Ein neues Futterkonzept erlaubt Sau und Ferkel aus einem Trog zu fressen. Niederländische Versuche zeigen, dass damit höhere Absetzgewichte möglich sind.
Fred Schnippe, SUS
Das Absetzen von der Muttersau ist die kritischste Phase im Leben eines Schweines. Im Fokus steht die unregelmäßige Futteraufnahme. So zeigen Versuche, dass rund 30% der Ferkel erst 20 Stunden nach dem Absetzen mit der Futteraufnahme beginnen. Danach folgt oft eine Phase des Überfressens. Dies macht die Tiere krankheitsanfällig und kann insbesondere hartnäckige Durchfälle auslösen.
Gemeinsames Fressen
Hier setzt ein neues Fütterungskonzept aus den Niederlanden an. Das Besondere: Die säugende Sau und ihre Ferkel fressen dasselbe Futter aus demselben Trog.
Das Konzept knüpft an das Fressverhalten von Schweinen in freier Wildbahn an. Hier lernen die Ferkel von der Mutter zu fressen und zu trinken. Das gemeinsame Fressen soll vor allem die Futteraufnahme nach dem Absetzen optimieren, damit die Ferkel diese kritische Phase besser meistern.
Die sogenannte Familienfütterung ist ein Gemeinschaftsprojekt der Uni Wageningen, dem Futtermittelhersteller Trouw Nutrition und dem Stalleinrichter Vereijken. Das Fütterungssystem wurde über drei Jahre im Testbetrieb Sterksel erprobt und weiterentwickelt. Die Ergebnisse sind im Wageningen Livestock Research, Rapport 1333, nachzulesen.
Zentrales Element der Familienfütterung ist eine 70x80 cm große Trogplatte für die Bodenfütterung (siehe Bilder auf Seite 60). Die Aluminiumplatte ist an den Seitenwänden teils mit 3 bis 4 cm hohen Aufkantungen versehen, um Futterverluste zu minimieren. Damit die Sauen die Trogplatte gut erreichen können, sind die Ferkelschutzkörbe der Versuchsbuchten im Kopfbereich der Sau beidseits um etwa 30 cm verbreitert.
Tränke neben Trogplatte
Die Futterzuteilung erfolgt bei der Familienfütterung über kleine Portionen mit je 50 g. Für den Futterabruf betätigen die Sauen einen kleinen Schalter an der Stirnseite der Bucht. Die Kontrollsauen wurden nach einer Futterkurve mit zwei Mahlzeiten pro Tag versorgt.
Bei der Familienfütterung ist das Trinkbecken neben der Trogplatte auf dem Boden montiert. Das Becken ist nur wenige Zentimeter hoch, sodass die Ferkel es problemlos erreichen können. Zum Wasserabruf betätigt die Sau einen Trognippel. In Kontrollbuchten ist eine übliche Tränketechnik mit Trogsprüher für Sauen und Wandtränken für die Ferkel montiert.
Kleine und große Pellets
Für die Familienfütterung wurde ein spezielles Futter entwickelt. Es besteht aus einer Kombination von kleinen und großen Pellets. Die Länge der Pellets variiert von 10 bis 30 mm, während der Durchmesser 4 bzw. 12 mm beträgt. Die Zusammensetzung des Familienfutters ist so angepasst, dass sie sowohl den Bedürfnissen der Ferkel als auch der Sauen gerecht wird.
Um die Auswirkungen der Familienfütterung zu bewerten, wurde das System mit einem üblichen Fütterungskonzept für säugende Sauen und Saugferkel verglichen. In die Versuche flossen 104 Abferkelungen mit insgesamt 1040 abgesetzten Ferkeln ein. Die Entwicklung der Topigs-Ferkel (TN20xTempo) wurde bis zur neunten Lebenswoche ausgewertet.
Der Versuch umfasste vier Varianten:
- Standardtrog mit Standardfutter,
- Standardtrog mit Familienfutter,
- Familientrog mit Standardfutter,
- Familientrog mit Familienfutter.
Schneller zum Fressen
Kernergebnis des Versuches ist, dass die Ferkel mit dem Familienfütterungssystem statistisch absicherbar höhere Absatzgewichte erzielten. So waren die Ferkel zum Absetzen mit durchschnittlich gut 26 Lebenstagen am Familientrog mit 7,59 kg (Standardfutter) und 7,65 kg (Familienfutter) rund 300 g schwerer als die Ferkel, die mit einem üblichen Fütterungssystem versorgt wurden (siehe Übersicht 1).
Die mittlere Anzahl abgesetzter Ferkel je Wurf variierte in den Gruppen von 13,3 bis 13,7. Der Futtertyp hatte dabei keinen Einfluss auf das Wachstum.
Ein weiterer Vorteil des Familiensystems ist, dass die Ferkel früher mit dem Fressen festen Beifutters begannen. So konnten bei den Würfen am Familientrog bis zum Absetzen mehr als 70% der Ferkel als sichere Fresser eingeordnet werden. Hingegen ließen sich beim üblichen Fütterungssystem mit getrennten Trögen für Sau und Ferkel zum Absetzen nur 60% der Ferkel als Fresser ausmachen. Ferkel wirken ruhiger
Pluspunkte brachte die Familienfütterung zudem beim Sozialverhalten der Ferkel. So waren in Buchten mit Familientrögen weniger orale Manipulationen zu beobachten. Hierzu zählen insbesondere das Knabbern bzw. Beißen an Ohren und Schwänze.
