Durch ein striktes Hygieneprogramm hält Mäster André Borkus seinen Bestand hochgesund und erzielt Topleistungen. Die Vermarktung sichert er durch eine Kettenpartnerschaft ab.
Michael Werning, SUS
Die Arbeit macht nur richtig Spaß, wenn es im Stall sauber ist und die Tiere gesund sind! Das hinter diesem Ausspruch von André Borkus auch volle Überzeugung steckt, wird einem beim Betriebsbesuch schnell deutlich. Obwohl der Schweinemäster aus dem niederländischen Wehl in kleinen Schritten gewachsen ist und die ersten Stallgebäude fast 40 Jahre alt sind, herrscht auf dem Hof penible Ordnung und Sauberkeit.
Und das setzt sich im Stall fort, den man nur mit 48-stündiger Schweinefreiheit und nach dem Einduschen in der modernen Hygieneschleuse betreten darf. „Wir liegen in einer schweinedichten Region. Wer hier nahezu antibiotikafrei Schweine halten will, darf im eigenen Gesundheitsmanagement keine Fehler machen“, so der Mäster.
Porenfreie Oberflächen
Obwohl er mit dieser Einstellung schon seit Jahren in seinem Bestand mit rund 3200 Mastschweinen nur im Notfall Antibiotika einsetzte und die Verlustrate sehr niedrig war, entschied er sich vor zwei Jahren für die Teilnahme am Hygieneprogramm HyCare des Unternehmensverbundes Schippers Group.
Dieses ganzheitliche Konzept fußt auf verschiedenen Säulen und wird individuell auf den Betrieb angepasst. Ein zentraler Baustein ist das Beschichten der Böden und Wände im Stallgebäude. „Ziel ist eine porenfreie Oberfläche zu schaffen, auf der sich keine Keime ansiedeln können und die leicht zu reinigen bzw. zu desinfizieren ist“, erklärt Borkus.
Um keinen Erlösausfall zu haben, hat der Landwirt im laufenden Betrieb saniert. Sobald ein Abteil geräumt war, wurden die Flächen gründlich gereinigt und mit einer speziellen Säure behandelt. „Wichtig ist, dass die Oberflächen absolut trocken sind und das Coating aufnehmen können“, so Borkus. Bei der Trocknung der Ställe wollte er die höheren Außentemperaturen nutzen, weshalb er die Ställe zwischen Mai und September 2019 in Eigenregie versiegelt hat.
Da Borkus in den meisten Abteilen Abtrennungen aus Beton hat und diese auch versiegelt werden mussten, war der Aufwand etwas höher als bei PVC-Wänden. „Unterm Strich haben wir rund 100000 € in das Coating investiert“, berichtet der Niederländer.
Stiefel ohne Profil
Die Versiegelung der Stalloberflächen ist nur die offensichtlichste Hygienemaßnahme, die der Betriebsleiter ergriff. Denn sich bei den täglichen Routinearbeiten und den Tierkontrollen an die verschiedenen Hygieneregeln zu halten, ist die eigentliche Herausforderung.
Angefangen beim Eintritt in den Stallbereich. Nachdem sich Borkus eingeduscht sowie Stallkleidung und Handschuhe übergestreift hat, geht es über das Hofgelände zur Stiefelstation vor dem zentralen Stalleingang. Hier tauscht er seine Galoschen gegen Stiefel. „Ganz wichtig ist, dass diese ohne Profil sind. So kann sich dort kein Schmutz festsetzen“, macht Borkus auf ein wichtiges Detail aufmerksam.
Da der Niederländer das Marktrisiko streuen möchte, bekommt er in kurzen Abständen Ferkel geliefert. Das hat zur Folge, dass in seinen drei zusammenhängenden Ställen 15 Altersgruppen aufgestallt sind. „Ich starte meine Kontrollgänge morgens und abends immer bei den jüngsten Tieren“, so der Landwirt. Die Buchten mit zwölf Tieren sind nicht tief, sodass er für eine sorgfältige Tierkontrolle die Bucht nicht betreten muss. Sollte das doch mal nötig sein, zieht er Einwegüberzieher über seine Stiefel.
