Der Fleischkonzern schreibt mit seiner deutschen Schweinesparte rote Zahlen. Mit der Trennung von mehreren Schlacht- und Verarbeitungsbetrieben will man sich gesundschrumpfen.
Die Gerüchteküche brodelte schon seit Monaten. Dennoch sorgte das Fleischunternehmen Vion Mitte Januar für einen Paukenschlag in der Branche. In einer offiziellen Erklärung gab man bekannt, dass deutsche Geschäftsportfolio überarbeiten zu wollen und sich in diesem Zuge kurzfristig von mehreren Schlacht- und Verarbeitungsbetrieben in Nordwest-Deutschland zu trennen.
Einige Standorte werden von anderen Akteuren der Fleischbranche übernommen. Auf dem Schlachthof im niedersächsischen Emstek dürfte dagegen nie wieder ein Schwein an den Haken kommen. Für Vion steht am Ende, dass das ehemals bundesweite Netzwerk an Niederlassungen an Substanz verliert. Und dass man, zumindest bezogen auf die Schweinefleischsparte, in einem selbst erklärten Heimatmarkt nur noch eine Nebenrolle spielt.
Konkurrenz greift zu
Den Ton geben andere Unternehmen an und diese bedienen sich gerne am Tafelsilber des Marktbegleiters. Allen voran die Tönnies Unternehmensgruppe aus Ostwestfalen. Vorbehaltlich der kartellrechtlichen Zustimmung werden der Fleischverarbeitungsbetrieb bzw. Rinderschlachthof im thüringischen Altenburg sowie der Schinkenspezialist Ahlener Fleischhandel an den unangefochtenen Branchenprimus gehen. Der Schweineverarbeitungsbetrieb im brandenburgischen Perleberg, immerhin einer der größten Frischfleischvermarkter für Schweinefleisch in Brandenburg, wird von der mittelständischen Schlachterei Uhlen aus Niedersachsen übernommen.
Während diese Standorte von den neuen Eignern weiterbetrieben werden, ist im ehemals größten Schweineschlachthof des Konzerns in Emstek das Licht erstmal ausgegangen. Mitte Februar sind hier die letzten Schweine geschlachtet worden. Der neue Eigentümer, ein Speditionsunternehmer aus Cloppenburg, ließ schon verlauten, dass er den Schlachtbetrieb nicht wieder aufnehmen will.
Da der Standort über einige Kühlkapazitäten verfügt und logistisch günstig liegt, könnte hier ein reiner Umschlagplatz entstehen. In der Branche hört man, dass eine solche Nutzung auch im Sinne anderer Fleischverarbeiter wäre.
Klammert man das Rindfleischsegment aus, wo Vion immer noch stark aufgestellt ist, schlachtet das Unternehmen nur noch Schweine an den süddeutschen Niederlassungen in Vilshofen und Landshut, sowie im Mischbetrieb in Crailsheim. Die Kapazität soll nach Unternehmensangaben bei zusammengenommen 60.000 Schweinen die Woche liegen.
Zu viele Haken im Nordwesten
Der Konzern begründet den Einschnitt mit den massiven Umbrüchen im deutschen Schweinesektor. So hätte das spürbar gesunkene Lebendangebot speziell im Nordwesten zu Überkapazitäten in der Schlachtung geführt. Und die leeren Haken schmälern nicht nur die Produktionseffizienz. Der Kampf um den Rohstoff treibt auch die Einkaufspreise hoch.
Die wiederum lassen sich Vion zufolge auf den internationalen Fleischmärkten nur schwer wieder einspielen. Zumal deutsches Schweinefleisch aufgrund der teils immer noch geltenden ASP-Importbeschränkungen nicht in allen Exportmärkten platziert werden kann.
Die Auswirkungen des Strukturwandels, der harte Wettbewerb mit Niedrigpreisproduzenten aus Süd- und Nordamerika oder der sinkende Schweinefleischverzehr stellen die rote Seite ohne Frage vor große Herausforderungen. Blickt man auf die Historie von Vion, lässt sich aber festhalten, dass einige Probleme hausgemachter Natur sein dürften.
Wirtschaftliche Schräglage
Gegründet Anfang der 2000er-Jahre von der niederländischen Bauernvertretung ZLTO setzte der Konzern, damals noch unter dem Namen Best Meat Company, auf schnelles Wachstum. Innerhalb kurzer Zeit wurden niederländische, deutsche und britische Schlachter bzw. Fleischverarbeiter übernommen. Bereits im Jahr 2008 nahm man mit jährlich 20,5 Mio. Schlachtungen den Spitzenplatz als Europas größter Schweineschlachter ein.
