Viele Schweinebetriebe müssen ihren Ammoniakausstoß deutlich senken. Die Gülleansäuerung und ein innovatives Spülsystem bieten neue Ansätze.
Fred Schnippe, SUS
Die neue TA Luft ist seit Anfang Dezember in Kraft. Sie schreibt u.a. vor, dass BImSch-Betriebe in den nächsten Jahren ihren Ammoniakausstoß um mindestens 40% senken müssen. Auch viele Schweinebetriebe mit mehr als 1500 Mast- bzw. 560 Sauenplätzen sind betroffen.
Berechnungen zeigen, dass eine sehr stark nährstoffreduzierte Fütterung rund die Hälfte der notwendigen Ammoniakeinsparung beitragen kann. Details dazu lesen Sie in der SUS 5/2021 ab Seite 24. Für die weiteren Einsparungen sind möglichst kostengünstige Systeme gefragt. Ein Fokus liegt auf der Gülle. Denn sie ist u.a. der Ausgangspunkt für die Bildung von Ammoniak.
Projekt 1: Gülle ansäuern
Ein Ansatz ist, den pH-Wert der Gülle durch den Zusatz einer starken Säure herabzusetzen. Die TA Luft lässt die Gülleansäuerung als Verfahren zur Emissionsminderung zu. Die pH-Wertabsenkung sorgt dafür, dass sich die Stickstofffraktion der Gülle stark Richtung Ammonium verschiebt. Im Gegenzug liegt kaum noch freies Ammoniak vor, das gasförmig entweichen könnte.
Generell kann die Gülle im Stall, im Lager oder bei der Ausbringung angesäuert werden. Letzteres wird in Deutschland in einigen Regionen praktiziert. Hingegen ist die stallinterne Ansäuerung aufgrund der Rechtslage kaum verbreitet. Vorreiter bei der Gülleansäuerung im Stall ist Dänemark. Die Herausforderung besteht darin, die Säure so in die Gülle zu bringen, dass sie effektiv wirkt aber Mensch und Tier nicht gefährdet.
Hierzu hat die Uni Bonn im Herbst 2018 das Projekt „SAFT“ mit den Unternehmen Hölscher+Leuschner und SF Soepenberg gestartet. Die auf dreieinhalb Jahre angelegten Versuche laufen im Maststall des Campus Frankenforst der Uni Bonn und werden durch das Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert.
Bei der Nachrüstanlage erfolgt die Gülleansäuerung in einem Prozessbehälter aus Edelstahl außerhalb des Tierbereiches. Mindestens zweimal wöchentlich pumpt die Anlage die Gülle aus den Kanälen des Versuchsabteils in den 750 l-Prozessbehälter. Dort wird sie gerührt und der pH-Wert mithilfe einer Sonde erfasst.
Abhängig vom Ausgangswert gibt die Anlage automatisch hochkonzentrierte Schwefelsäure (96%) hinzu, bis der Ziel- pH-Wert erreicht ist. Nach der Ansäuerung pumpt sie die Gülle in den Kanal zurück. Auf diese Weise wird der pH-Wert im Güllekanal auf 5,5 gehalten.
Um eine größtmögliche Sicherheit beim Umgang mit der hochkonzentrierten Säure zu garantieren, wurden verschiedene Vorkehrungen getroffen:
- Die Ansäuerungsanlage ist komplett geschlossen und arbeitet automatisch.
- Der Prozessbehälter wird selbsttätig belüftet, sodass Schadgase wie Schwefelwasserstoff kontrolliert entweichen.
- Die Säure lagert in doppelwandigen Tanks (IBC). Diese werden durch tropffreie Schnellverschlüsse mit dem Prozessbehälter verbunden.
- Sensoren erfassen den Säurevorrat und erlauben eine automatische Bestellung.
Im Gegensatz zur Gülleansäuerung bei der Ausbringung ist bei dieser Technik keine Fortbildung für Gefahrguttransporte notwendig. Am Aufstellort der Anlage muss aber eine Personen- und Augendusche vorhanden sein.
40% weniger Ammoniak
Um die Wirksamkeit zu bewerten, hat das Team die Schadgase im Tierbereich gemessen. Bislang liegen Daten aus vier Durchgängen vor. Sie belegen im Mittel eine Verminderung der Ammoniakemissionen um gut 40%. Die Methanemissionen gingen um 67% zurück. Die Geruchsbeurteilung zeigte keine Unterschiede.
Abschließend erfolgte eine Kostenanalyse. Diese basiert auf der Nachrüstung der Technik im 2000er-Maststall. Die Festkosten enthalten die Technik zur Ansäuerung sowie einen Schutzanstrich der Güllekanäle mit Polyurea. Beim Neubau wäre der Schutzanstrich bei entsprechender Betongüte verzichtbar.