Vorsicht bei toten Tieren
Besonders vorsichtig verfährt er bei toten Tieren. Diese werden erst am Ende des Kontrollganges geborgen und mit einem Kadaverwagen in einen speziellen Bereich des Stallkomplexes gefahren.
„Während des Transportes durch den Stall ziehe ich dem toten Tier einen Stiefelüberzieher auf die Schnauze. So werden keine hochinfektiösen Flüssigkeiten im Stall verteilt“, erklärt der Schweinemäster. Nach dem letzten Stallrundgang am Abend zieht er den Wagen durch eine separate Tür aus dem Stall und verfrachtet das Tier in die gekühlte Kadaverlagerung außerhalb des Stallgeländes. Anschließend wird der Kadaverwagen desinfiziert und sämtliche Kleidungsstücke in die Wäsche gegeben.
Diesen Aufwand muss er nicht oft betreiben. Denn seine Verlustrate liegt im Schnitt bei 0,8%. „Von diesen Tieren haben wir rund die Hälfte vom Tierarzt euthanasieren lassen, um dem Tier unnötiges Leid zu ersparen und die anderen Schweine zu schützen“, erklärt Borkus.
Futter- und Wasserchecks
Neben vielen Hygieneregeln beim direkten Umgang mit den Tieren setzt der niederländische Betriebsleiter auch auf eine umfassende Gesundheitsprophylaxe. So nimmt er mindestens alle fünf Wochen Futter- und Wasserproben. Der Landwirt will sichergehen, dass die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe passt und die chlordioxidbasierte Desinfektion funktioniert. „Wir desinfizieren nicht nur kontinuierlich das Tränkwasser, sondern auch das Brauchwasser in unserer Flüssigfütterung“, erklärt der Schweineprofi.
Die Hygieneprodukte, die entsprechende Ausrüstung, die Futter- und Wasseruntersuchungen und die Schadnagerprävention erhält Borkus im Zuge des HyCare-Konzeptes. Dafür zahlt er monatlich einen Festbetrag von 83 Cent je Mastplatz. Dieser betriebsindivduell ermittelte Betrag verringert sich nach drei Jahren, wenn die Investitionskosten für die Einrichtung der Hygieneschleuse oder die Durchgangswaage für die Leistungskontrolle abgeschrieben sind.
Aufschlag für Gesunde Tiere
„Zudem erhält er monatlich eine betriebsindividuelle Hygieneschulung“, ergänzt HyCare-Berater Jan Plascher. Er ist regelmäßig in den Niederlanden unterwegs, um die Erfahrungen der dortigen Schweinehalter für die Betreuung der deutschen Betriebe im Hygieneprogramm zu nutzen.
Gesunde Tiere sind für Borkus auch ein wichtiger Hebel für die Wirtschaftlichkeit. Bereits seit acht Jahren erzeugt er unter dem Label Beter Leven. Zu den Haltungsauflagen in der 1-Sterne-Stufe zählen ein Platzangebot von 1 m² pro Tier, die Vorlage von Raufutter, Futter- und Wasserchecks und die Einhaltung gewisser Grenzwerte beim Antibiotikaeinsatz. „Wer hier trotz Verwarnung dauerhaft die Vorgaben des niederländischen Tiergesundheitsdienstes überschreitet, erhält den Bonus nicht bzw. fliegt aus dem Labelprogramm raus“, erklärt Borkus.
Er setzt nur im absoluten Notfall und extrem selten Antibiotika ein, weshalb ihm der Zuschlag von 10 € je Schlachtschwein sicher ist. „Dies reicht, um den Mehraufwand und das hohe Platzangebot auszugleichen“, so der Landwirt. Unter dem gesetzlichen Standard von 0,8 m² könnte er nämlich rund 500 Schweine mehr in seinen Ställen halten.