Doch dieser Titel hatte seinen Preis. Das Unternehmen übernahm seinerzeit viele kleinstrukturierte, teils kaum entwicklungsfähige Standorte. Die Produktionsstrukturen ließen sich nicht wie erhofft effizienter und kostengünstiger gestalten. In der Folge tat man sich trotz der eigenen Größe schwer, in den Preisverhandlungen mit dem hoch konzentrierten deutschen LEH. So schnell wie man einst Standorte übernahm, trennte man sich nicht nur von kleinen, sondern auch größeren Schlacht- und Verarbeitungsbetrieben wie in Lingen und Zeven.
Beschleunigt durch den schwierigen Markt mit Pandemie und schwacher Fleischnachfrage schlachtete Vion im Jahr 2022 insgesamt 13,1 Mio. Schweine, davon 5,8 Mio. Stück in Deutschland. Dabei blieb das hiesige Pork- und Retail-Geschäft das Sorgenkind. Der defizitäre Betriebszweig soll nach Unternehmensangaben maßgeblich dazu beigetragen haben, dass man im Jahr 2022 vor Steuern und Zinsen (EBIT) einen Verlust von 23,5 Mio. € bilanzieren musste.
Erfolglose Sanierung
Als Reaktion auf die wirtschaftliche Schräglage wurde damals das Transformationsprogramm „Change that Matters“ ins Leben gerufen. Die neue Strategie sah vor, dass man die Produktionskapazitäten an den beiden Schlachthöfen Emstek und Landshut sowie am Standort Holdorf, wo u.a. Teilstücke und Nebenprodukte vom Schwein für den Export gelagert werden, dem Marktumfeld anpasst. Und anpassen bedeutete in diesem Fall reduzieren. Besonders in Emstek, wo bereits seit Mitte letzten Jahres nur im Einschichtbetrieb geschlachtet wurde. Von ehemals 70.000 Schweinen in der Woche sollen es zuletzt noch 25.000 Tiere gewesen sein.
Die Transformation sah auch eine Aufspaltung des Konzerns in zwei Länderorganisationen für Deutschland und die Beneluxländer vor. Fortan steuerte jede Organisation den Vieheinkauf, die Standorte (Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung, Verpackung) und den Vertrieb auf Länderebene. Ziel war es, die Effizienz zu steigern und eine engere Verbindung zwischen Landwirten und Kunden auf den Heimatmärkten zu schaffen.
Dieser Schuss ging nach hinten los. Mutmaßlich auch aufgrund unterschiedlicher Auffassungen zwischen dem niederländischen Mutterkonzern und Vion Deutschland wurden die Führungsposten zu Schleudersitzen mit wechselnden Personal- und Aufgabengebieten. Wichtige Themen, wie z.B. der Umgang mit der staatlichen Haltungskennzeichnung, wurden so nicht konstruktiv angepackt.
Großkonzerne dominieren
Da in Emstek zum Schluss bedeutend weniger Tiere geschlachtet wurden als noch zu Höchstzeiten und die Schließung nicht völlig überraschend kam, fielen die direkten Konsequenzen für die Lieferanten überschaubar aus. Viele von ihnen hatten sich bereits andere Abnehmer für ihre Schweine gesucht (siehe Interview).
Was bleibt, ist die Frage, wie sich der Fast-Ausstieg eines ehemaligen Schwergewichtes der Branche auf den deutschen Schweinemarkt auswirkt. Nach Aussagen von Marktexperte Dr. Albert Hortmann-Scholten wird das Preismeldesystem der VEZG vom Vion-Aus im Nordwesten kaum berührt. „Die Vion Nord hat sich in den letzten Jahren so gut wie gar nicht an der Preismeldung beteiligt. Wenn überhaupt, fiel man mit Hauspreisen oder eingekürzten Abnahmemengen bei ITW-Schweinen auf“, so Hortmann-Scholten.
Sorgen bereitet dem Branchenkenner allerdings, dass der Einfluss der Marktführer immer größer wird. Er schätzt, dass die zehn größten Schlachthöfe im laufenden Jahr rund 80% der Schweineschlachtungen auf sich vereinen dürften.
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