Landwirt Christoph Holzenkamp hat für seinen Betrieb eine Klima- und Umweltbilanz erstellt. Der Nutzen ist für ihn weitaus höher als der Aufwand.
Marcus Arden, SUS
Der ökologische Fußabdruck wird bei der Produktion von Schweinefleisch immer wichtiger. Erste Handelspartner haben das Thema bereits bei Landwirten platziert und fordern von Bauern Auskunft darüber, wie ressourcenschonend sie ihr Fleisch produzieren.
Die Klima- bzw. Umweltkarte dürfte künftig also mehr und mehr zum Handelszertifikat werden. Treiber ist in erster Linie der Lebensmitteleinzelhandel, der von seinen Lieferanten den CO2-Fußabdruck oder eine vollumfängliche Lebenszyklusanalyse fordert. Das bestätigt Dr. Gerald Otto vom Schlachthof Böseler Goldschmaus aus dem niedersächsischen Garrel. „Der Handel klopft immer öfter an und will wissen, was die Wertschöpfungskette Fleisch für den Klimaschutz tut“, so Otto.
Das Ziel der Handelsunternehmen ist klar: Sie wollen ihre eigene Umweltbilanz aufpolieren. Zudem können sie sich durch die Vermarktung von klimafreundlich erzeugtem Fleisch von ihrer Konkurrenz abheben. Beim Fleischverkauf ist heute jedes positive Argument willkommen.
Im Moment liegt der Fokus noch beim Klimaschutz – also der Reduzierung der CO2-Emissionen. Auf die Landwirte dürften aber weitere Herausforderungen zukommen. In den Fokus rücken künftig auch der Stickstoff- und Phosphorausstoß sowie dessen Einfluss auf Versauerung und Eutrophierung. Und auch die Landnutzung und der Wasserverbrauch werden zukünftig eine größere Rolle bei der Vermarktung von Schweinefleisch spielen.
Eigene Umweltbilanz erstellt
Schweinehalter Christoph Holzenkamp (36) aus dem niedersächsischen Garthe hat sich bereits eingehend mit der Umweltbilanz seines Veredlungsbetriebes beschäftigt. Warum, beschreibt er wie folgt: „Die Nutztierhaltung bzw. Fleischproduktion steht in der Kritik, klimaschädlich zu sein. Daher fordern meine Fleischvermarkter auch von mir mehr Anstrengungen in puncto Klimaschutz. Sie suchen zudem nach Alleinstellungsmerkmalen und neuen Verkaufsargumenten.“
Holzenkamp treibt das Thema aber auch deshalb um, weil er darin große Einsparpotenziale für seinen Betrieb sieht. „Durch die nährstoffreduzierte Fütterung entlaste ich die Umwelt massiv, weil ich weniger Nährstoffe einkaufen und auf meinen Pachtflächen verwerten muss. Zudem spare ich Kosten“, erklärt der junge Unternehmer.
Dirk Grote von der Futterallianz Nordwest, einem Zusammenschluss der Futtermittelhändler GS agri, Fleming und Wendeln sowie Agrarhandel Weser-Ems, ergänzt: „Die Reduzierung des Rohproteingehalts im Futter in Verbindung mit der mehrphasigen Fütterung in der Mast führt zu einem besseren CO2-Fußabdruck. Die Tiere werden näher am Bedarf gefüttert, dadurch sinken die Stickstoffemissionen in der Gülle und der Stoffwechsel der Tiere wird entlastet.
Handelspartner unterstützen
Holzenkamp arbeitet bei der Umweltbilanzierung seines Betriebes eng mit seinen Geschäftspartnern zusammen und greift dabei auf deren Rechen- und Auswertungsprogramme zurück. Neben der Futterallianz erhält er Unterstützung von seiner Vermarktungsorganisation, der „Erzeugergemeinschaft Oldenburger Münsterland eG“, die seine Mastschweine an den Schlachthof Böseler Goldschmaus vermarktet. „Alleine könnte ich das niemals bewerkstelligen“, betont der Landwirt. „Für die Erstellung der betriebsindividuellen Umweltbilanz muss ich auf das Know-how der Fachleute zurückgreifen.“
Expertin für Umweltbilanzen ist Lina von Fricken von GS agri. Sie unterstützt das Produktmanagement in der Futterallianz Nordwest in allen Nachhaltigkeitsfragen und bei der Berechnung von Umweltbilanzen für die Tierarten Geflügel, Schwein und zukünftig auch Rind. Neben den CO2-Emissionen werden dabei Aspekte wie zum Beispiel die Versauerung und Eutrophierung – also Stickstoff- und Phosphor-Emissionen – berücksichtigt.
Lina von Fricken arbeitet bei der Umweltbilanzierung mit weiteren Partnern zusammen. Dazu zählen unter anderem die Unternehmen KWS, BASF und Evonik. KWS erfasst Anbaudaten von Ackerkulturen und speist diese in eine internationale Datenbank ein. „Dadurch habe ich für jede Futterkomponente individuelle Nachhaltigkeitsdaten vorliegen“, erklärt von Fricken.
BASF hat das Rechentool Opteinics entwickelt. Damit können Umweltauswirkungen transparent gemacht und ein ökologischer Fußabdruck berechnet werden. Evonik setzt das von offizieller Stelle anerkannte Programm ein, stellt aber auch Futtermittelzusatzstoffe her, die neben Einsparpotenzialen beim Futter auch positiven Einfluss auf die Umweltbilanz der Tierproduktion haben sollen.