Auf diese Bestandsgröße möchte er aber nicht mehr zurück. Denn einerseits muss er einen Großteil der Gülle überbetrieblich verwerten. Und angesichts der strengen Auflagen zur Gülleseparation und Düngung fallen hier schnell Kosten von 22 € pro m³ an. Andererseits spielt ihm das große Platzangebot nicht nur bei der Tiergesundheit, sondern auch bei der Leistung der Tiere in die Karten.
3,1 Umtriebe pro Jahr
Der Niederländer bekommt seine Ferkel schon seit zehn Jahren von einem nur 15 km entfernt gelegenen Sauenbetrieb mit Topigs-Genetik. Die Tiere sind gegen PIA, M.hyo sowie PCV2 geimpft und kommen auf Wunsch von Borkus mit 23 kg Lebendgewicht verhältnismäßig leicht auf den Betrieb.
„Ich meine, dass sich etwas jüngere Ferkel besser von Trocken- auf Flüssigfütterung umstellen lassen“, erläutert der Unternehmer. Das Futter mischt er aus verschiedenen Rohstoffen, wie Kartoffeldampfschalen, Weizenstärke und eigenem CCM selbst an. Den Ergänzer kauft er über den Futterhandel Coops zu.
Dass sein durchdachtes Management Früchte trägt, zeigen die durchschnittlichen Tageszunahmen von gut 930 g und die Mastdauer von 106 Tagen. Der Niederländer verkauft in der Regel Freitagsmorgens die letzten Tiere eines Durchganges, reinigt und desinfiziert den Stall noch am selben Tag. Am folgenden Montag werden wieder Ferkel aufgestallt. Auch durch diese kurze Servicezeit kommt er auf 3,1 Umtriebe pro Jahr.
Kettenpartnerschaft
Obwohl er immer die Auslastung seiner Mastplätze vor Augen hat, darf er sich bei der Vermarktung der Tiere nicht aus der Ruhe bringen lassen. „Die Tiere sollen mit einem Schlachtgewicht von 97 kg an den Haken. Unsere Maske ist eng gesetzt und man erhält für zu leichte bzw. zu schwere Tiere schnell Abzüge“, schildert Borkus. Das hängt damit zusammen, dass ein Großteil der Labelproduktion in das Frischfleischsegment geht und der Handel gleichmäßige Teilstückgrößen fordert.
Den Einstieg in die vertragliche Labelproduktion hat der Mäster nie bereut. „Meine Schweine werden pünktlich abgeholt und bezahlt, was nicht mehr selbstverständlich ist“, erklärt er. Viele seiner Berufskollegen würden deswegen auch gerne für Beter Leven produzieren. Doch das Label hat vor längerer Zeit einen Aufnahmestopp verhängt.
„Anfangs haben wir versucht, das Labelfleisch zu exportieren. Schnell war aber klar, dass die Ware zu teuer für das Auslandsgeschäft ist“, blickt Borkus zurück. In der Folge konzentrierte man sich auf den heimischen Markt, und der ist aktuell mit Tierwohlfleisch gesättigt.
Neben Beter Leven gewinnen zunehmend privatwirtschaftliche Kettenpartnerschaften zwischen Erzeugern und dem vor- und nachgelagerten Bereich an Bedeutung. Auch Borkus hat Anfang des Jahres diesen Schritt gemacht und ist der Kettenkooperation seines Schlachthofes Van Loon in Son beigetreten. Neben Schweinehaltern nehmen mehrere Unternehmen aus dem Futter- und Genetikbereich, der Produktionsberatung sowie Tierarztpraxen teil. Auch das Hygieneprogramm ist dort eingebettet.
Mit dem Ziel, durch die enge Verzahnung der verschiedenen Produktionsstufen hohe Standards und Qualitäten umzusetzen, muss André Borkus aus den verschiedenen Pools seine Partner auswählen. „Sicher grenzt das die unternehmerische Freiheit ein, wenn man nur zwischen drei Futterherstellern wählen kann. Ich bin mir aber sicher, dass wir durch die Synergieeffekte in der Kette und die gezahlten Aufschläge am Schwein mehr verdienen als im freien Markt“, steht der Landwirt hinter seiner Entscheidung.