Familie Specht hält Ammerländer Edelschweine und setzt auf eine tiergerechte Haltung. Alle Mastschweine werden über Metzger oder regionale Supermärkte vermarktet.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Einmal Züchter, immer Züchter. Dies trifft voll und ganz auf Renke Specht aus Hollwege bei Westerstede zu. Der Schweinehalter hält 200 Edelschweinsauen im geschlossenen System und ist mittlerweile der einzige Zuchtbetrieb, der sich im Ammerland um diese Mutterrasse kümmert. Als sich sein Zuchtverband auflöste, schloss er sich dem Schweinezuchtverband Baden-Württemberg an.
Die Zucht spielt für den Landwirt immer noch eine große Rolle. Doch sein Hauptaugenmerk liegt mittlerweile auf der Erzeugung hochwertiger Metzgerschweine mit bester Fleischqualität. Das zweite Standbein des vielseitig aufgestellten Betriebes mit rund 300 ha LN ist die Limousinzucht mit 200 Mutterkühen.
Bei der Arbeit wird Renke Specht von seiner Frau Sonja unterstützt. Von den fünf Kindern sind die zwei ältesten Söhne bereits in den Betrieb eingestiegen. Dies ist die fünfte Generation des Hofes, der seit 1894 existiert und Gründungsmitglied der Ammerländer Edelschweinzucht war.
Vorreiter beim Tierwohl
„Wir haben unsere Schweinehaltung stets weiterentwickelt und wollen Vorreiter in Sachen Tierwohl sein“, erzählt Renke Specht. „Bei uns zählt jedes Einzeltier, im Stall schauen wir nicht auf die Uhr“, ergänzt Sonja Specht, die sich insbesondere im Abferkelstall einbringt. Auch die Kinder helfen, wo sie können.
Ein Beispiel ist der Kastenstand, von dem sich der Betrieb schon vor Jahren freiwillig verabschiedet hat. Die güsten und tragenden Sauen werden in Kleingruppen gehalten. Auch im Deckzentrum sind jeweils drei oder vier Sauen lose in 11 m² großen Buchten untergebracht. Dort erfolgt die Besamung.
„Als Züchter haben wir schon immer viel mit dem Natursprung gearbeitet. Dies ist bei der Gruppenhaltung von Vorteil, insbesondere wenn die brünstigen Sauen aufspringen. Nach dem Deckakt fährt der Hormonspiegel wieder runter und die Tiere werden ruhiger“, hat Renke Specht beobachtet.
Auch im Abferkelbereich laufen die Sauen frei. „Wir haben Bewegungsbuchten getestet. Doch wir wollten eine Haltung mit noch weniger Eisen“, so der Schweineprofi. Deshalb tüftelte die Familie vier Jahre lang an einer Großbucht für das Gruppensäugen und realisierte diese zusammen mit der Firma Big Dutchman. Dafür wurde eine Maschinenhalle umgenutzt. Der neue Stall ist nun seit knapp einem Jahr in Betrieb.
Erfolgreiches Gruppensäugen
Die Sauenherde wird im Zweiwochenrhythmus geführt. Etwa 20 Sauen ferkeln zunächst in Buchten mit herkömmlichen Ferkelschutzkorb ab. Sobald die Ferkel drei Tage alt sind, werden die Sauen in den neuen Stall fürs Gruppensäugen umgesetzt. „Bei der Gruppenbildung ist für mich die Kondition und das Alter der Sauen entscheidend“, so der Sauenexperte. Jeweils drei Sauen teilen sich 16,5 m². Hinzu kommen 4,5 m² für die Ferkel. Heizplatten und -lampen sowie eine Abdeckung über den Ferkelnestern sorgen für echtes Wohlfühlklima. Großzügige Durchgänge ermöglichen den Ferkeln einen einfachen Zugang zu den Sauen.
Durch niedrig angeordnete Futtertröge haben alle Ferkel frühzeitig Zugang zum Futter der Sau, was dem natürlichen Verhalten der Tiere entspricht. „Wir füttern keinen Prestarter. Dennoch haben die Ferkel vor dem Absetzen wesentlich mehr feste Nahrung zu sich genommen“, schwärmt Renke Specht. Die Sauenfütterung erfolgt dreimal täglich nach Kurve.
Eine Besonderheit sind in Hülsen gesteckte Eichen- und Birkenbaumstämme mitten in der Bucht. Diese dienen Sau und Ferkel als Scheuerbalken und Beschäftigungsmaterial. „Vor allem die Ferkel nutzen das Angebot“, weiß Sonja Specht zu berichten. Seitlich sind Erdrückungsbügel angebracht, sodass Ferkel nur ganz selten totgelegen werden. Die Saugferkelverluste liegen bei 6,4% und ab dem dritten Lebenstag unter 1%.
In dem „Familienstall“ bleiben die ferkelführenden Sauen vier Wochen. Trotz der etwas längeren Säugezeit sind die Sauen keineswegs abgesäugt. „Einige legen sogar an Gewicht zu“, hat Specht beobachtet. „Es sind die entspannte Atmosphäre, das großzügige Platzangebot und die Bewegung, warum unsere Sauen so gut fressen.“
Den Betreuungsaufwand schätzen Renke und Sonja Specht nicht viel höher ein als in konventionellen Ställen. Bedingt durch die zweigeteilte Säugeperiode fallen mehr Umstall- und Reinigungsarbeiten an. Die Ferkelbehandlungen wie Kastration etc. werden mit dem Umstallen erledigt.