Automatische Datenerfassung
Wie funktioniert das Ganze nun in der Praxis? Christoph Holzenkamp liefert unter anderem folgende Daten:
- Die Zahl der geborenen Ferkel, die Einstalldaten mit Tierzahl und Gewicht,
- die biologischen Leistungen,
- Angaben zu den verschiedenen Fütterungsphasen, inklusive der eingesetzten Futter und der Futterverwertung,
- Verluste in der Aufzucht und Mast,
- Wasser- und Energieverbrauch im Stall sowie etwaiger Eigenenergieanteil und
- die Art der Güllelagerung sowie die Form der Gülleverwertung.
Das hört sich nach einer Menge Arbeit an. Christoph Holzenkamp aber gibt Entwarnung. „Ich nutze die Software ANW-Stallprofi als zentralen Datenpool. In die gleiche Datenbank speisen mein Futtermittellieferant, die Erzeugergemeinschaft, der Schlachthof usw. automatisch ihre Daten ein. Damit haben wir in einem Programm alle Daten parat, die Lina von Fricken für die Berechnung der Umweltbilanz braucht“, erklärt Holzenkamp das Prozedere.
Besser als der Durchschnitt
Das Ergebnis der betriebsindividuellen Umweltanalyse sieht wie folgt aus (siehe Übersicht 1): 25% der Umweltwirkungen des Betriebes Holzenkamp sind auf CO2-Emissionen zurückzuführen und rund 40% auf die Faktoren Versauerung, Stickstoff- und Phosphor-Emissionen. Der Anteil beim Feinstaub beträgt 18%, was unter anderem auf die Abluft aus den Schweineställen zurückzuführen ist.
Im Vergleich zu einem modellierten Standardbetrieb aus dem Oldenburger Münsterland liegt Christoph Holzenkamp in Bezug auf den Footprint besser als der Schnitt. Sein Betrieb stößt 9% weniger CO2-Emissionen aus als der Standardbetrieb. Im Hinblick auf die Versauerung sind es 25% weniger H+-Emissionen und bei der Betrachtung der Eutrophierung an Land liegen die N-Emissionen um 27% niedriger als in einem Standardbetrieb.
Klimaschweine im Stall
Vermarktungsexperten rechnen damit, dass der Lebensmitteleinzelhandel in Zukunft verstärkt auch die Umweltbilanz pro Kilogramm Schweinefleisch auf seinen Fleischverpackungen abdrucken möchte. Daher lässt Christoph Holzenkamp auch den einzeltierbezogenen Wert berechnen.
Wie in Übersicht 2 zu sehen, liegt der CO2-Fußabdruck für seinen Betrieb bei 3,5 kg CO2e pro kg Schlachtgewicht (SG). Berücksichtigt ist dabei die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohwarenanbau auf dem Acker bis hin zur Schlachtung. Damit liegt der Betrieb deutlich unter dem europäischen Durchschnittswert von ca. 5 kg CO2e je kg SG, der von der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen herausgegeben wird.
Holzenkamps Werte decken sich außerdem in etwa mit den Berechnungen aus dem „Treibhausgas-Emissions-Kalkulator-Landwirtschaft“ (TEKLa) der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Hier wird der niedersächsische Durchschnittswert mit ca. 3,6 kg CO2e pro kg SG angegeben. Allerdings ohne Berücksichtigung der Wertschöpfungsstufe Schlachthof.
Futter bietet Einsparpotenzial
Dass Veredler künftig mehr auf die Umweltauswirkungen ihrer Ferkelerzeugung oder Mast achten müssen, da sind sich Experten sicher. Aber wo genau steckt Einsparpotenzial?
Laut Aussage von Landwirt Holzenkamp ist das Futter der größte Hebel. „Weil wir in der Ferkelaufzucht vier und in der Mast sogar sechs Futterphasen nutzen, haben wir heute nur noch 4 statt 6 kg N in der Gülle“, erklärt der niedersächsische Unternehmer. Und durch die Umstellung auf Einzeltierfütterung bei den Sauen und die Verbesserung der Futterverwertung im Maststall konnte er weitere Einsparungen realisieren.
Viele Gedanken hat sich der Betriebsleiter auch beim Thema Energieverbrauch gemacht. Seit rund vier Jahren nutzt er das Energieoptimierungstool seines Energieversorgers, der „meistro-Energie GmbH“. „Die Auswertungssoftware ermöglicht es mir, meine Energieverbräuche über den Tag verteilt viel besser aufeinander abzustimmen und Spitzenlasten zu vermeiden“, erklärt Holzenkamp. Durch den Bau eigener PV-Anlagen wird die Umweltbilanz zusätzlich positiv unterstützt.
Auch bei der Gülle hat er Einsparpotenziale gehoben. Im Vergleich zu früher sind alle Behälter abgedeckt und ein Teil der Gülle wird in einer Biogasanlage vergoren.
Erst kostet es Nerven
Steigen die Ansprüche an die Produktion von Schweinefleisch, bedeutet das immer mehr Aufwand für den Landwirt. Das ist bei der Umwelt- bzw. Klimabilanzierung nicht anders. „Die Klimabilanz kostet erst mal Zeit und Nerven. Denn für uns Landwirte ist das Thema noch neu“, gibt Holzenkamp unumwunden zu.
Er sieht aber auch die Vorteile. „Wenn man seine Produktion dadurch nach vorne bringt, die Tiergesundheit verbessert und etwas fürs Klima tut, weil man weniger Nährstoffe produziert, die natürlichen Ressourcen schont und sein Image verbessert“, lohnt sich der Aufwand.
Für ihn steht fest: „Mit betriebsindividuellen Klimabilanzen zeigen wir der Gesellschaft, was wir Landwirte können und wo wir besser geworden sind. Das sollten wir proaktiv und selbstbewusst nach draußen tragen!“