Die Parvovirose ist nach wie vor eine nicht zu unterschätzende Erkrankung. Impfstoffe leisten einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von klinischen Symptomen.
Mag. René Renzhammer und Heinrich Kreutzmann, Klinik für Schweine, Vetmeduni Vienna
Aufgrund der jahrzehntelangen flächendeckenden Verwendung effektiver Vakzine geriet die Parvovirose in den letzten Jahren vermehrt in den Hintergrund. Jetzt rückt das Virus vor allem durch das Auftreten neuer Stämme wieder in den Fokus.
SMEDI-Symptomatik
- Erreger: Das porzine Parvovirus (PPV) ist in der Umwelt monate- bis jahrelang infektiös und mit dem jeweiligen Parvovirus von Hund und Katze eng verwandt. Anders als bei den Fleischfressern verläuft die Parvovirose bei Schweinen in der Regel subklinisch. Ein besonderes Merkmal des porzinen Parvovirus ist vor allem seine Fähigkeit, die Plazentaschranke zu überwinden und Föten zu infizieren. Da das Immunsystem der Föten bis Ende des zweiten Trimesters noch nicht reif genug ist, um das Virus erfolgreich zu eliminieren, verlaufen Infektionen von Föten vor dem 70. Trächtigkeitstag meist tödlich.
Tatsächlich assoziiert man PPV bei (Jung)sauen sofort mit dem klinischen Bild, welches in der Literatur mit Orgelpfeifen verglichen und als „SMEDI-Syndrom“ bezeichnet wird. Dabei steht jeder Anfangsbuchstabe dieser Abkürzung für eine bestimmte Symptomatik (siehe Übersicht).
- Klinik: Im Gegensatz zu typischen Aborterregern wie PRRSV oder Leptospiren führen Infektionen mit dem porzinen Parvovirus in der Regel nicht zu Aborten – also einem frühzeitigen Abbruch der Trächtigkeit. Im Gegenteil: häufig ist von verlängerter Gravidität die Rede. Nachdem sich porzine Parvoviren sehr langsam von einem zum nächsten Fötus ausbreiten, findet man zum Zeitpunkt der Geburt Mumien und unterschiedlich entwickelte Früchte mit variierender Autolyse, sowie totgeborene, lebensschwache oder normal entwickelte Ferkel.
Embryonen, welche sich noch vor Beginn der Verknöcherung (ca. 35. Trächtigkeitstag) infizieren, werden vom Uterus komplett resorbiert. Dies kann sich in Form von Kleinstwürfen oder auch mit Umrauschen klinisch präsentieren. Ab dem ca. 70. Trächtigkeitstag ist das Immunsystem der Föten bereits gut entwickelt, weshalb infizierte Föten meistens eine Infektion überleben können und somit gesund und mit Antikörpern ausgestattet auf die Welt kommen.
Nachweismethoden
- PCR: Der Nachweis von Virus erfolgt am besten mittels PCR aus allen Organen von Mumien und Totgeburten. Prinzipiell erweist es sich als sinnvoll, mehrere Föten zu beproben. Der Virus-Nachweis in anderen Materialien wie Kot adulter Tiere, über den das Virus übertragen wird, ist weniger sinnvoll, da ein Nachweis im Kot der Sauen nicht darauf schließen lässt, ob das Virus auch die Plazentaschranke überwunden hat.
- Antikörper: Einmalige Antikörperuntersuchungen von geimpften Sauen mittels ELISA sind schwer zu interpretieren, da man Impfantikörper nicht von Feldantikörpern unterscheiden kann. Bei paarigen Serumproben derselben Tiere können zumindest Antikörperanstiege erkannt werden. Genauere Methoden zur möglichen Unterscheidung von Impf- und Feldvirusantikörpern (HI-Test) sind vorhanden, allerdings aufwendig und werden nicht von jedem Labor angeboten.
- Differentialdiagnostik: Bei der Anwesenheit von Mumien im Rahmen der SMEDI-Symptomatik sollte man neben anderen Infektionserregern vor allem PCV2 in Betracht ziehen. Gegen eine Infektion mit dem porzinen Parvovirus sprechen Aborte und eine fieberhafte Allgemeinerkrankung der Sau.