Bei den variablen Kosten fallen insbesondere die Aufwendungen für Säure und Strom ins Gewicht. Sie machen gut 50% der Gesamtkosten aus. Wobei im Versuch rund 17 kg Schwefelsäure pro Kubikmeter Gülle verbraucht wurden. In die Kalkulation flossen zudem die Mehrarbeit sowie ein erhöhter Kalkbedarf auf den Ackerflächen aufgrund des geringeren pH-Wertes der Gülle ein. Gegengerechnet wurde ein höherer Düngewert der Gülle, der auf dem gesteigerten Ammonium- und Schwefelanteil basiert. Mögliche Leistungsverbesserungen bei den Tieren aufgrund der besseren Stallluft blieben außen vor
Bei 2,8 Umtrieben kostete die Ansäuerung gut 12,20 € je Mastplatz. Das System ist damit deutlich günstiger als ein Abluftfilter. Doch erreicht die Ansäuerung nur Exkremente im Güllekanal. Emissionen aufgrund verschmutzter Buchten kann das System im Gegensatz zur Abluftreinigung nicht mindern.
Wichtig ist zudem: Derzeit ist die Lagerung von angesäuerter Gülle nur in doppelwandigen Kanälen zulässig. Der Ge- setzgeber plant aber eine Erleichterung, sodass die Technik künftig hoffentlich auch bei üblichen Güllekanälen nachgerüstet werden kann.
Aufgrund der guten Erfahrungen soll die vorgestellte Ansäuerungstechnik in Kürze in einem Praxisbetrieb mit rund 2000 Mastplätzen zur weiteren Erprobung eingebaut werden.
Projekt 2: Güllekanal spülen
Ein anderer Weg wird in den Niederlanden erprobt. Er zielt darauf ab, die Gülle schnell aus dem Stall zu befördern. Denn je geringer die Verweilzeit, desto geringer die Ausgasung. Hierzu hat die Provinz Nordbrabant ein Forschungsprojekt gestartet.
Im Fokus steht ein innovatives Kreislaufsystem, das Kot und Harn in kurzen Abständen aus den Güllekanälen spült. Das von der Stalltechnikfirma Kamplan entwickelte System „Total Curculair Farmconzept“ (TFC) ist seit Ende 2020 in drei Schweinebetrieben im Test. Das mit 7,8 Mio. € geförderte Projekt wird u.a. durch die Uni Wageningen und die DLV-Beratungsgruppe betreut.
Voraussetzung für das Spülsystem sind schmale Güllekanäle unter den Spaltenböden. Sind sie vorhanden, lässt sich das System im Neubau sowie als Nachrüstung realisieren. Wobei die Spülflüssigkeit aus der Gülle gewonnen wird.
Umbau in Luft-Stickstoff
In den Projektbetrieben wird die ausgespülte Gülle zunächst per Dekanter in ihre feste und flüssige Phase getrennt. Der Feststoff enthält das Gros des Phosphors und wird als Dünger exportiert.
Die flüssige Phase enthält große Mengen des Stickstoffs. Sie wird in zwei Stufen weiterverarbeitet. Hierfür haben die Betriebe zwei je 300 m3 fassende Behälter gebaut. Im ersten, luftdichten Behälter wird die flüssige Phase mit einer Bakterienkultur vermengt. Das setzt einen kontrollierten Gärprozess in Gang.
Der zweite Behälter ist offen und enthält einen Membranbioreaktor, der auch in Kläranlagen zum Einsatz kommt. Durch die Belüftung werden große Teile der N-Fraktion in unschädlichen Luftstickstoff umgewandelt. Abschließend werden Schwebstoffe ausgefiltert. Als Ergebnis erhält der Betrieb aus der flüssigen Phase rund 85% geruchloses Spülwasser, das keinen bzw. nur noch minimale Restmengen an Stickstoff enthält. Zudem entstehen etwa 15% Kaliwasser, das als Düngemittel einsetzbar ist.
Das Spülwasser nutzen die Betriebe fortlaufend, um die Güllekanäle zu säubern. Zudem bleibt eine geringe Menge Spülwasser in den Kanälen. Dies soll Kot und Urin umschließen und die Emissionen vermindern. Das überschüssige Spülwasser kann der Betrieb verregnen oder per Güllefass ausbringen.
Der Spülprozess startet, sobald der Ammoniakgehalt im Stall einen Grenzwert überschreitet. Die Spül- und Aufbereitungstechnik ist automatisiert und wird über eine Handy-App gesteuert.
Ziel: 85% weniger Ammoniak
Im ersten Testjahr hat die Spül- und Aufbereitungstechnik in den drei Betrieben zuverlässig gearbeitet. Seither laufen umfangreiche Schadgasmessungen, die noch nicht abgeschlossen sind. Die Uni Wageningen erwartet, dass die Technik die Emissionen bei Ammoniak um 85%, bei Methan um 90% und bei Geruch um 60% vermindern kann.
Gelingt dies, könnte die Spültechnik ein vollständiger Ersatz für einen Abluftfilter sein. Weiterer Vorteil ist, dass die Testbetriebe ihre Güllekosten auf einen Bruchteil reduzieren konnten. So lässt sich der Feststoff preisgünstig vermarkten. Die dünne Fraktion können auch flächenarme Betriebe aufgrund der geringen Nährstoffgehalte gut verwerten. Allerdings sind die Investitionskosten gewaltig. So hat einer der Prüfbetriebe mit 500 Sauen- und 3500 Mastplätzen fast 1 Mio. € in die Umrüstung seiner Ställe und in die Aufbereitungstechnik investiert. Der Großteil wurde über das Förderprojekt getragen. Für den Praxiseinsatz ist die Anlage damit unter jetzigen Bedingungen zu teuer.