der Endmast bewusst hoch angesetzt. Dies sollte sicherstellen, dass sich die Rationen wenig unterscheiden und die Mastleistungen direkte Rückschlüsse auf den Lysingehalt ermöglichen.
Vier Lysin-Stufen verglichen
Die Lysinversorgung wurde in vier Stufen variiert. Auf Basis der 2018er-Versorgungsempfehlungen aus dem Tiermodell wurden 80, 90, 110 sowie 125% Lysin vorgelegt. Für die weiblichen Tiere und Jungeber galten separate Zielwerte.
Die Tiere wurden nach der Vor- und der Mittelmast sowie beim Verkauf gewogen. Mithilfe der Fütterungsanlage konnten die Versuchsleiter die Futtermengen je Bucht erfassen und die Futteraufnahme sowie die Futterverwertung ermitteln.
Leistungsplus mit 110% Lysin
Im Versuch wurden sehr hohe Leistungen erzielt. Im Betrieb A erreichten die Jungeber in den oberen Lysin-Stufen Tageszunahmen von mehr als 1050 g. (Übersicht 1). Die weiblichen Tiere lagen 50 bis 90 g niedriger. Auch bei der Futterverwertung schnitt Betrieb A hervorragend ab. Jungeber kamen im Idelafall mit 2,07 kg Futter/kg Zuwachs aus. Weibliche Tiere lagen rund 0,2 Punkte schlechter.
Im Betrieb B war das Zunahmeniveau gut 100 g niedriger. Bei der Futterverwertung schnitten die Schweine in Betrieb B im Mittel rund 0,2 Punkte schlechter ab. Dennoch liegen die Mastleistungen auch in Betrieb B mindestens auf dem Niveau erfolgreicher Praxisbetriebe.
Bereits die erste Auswertung zeigt, dass die Lysin-Zulage die Tageszunahmen und die Futterverwertung verbesserte. Bei dem sehr hohen Leistungsniveau in Betrieb A brachte sogar die starke Anhebung auf 125% Lysin ein weiteres Leistungsplus, vor allem bei den Jungebern.
Korrekturbedarf in Vormast
Die Ergebnisse gaben Anlass, die Leistungsparameter der einzelnen Mastphasen näher zu analysieren. Ergebnis:
- In der Vormast waren die Lysingehalte zu gering, um optimale Leistungen zu erzielen. Das gilt für beide Testbetriebe sowie für beide Geschlechter.
- In der Mittelmast waren die aktuellen Versorgungsempfehlungen zutreffend.
- In der Endmast traf die Empfehlung weitgehend zu. Für Betrieb A mit Spitzenleistungen waren die Lysinwerte für die Jungeber etwas zu gering, für die weiblichen Tiere etwas zu hoch.
Es lohnt sich also, die Lysingabe in der Vormast näher zu beleuchten. Zunächst zu den Tageszunamen in Betrieb A. Übersicht 2 auf Seite 41 zeigt, dass die Schweine mit einer Lysin-Gabe von 110% der Versorgungsempfehlung in der Vormast signifikant höhere Zunahmen erzielten. Bei den Jungebern führte die Erhöhung auf 125% zu absicherbar höheren Zunahmen.
In Betrieb B brachte die 110%-Lysin- Zulage ebenfalls signifikant bessere Zunahmen in der Vormast. Die weitere Erhöhung auf 125% Lysin brachte in Betrieb B keinen zusätzlichen Nutzen.
Der Effekt der erhöhten Lysin-Gabe spiegelte sich in der Futterverwertung wider. Übersicht 3 auf Seite 41 zeigt die Daten aus Betrieb A. Dort konnten die Jungeber mit 110% sowie mit 125% Lysin jeweils signifikant bessere Futterverwertungen erzielen. Bei den weiblichen Tieren verbesserte die Erhöhung auf 110% Lysin signifikant die Futterverwertung.
Auch in Betrieb B zeigte sich eine statistisch belegbar bessere Futterverwertung bei einer Lysingabe von 110% bei beiden Geschlechtern. Die weitere Erhöhung auf 125% hatte keinen Effekt. Insgesamt ist bei der äußerst hohen Futtereffizienz zu beachten, dass Übersicht 3 nur die Vormast abbildet.
Zur Schlachtkörperqualität. Hier hatte der Lysingehalt keinen Einfluss. Nur in Betrieb A konnten die Jungeber mit 110 und 125% Lysin einen nachweislich höheren Muskelfleischanteil erzielen.
Die Tiergesundheit wurde anhand der Verluste, der Behandlungshäufigkeit und der Kot-Konsistenz bewertet. Hier gab es keine Unterschiede. In beiden Ställen lag die Verlustequote unter 2%.
Optimale Lysin-Gabe ermittelt
Anhand der Ergebnisse wurde abgeleitet, bei welcher Lysin-Zulage die Tiere die höchsten Zunahmen in der Vormast erzielen. Übersicht 4 zeigt, dass dies vom Geschlecht und vom Leistungsniveau abhängt. Jungeber in Betrieb A benötigten mit 21% die höchste Lysinzulage, um ihr Wachstumsoptimum zu erzielen. Weibliche Tiere in Betrieb A erreichten bei 8% Lysinzulage ihr bestes Wachstum. In Betrieb B mit dem gerigeren Zuwachsniveau führte bei beiden Geschlechtern bereits eine Lysinzulage um 5% zu den höchsten Tageszunahmen.
Ebenso wurde die optimale Lysingabe für eine hohe Futterverwertung ermittelt. Besonders groß ist hier der zusätzliche Bedarf der Jungeber in Betrieb A. Sie verwerteten das Futter bei 22% Lysin-Zulage am besten (Übersicht 5). Bei den weiblichen Tieren in Betrieb A lag das Plateau bei 14% Lysinzulage. In Betrieb B wurde die beste Futterverwertung bei 13% Lysin-Zulage für die Jungeber und 7% Zulage für die weiblichen Tiere erreicht.
Insgesamt wird deutlich: Die Tiere be- nötigten für eine optimale Futterverwertung mehr Lysin als für maximale Zunahmen. Die Untersuchung sollte dabei das Leistungsmaximum moderner Genetiken ausloten. Die Futterkosten blieben unberücksichtigt.