Die Herausforderungen für Veredler steigen täglich. Die Datenbank der Erzeugerringe zeigt: Rund zwei Drittel der Mäster füttern nährstoffreduziert und produzieren nach ITW-Standard.
K. Müller, SSB SH; M. Buchholz, LKV BW; H. Vallan, agb; C. Wernsmann, ERW; K. Schulz, BRS
Egal ob Klimaschutz oder Tierwohl. Die Auswertungen der Erzeugerringdatenbank mit Zahlen aus dem Wirtschaftsjahr 21/22 zeigen, dass viele Sauenhalter und Mäster bereits mehr tun, als der Gesetzgeber verlangt.
Ausgewertet wurden 318 Sauen- und 2022 Mastbetriebe. Die meisten stammen aus NRW, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Zudem meldeten Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Daten.
Nährstoffreduziert im Trend
Wie Übersicht 1 zeigt, füttern bereits über 70% der ausgewerteten Mäster nährstoffreduziert. Bei stark nährstoffreduzierter Fütterung setzen sie entweder weniger als 15,35% Rohprotein (RP) oder unter 0,43% Phosphor (P) je kg Futter ein. 63% senken beide Gehalte ab, und 6% gehen noch einen großen Schritt weiter und füttern sehr stark N-/P-reduziert.
Praxiserfahrungen zeigen, dass die nährstoffreduzierte Fütterung ohne Einbußen bei den biologischen Leistungen in der Regel gut funktioniert. Sowohl die täglichen Zunahmen als auch die Futterverwertung bleiben bei richtiger Handhabe auf konstantem Niveau. Gerade bei sehr starker Nährstoffabsenkung ist aber Fingerspitzengefühl gefragt, um bei sehr hohen Zunahmen eine bedarfsgerechte Nährstoffversorgung zu garantieren.
Mit dem neuen Datenbankmodul „NP-Stallbilanz“ konnte für einzelne Betriebe nachgewiesen werden, dass eine Buchung der NP-Werte nach aktueller Futtermitteldeklaration genauere – und zwar niedrigere Salden – liefert als eine Kalkulation nach Schätzwerten. Dadurch könnten hochgerechnet auf Deutschland 3 Mio. t Stickstoff bzw. 19000 ha Fläche eingespart werden.
Hoher Haltungsstandard
Fortschrittlich zeigen sich vor allem die Mastbetriebe im Hinblick auf das Platzangebot für ihre Schweine. Mehr als 70% der Mäster halten ihre Tiere über dem gesetzlichen Standard (vgl. Übersicht 1).
Dabei erfüllen rund 60% den Standard der Initiative Tierwohl (ITW) und bieten ihren Tieren mindestens 10% mehr Platz, als der Gesetzgeber verlangt. Und 5% der ITW-Mäster arbeiten sogar mit einem um 40% höheren Platzangebot.
In 3% der Mastbetriebe findet man inzwischen Außenausläufe. Dieser Anteil läge vermutlich höher, wenn der Gesetzgeber endlich das Bau- und Immissionsschutzrecht ändern und den Bau von Ausläufen zulassen würde.
Der zusätzliche Platz hatte keine negativen Auswirkungen auf die biologischen Leistungen. So stiegen z.B. die Tageszunahmen bei 20% höherem Platzangebot um 50 g und die Futterverwertung blieb nahezu unverändert.
Kastration: Isofluran Nr. 1
Die betäubungslose Kastration von männlichen Ferkeln ist in Deutschland verboten. Hatten viele Ferkelerzeuger zunächst starke Bedenken gegenüber der Inhalations- oder Injektionsnarkose, sind beide Verfahren nun klare Favoriten.
56% der Sauenhalter setzen auf die Isoflurannarkose und 21% auf die Injektionsnarkose, bei der ein Tierarzt anwesend sein muss. Als einen großen Vorteil der Injektionsnarkose sehen viele Ferkelerzeuger die Ruhe während der Behandlung. Wie Praktiker berichten, gibt es auch keine Probleme mit ausgekühlten oder überhitzten Ferkeln.
Nur 4,7% der ausgewerteten Mäster setzen auf die Impfung gegen Ebergeruch, obwohl dieses Verfahren Ressourcen schont. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten sind 20 kg Futtereinsparung je Mastdurchgang möglich. Dass die Impfung gut funktioniert, hat auch das „100000 Improvaceber-Projekt“ unter Beweis gestellt. Auf die Ebermast setzen 16% der Mäster. Jedoch fehlt dem Verfahren die Marktakzeptanz.
Keinen Einfluss hat die Kastrationsmethode auf die Saugferkelverluste. In allen Verfahren liegen diese zwischen 14,5 und 14,7%. Gerade bei der Injektionsmethode gab es hier zunächst größere Bedenken.
Über 200 Mio. € verloren
Während sich die Schweinehalter in puncto Haltung und Fütterung zusehends ins Zeug legen und ihre Produktion verbessern, dankt ihnen der Markt dafür bislang nicht.
Im Mittel der ausgewerteten Betriebe wurde im Wirtschaftsjahr 2021/2022 kein Geld verdient. Berücksichtigt man die kalkulatorischen Arbeitserledigungs- und Fixkosten von 890 € je Sau und Jahr bzw. 82 € je Mastplatz, verlor der Ferkelerzeuger mit 270 Sauen 215000 €! In der Mast waren es im Schnitt 63000 € pro Betrieb. Alles in allem verloren allein die in der Erzeugerringdatenbank ausgewerteten Betriebe damit rund 200 Mio. €!
Besonders hart getroffen hat es oft die Betriebe, die keine langfristigen Futterkontrakte abgeschlossen haben. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 sind die Futterkosten regelrecht explodiert. Inzwischen belasten auch die stark gestiegenen Energiekosten viele Betriebe – vor allem die Ferkelerzeuger. Wann sich die Situation nachhaltig entspannt, ist derzeit nicht abzusehen.
Eines jedoch ist sicher: Hält der wirtschaftliche Druck weiter an, ist an Investitionen in mehr Tierwohl nicht zu denken. Höhere Tierwohlstandards sind nur realistisch umzusetzen, wenn die Mehrkosten sozialisiert – also von der Gesellschaft getragen – werden.
Gutes Management lohnt sich!
In der Ferkelerzeugung zählt nach wir vor jedes Ferkel. Die Zahl der abgesetzten Ferkel stieg von 30,3 auf 31,1 pro Sau und Jahr nochmals an, während die Saugferkelverluste im vierten Jahr in Folge weiter sanken (siehe Übersicht 2).
Die Auswertungen der Erzeugerringe zeigen außerdem, dass Eigenmischer gegenüber Betrieben mit Zukauffutter teils deutliche Futterkosteneinsparungen erreichen, ohne dabei die biologischen Leistungen zu gefährden. Dieser Effekt zeigte sich vor allem bei den Mästern.