Frühe Sozialisation
Die Ferkel sozialisieren sich frühzeitiger, lernen das Fressen von ihren Müttern und toben um die Wette. Nachteile wie schlechtere Zunahmen während der Säugephase sieht Specht nicht. „Mag sein, dass die Ferkel in der ersten Phase im Familienstall etwas weniger an Gewicht zulegen. Sie holen aber spätestens nach dem Absetzen schnell wieder auf.
Die Ferkelaufzucht ist sogar ringelschwanztauglich, wie die Erfahrungen zeigen. „Früher haben wir die Schwänze bei den weiblichen Zuchtferkeln lang gelassen und die der Kastraten gekürzt. Doch zwischen beiden Gruppen gab es keine Unterschiede“, betont Specht.
Ein Patentrezept sieht Specht nicht. Die frühe Sozialisierung sowie das Zusammenbleiben der Tiere, die sich kennen, ist ein Aspekt, aber auch das Zufüttern von Heu. „Dies ist das Stück Schokolade, auf das alle Tiere schon den ganzen Tag warten“, schwärmt Ehefrau Sonja.
Es handelt sich um getrocknetes Häckselheu aus dem zweiten Schnitt, das in Säcken gefüllt mit dem Futter vorgelegt wird. „Den Ferkeln tut dieses leckere Raufutter gut“, meint Renke Specht. „Mit der Rohfaser im Bauch fühlen sich die Tiere wohler.“
Wintergarten in Planung
Die Masttiere sind in vollperforierten 12er-Buchten untergebracht und haben jeweils 1 m² Platz. Der Betrieb setzt zwar qualitativ hochwertiges Zukauffutter ein, aber auch nichts Besonderes. „Für eine problemlose Mast müssen die Weichen in der Ferkelaufzucht gestellt werden“, so Specht. Die Tageszunahmen liegen bei knapp 1000 g und die Verluste in der Mast bei 1%.
Der Praktiker weiß, wie sensibel Verbraucher auf das Thema Antibiotika reagieren, weshalb in der Mast komplett darauf verzichtet wird. Die PRRS-negative Sauenherde wird vorsichtshalber geimpft. Wenn beispielsweise eine Influenza auftritt, setzt der Betrieb eine Kräutermixtur über die Futtermischungen ein.
Um den älteren Masttieren noch mehr Komfort zu bieten, ist das nächste Projekt bereits in Planung. „Mit einem Wintergarten wollen wir den Schweinen Außenklimareize und zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten. Der Auslauf mit einem Lauf- und separaten Wühlbereich soll über selbstschließende Durchgangstüren betreten werden können“, erklärt der Tierwohlprofi.
Schonender Transport
Renke Specht hat schon immer seine Tiere aktiv vermarktet, sowohl bei den Schweinen als auch bei den Rindern. Schlachttiere sollten in der Region bleiben. Doch als er vor 25 Jahren die Metzgerschweinevermarktung aufbaute, rümpften viele Kollegen die Nase. „Das war nicht der Zeitgeist“, erinnert sich Renke Specht noch genau.
Mit der 3 km entfernt gelegenen Fleischerei Luers aus Westerstede kam Specht schnell ins Geschäft. Auch Inhaber Malte Luers wurde von Metzgerkollegen gefragt, warum er weiter Schweine schlachten und zerlegen wolle. „Mir ist eine gleichbleibende, hohe Qualität, die schonende Schlachtung sowie der direkte Kontakt mit dem Schweinehalter sehr wichtig“, erklärt der Fachmann.
Schnell kam die Fleischerei Eckhoff aus dem 35 km entfernten Moormerland hinzu. Diese schlachtet und zerlegt für sich und für das Familienunternehmen Multi mit drei großen SB-Warenhäusern in Ostfriesland. Das Fleisch wird unter der Marke Ammerländer Edelschwein angeboten.
Mit dem Einstieg der Multi-Märkte kann Specht nun seine komplette Mast in der Region absetzen. Abgerechnet wird jeweils nach Lebendgewicht und festen Kilopreisen. Den Transport übernimmt der Betrieb selbst.
Sonntagsabends fährt Renke Specht mit 25 Schweinen zu Malte Luers und stallt die Tiere in die vorbereiteten Wartebuchten. Diese werden dann montagmorgens in aller Ruhe einzeln aus der Bucht genommen und geschlachtet. Der Betrieb Eckhoff wird in der Regel montags und donnerstags mit Schweinen beliefert.
Vertrauen und Transparenz
Bei den Kunden kommt das Konzept mit den Ammerländer Edelschweinen an. Auch die Kombination mit Limousins bietet Vorteile. „Wir könnten mehr Rinder und Schweine vermarkten“, so Specht. Schließlich will der Limousinzüchter vor allem Zuchtbullen verkaufen.
Der Bekanntheitsgrad des Betriebes hat zuletzt enorm zugenommen. Dazu beigetragen haben Reportagen im Kundenmagazin von Multi. Auch das Fachpersonal wurde vor Ort geschult, um die Kunden besser beraten zu können.
Im Laden von Luers ist ein Monitor mit Bildern vom Hof Specht und der Zerlegung installiert. Das kommt gerade bei den jungen Familien gut an, die wissen wollen, woher das Fleisch kommt.
Das merkt auch die Familie Specht. „An einigen Sonntagen ist bei uns Völkerwanderung“, meint Sonja Specht. Und auch das letzte Hoffest war ein Riesenerfolg. Liefe die Vermarktung nicht so gut über die Metzgerschiene, hätte Familie Specht bestimmt einen Hofladen aufgebaut.