Es gibt keinen Grund, kein Fleisch zu essen!

In der Gesellschaft gibt es viele Vorbehalte gegenüber Fleisch. SUS sprach mit dem Ernährungsexperten Prof. Dr. Stephan Martin, Chefarzt am Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum.

Prof. Martin, der Verzehr von tierischem Protein – vor allem Fleisch – ist ein Dauerbrenner in den Medien. Wie denken Sie über Fleisch als Teil unserer Ernährung?

Aus gesundheitlicher Sicht gibt es keinen Grund, kein Fleisch zu essen. Als Arzt ist das Thema Fleisch für mich primär eine ethische Frage. Es ist in der Geschichte der Menschheit immer ein fester Bestandteil der Nahrung gewesen. Aber nicht in dem Ausmaß wie es heute konsumiert wird. Meine Empfehlung lautet: Weniger und besser.

Rindfleisch gilt als Delikatesse, Geflügelfleisch besticht durch seinen geringen Fettgehalt von nur 0,8 bis 1 g Fett pro 100 g. Womit punktet Schweinefleisch aus ernährungsphysiologischer Sicht?

Das Problem bei der Bewertung von Fleisch auf wissenschaftlicher Ebene ist, dass wir keine belastbaren Daten zu all diesen Aussagen haben. Die meisten Ernährungsstudien basieren auf der Befragung von freiwilligen Teilnehmern, die dann über viele Jahre nachbeobachtet werden. Im Anschluss wird geprüft, ob in Abhängigkeit von den Vorlieben für bestimmte Lebensmittel einzelne Erkrankungen häufiger auftraten.

Was bei solchen Untersuchungen leider komplett vernachlässigt wird, ist, dass sich Personen mit einem hohen Schweinefleischkonsum oft auch in anderen Lebensstilfragen unterscheiden. Schweinefleisch zum Beispiel ist günstiger als Rindfleisch. Somit spielt hier wahrscheinlich der soziale Faktor ebenfalls eine Rolle. Wer ein höheres Einkommen hat, kann auch mehr Rindfleisch verzehren.

Außerdem wissen wir, dass Menschen mit einem geringeren Einkommen häufiger chronische Erkrankungen wie beispielsweise Typ 2-Diabetes oder Bluthochdruck haben. Die Ursache kann zum Beispiel ein ungesunder Lebensstil mit wenig Bewegung usw. sein.

Vor zehn Jahren aß jeder Deutsche 40 kg Schweinefleisch pro Jahr. Jetzt sind es ca. 30 kg. Wo sehen Sie Grenzen für einen gesundheitlich unbedenklichen Verzehr?

Man kann aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Ergebnisse nur vorsichtige Empfehlungen geben. Um die Frage eindeutig zu klären, müsste man randomisierte Studien durchführen. Hier werden freiwillige Versuchsteilnehmer zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen müssten dann zwei bis drei Jahre lang weniger Schweinefleisch essen, während die andere Gruppe angehalten wird, ihren...