Abgesehen davon sollte nicht ausschließlich an Infektionskrankheiten gedacht werden. Eine Unterversorgung der Föten mit Sauerstoff sowie Nährstoffen, welche zur Mumifizierung führen kann, ist nicht zuletzt auch den größeren Wurfzahlen in den letzten Jahren geschuldet. Dem Vorkommen von ein oder zwei Mumien sollte bei Linien, welche grundsätzlich zur Geburt von großen Würfen tendieren, demnach nicht eine zu große Bedeutung zugeschrieben werden.
Impfung der Sauenherde
- Impfung generell: Da das porzine Parvovirus in fast allen Betrieben vorkommt und eine nachhaltige Eliminierung des Erregers aus Betrieben aufgrund seiner hohen Stabilität gegenüber Umweltfaktoren nicht möglich ist, empfiehlt sich eine Impfung in jedem Sauen haltenden Betrieb.
- Impfzeitpunkt: Die wichtigste Zielstellung sollte sein, eine gute und homogene Herdenimmunität zu erreichen. Die Impfung schützt allerdings nicht vor einer Infektion, aber vor klinischer Symptomatik. Prinzipiell geht man auch davon aus, dass Antikörper, welche über die Biestmilch aufgenommen werden, bis zu sechs Monate lang einen Schutz gegen das Virus bilden, weshalb Jungsauen erst ab diesem Zeitpunkt geimpft werden.
Studien, welche die PPV-Antikörperlevel von Zuchtläufern über einen Zeitraum von sechs Monaten verfolgt haben, geben allerdings Anlass zur Vermutung, dass der Mutterschutz wesentlich früher wegfällt. Einen Grund für eine frühere Impfung gibt dieser Umstand nach derzeitigem Wissensstand trotz alledem nicht, da eine Infektion mit dem porzinen Parvovirus ausschließlich bei tragenden Sauen zu Problemen führt.
- Herstellerangaben: Je nach Hersteller ist der früheste Impfzeitpunkt ab dem 5./6. Monat bzw. 2 bis 8 Wochen vor der Belegung angegeben. Die Grundimmunisierung erfolgt je nach Präparat einmalig oder zweimal im Abstand von 3 bis 4 Wochen. Wiederholt wird dann laut Herstellerangaben terminorientiert alle 6 (bis 12) Monate oder produktionsorientiert 2 bis 3 Wochen vor jeder nachfolgenden Belegung.
- Kombinationen: Zu beachten ist, dass Parvovirusimpfstoffe häufig mit dem Rotlaufimpfstoff und teilweise auch mit einem PRRSV- oder Leptospirenimpfstoff kombiniert sind bzw. werden können, wodurch das Impfintervall variiert. Deswegen erweist es sich als sinnvoll, mit der Betreuungstierärztin/dem Betreuungstierarzt ein betriebsindividuelles Konzept zu entwickeln.
Fälle trotz Impfung?
- Mutationen: Klinische Erkrankungen treten hin und wieder trotz einer erfolgten Impfung auf. Berichte über Stämme, welche einem anderen Cluster angehören als jene, auf denen die Impfstoffe basieren, häufen sich in letzter Zeit. Nichtsdestoweniger spricht eine sehr geringe Nachweisrate von PPV im Abortmaterial, welches zur diagnostischen Abklärung an die Universitätsklinik für Schweine der Vetmeduni Vienna eingesandt worden ist, für eine weiterhin gute Wirkung der vorhandenen Impfstoffe.
- Biosicherheit: Essenziell zur Vermeidung klinischer Fälle ist neben der Impfung unter anderem eine fachgerechte Jungsaueneingliederung und ein konsequentes Umsetzen des Rein-Raus-Verfahrens mit adäquater Desinfektion. PPV ist relativ resistent gegenüber gängigen Desinfektionsmitteln, geeignet sind z.B. Desinfektionsmittel auf Aldehydbasis. Außerdem ist zu beachten, dass bei einem gehäuften Auftreten von mumifizierten Ferkeln die Infektion häufig zwei Monate oder länger zurückliegt.