Auch Hautverletzungen in Form von Abschürfungen und Schrammen kamen seltener bei den Ferkeln vor, die zusammen mit ihrer Mutter fressen konnten. Offenbar hatte die gemeinsame Futteraufnahme Vorteile für die Sozialisation der Ferkel und die Ruhe in der Gruppe.
Sauenkondition gleich
Neben den Ferkeln wurde der Einfluss des Futterkonzeptes auf die Sauen beurteilt. Den Versuchsleitern ging es hierbei insbesondere um mögliche Auswirkungen auf die Gewichtsentwicklung bzw. die Rückenspeckdicke der Muttertiere. Allerdings traten bei der Sauenkondition keine Unterschiede auf.
Auffallend war dagegen der spürbar höhere Futterverbrauch am Familientrog, der sich vor der Abferkelung sowie in der gesamten Säugezeit zeigte. Im Mittel wurden in den Buchten mit Familientrog 1,5 bis 2 kg Futter je Tag und Wurf mehr verbraucht als im Kontrollsystem.
Die Versuchsleiter führen dies zum einen darauf zurück, dass die Sauen durch die annähernde Sattfütterung mehr Futter aufnehmen als in der Kontrolle mit Futterkurve. Zudem wird ein Teil des Hauptfutters für die Sau von den Ferkeln mitgefressen. Die Menge ließ sich aber nicht exakt erfassen.
Futtervergeudung abstellen
Nicht zu unterschätzen sind die höheren Futterverluste am Familientrog. Denn bei der Bodenplatte mit niedrigen Aufkantungen kann deutlich mehr Futter verloren gehen als bei üblichen Sauentrögen. Der Abruf des Futters über den Aktivator hatte manche Sauen auch zum Spielen mit dem Futter veranlasst.
Im Versuch wurden die Futterverluste zweimal wöchentlich optisch bewertet. Wobei es mit gering (<0,5 kg), mittel (0,5 bis 1 kg) und hoch (>1 kg) drei Verlustkategorien gab. So wurde bei der Kontrollgruppe nur 3% der Futterverluste als hoch und 11% als mäßig eingestuft. Hingegen traten beim Familientrog hohe Futterverluste mit 14% und mäßige Futterverluste mit 43% deutlich häufiger auf.
Dieses Manko ist noch abzustellen. Andererseits ist das bessere Sozialverhalten der Sauen in den Buchten mit Familientrog hervorzuheben. Denn durch die Verbreiterung der Ferkelschutzkörbe im Kopfbereich konnten die Muttertiere sowohl mit ihren Ferkeln als auch mit den Sauen in den Nachbarbuchten besser interagieren. Die Schweine wirkten in den Familienbuchten dadurch insgesamt ausgeglichener.
Aufzucht: Esser haben Vorteile
Die alles entscheidende Frage ist, ob die Ferkel aus den Buchten mit Familientrog nach dem Absetzen besser durchstarten können. Hier zunächst einmal eine Betrachtung der Leistungen von Ferkeln, die bereits festes Futter vor dem Absetzen gefressen haben und solchen, die noch nicht fressen. Die Ergebnisse hierzu sind in der Übersicht 2 zusammengefasst.
Auf die gesamte Aufzuchtperiode bezogen erreichten die Esser um 9 bis 41 g bessere Zunahmen als die sogenannten Nichtesser. Da die Zahl der Esser in Buchten mit Familientrog höher war als beim Standardtrog und -fütterungssystem, müsste sich dies auch bei dem Vergleich der Fütterungssysteme wiederfinden.
Trotz der höheren Ferkelgewichte zum Zeitpunkt des Absetzens in der Gruppe Familienfütterung zeigten sich bei den Zunahmen während der Ferkelaufzucht jedoch keine Unterschiede. Hier wurden in allen vier Fütterungsvarianten bis zur Abschlusswiegung in der neunten Lebenswoche vergleichbare Tageszunahmen von rund 450 g erzielt. Auch bei der Futterverwertung gab es keine Unterschiede.
Keine höheren Zunahmen
Warum blieb eine positive Wirkung der Familienstrategie auf das Wachstum in den 35 Tagen nach dem Absetzen aus? Dies lag offensichtlich an der Übergangsphase nach dem Absetzen. In den ersten neun Tagen wuchsen die abgesetzten Ferkel aus dem Familienfütterungssystem sogar schlechter als die Kontrolltiere. Die Futterverwertung war ebenfalls für den gesamten Zeitraum bis zum 35. Tag nach dem Absetzen weniger günstig.
Eine Erklärung könnte sein, dass in der ersten Phase nach dem Absetzen bei den Ferkeln des Familien-Essensystems mehr Durchfall auftrat als bei Tieren des Kontrollsystems. Dies könnte mit der Aufnahme von Sauenfutter in den ersten 4,5 Tagen nach dem Absetzen zusammenhängen. Denn in dieser Phase wurde den Ferkeln aus der Familiengruppe eine Kombination aus Ferkel- und Sauenfutter analog der Situation vor dem Absetzen vorgelegt. Möglicherweise sind die Ballaststoffe im Sauenfutter für abgesetzte Ferkel nicht optimal. Hier besteht noch Korrektur- bzw. Forschungsbedarf.
Ferkel aus dem Familienfütterungssystem zeigten jedoch auch in der Aufzucht weniger Ohren- und Schwanzbeißen als die Kontrollferkel. Dementsprechend gab es weniger Ferkel mit Verletzungen. Zu-dem wurden weniger Hautkratzer registriert, die durch Aggressionen verursacht werden können.
Den Originalbericht hier