Jörg Struve baute über Jahre einen konventionellen Betrieb mit mehreren Tausend Mastplätzen auf. Nun hat er mit einem neuen Stall seine Tierwohl-Offensive gestartet.
Michael Werning, SUS
Der Wendepunkt für Schweinehalter Jörg Struve aus Nübel in Schleswig-Holstein liegt rund fünf Jahre zurück. Damals war der heute 42-Jährige mit seiner Frau auf einer Exkursionsfahrt in Baden-Württemberg. Zusammen mit anderen Landwirten schaute sich das Betriebsleiterpaar Schweineställe an, die unter besonderen Tierwohlkriterien gebaut worden waren.
Darunter ein Maststall mit einem Besucherraum im Dachraum. „Von dort überblickte man den gesamten Stall mit den eingestreuten Liegekesseln, Auslauf und vieles mehr. Ein tolles Bild. Noch auf dem Heimweg habe ich zu meiner Frau gesagt, dass ich unsere Schweine zukünftig auch so halten und vermarkten möchte“, blickt Struve zurück.
Konventioneller Großbetrieb
Zu diesem Zeitpunkt lag die Übernahme des elterlichen Betriebs bereits einige Jahre zurück und der junge Landwirt hatte kräftig investiert. Neben dem Ackerbau auf mehreren Hundert Hektar und dem Einstieg in die Biogaserzeugung setzte der Norddeutsche auf die Schweinehaltung. So wuchs der Bestand verteilt auf acht Standorte auf rund 6000 Ferkel und genauso viele Mastschweine.
Früh erkannte Struve dabei die Stärken von Betriebskooperationen. So tat er sich mit seinem Großcousin und dessen Onkel zusammen, um direkt nach dem Agrarstudium im Jahr 2006 eine Stallanlage für 750 Sauen zu bauen. Vor drei Jahren folgte der Wachstumsschritt auf 1350 Sauen. Der Stall steht in der Nähe des Hofes seiner Verwandten und diese kümmern sich um das Management.
„So eine Investition setzt viel Vertrauen voraus. Bei uns funktioniert das gut und jeder kann seine Stärken einbringen“, so Struve. Unterstrichen wird diese Aussage von dem Umstand, dass er seit dem Bau erst zwei- oder dreimal im Sauenstall war. „Wir arbeiten in einem geschlossenen System und tauschen uns regelmäßig aus. Ansonsten haben wir mit der Aufzucht und Mast auf unseren Betriebsstandorten einen eigenen Verantwortungsbereich“, schildert der Agraringenieur.
Die Philosophie, Arbeit und Verantwortung klar zu verteilen, lebt der Unternehmer auch betriebsintern. Obwohl er auf einen Mitarbeiterstamm von zehn Leuten blicken kann, ist Jörg Struve täglich selbst im Stall. „Ich habe sehr fähige Mitarbeiter, die unsere Ackerbau- und Biogassparte verwalten. Ich mag das Schwein als Tier einfach sehr gerne und mir macht die Veredlung viel Spaß. Deswegen ist sie mein Part“, erzählt er.
Fokus auf Tierwohl
Angetrieben von den Eindrücken aus Süddeutschland war für den Landwirt klar, dass er diesen Betriebszweig umbauen und stärker auf Tierwohl ausrichten möchte. Einen ersten Schritt in diese Richtung ging Struve 2017 bzw. 2018, als er den Großteil der Ferkel- und Mastställe für die Teilnahme an der Initiative Tierwohl (ITW) ausrichtete.
Neben dem Umbau der Altgebäude wollte er seine Ideen einer tierwohlorientierten Haltung in einem Neubau verwirklichen. Gelegenheit dafür bot sich auf einem Hof, den er erst pachten und schließlich vor einigen Jahren kaufen konnte. Der Standort in der Nähe des Stammbetriebes verfügte über 500 Mastplätze. „Um uns eine Wachstumsperspektive zu sichern, habe ich nach dem Kauf eine Baugenehmigung für einen Stall mit 900 Plätzen eingeholt“, so Struve.
Die Genehmigung für einen konventionellen Maststall mit Kleingruppen lag anschließend mehrere Jahre in der Schublade. „In mir arbeitete es lange, wie ich den Stall möglichst tierwohlorientiert, aber eben auch wirtschaftlich bauen kann“, blickt der Betriebsleiter zurück.
Abkehr vom alten Baukonzept
Anfang 2020 starteten die Bauarbeiten. Struve wollte allerdings von der ursprünglich geplanten Bauweise abrücken, weshalb einige Fragen u.a. zum Anbau von Ausläufen an den Längsseiten des Stalles, geklärt werden mussten.
„Für mich und viele Verbraucher gehört ein Auslauf zum Tierwohlstall dazu. Menschen, die in der Nähe des Stalles wohnen, können dies aber als Geruchsbelästigung empfinden“, schildert Struve. Letztlich hat der Landwirt dieses Problem gelöst, indem er einen Biofilter installierte. Dieser filtert die Abluft aus dem Stall und die Gesamtemissionen werden deutlich gesenkt.
Ein anderer Punkt war das Aufstallungssystem, wo erst Kleingruppen mit 25 Tieren vorgesehen waren. Je intensiver sich der Mäster mit dem Stallkonzept beschäftigte, desto klarer wurde ihm, dass dieses System nicht passen würde. „Bei gleichem Platzangebot pro Tier lassen sich in einer großen Bucht die verschiedenen Funktionsbereiche wie Liege- und Aktivitätsbereich besser abgrenzen“, ist er überzeugt.
Kurzerhand schwenkte Struve um auf die Großgruppe und die Aufteilung des Stalles auf zwei Abteile. Außerdem wurde der Kontrollgang auf wenige Meter eingekürzt, um das Platzangebot zu erhöhen. In jedem Abteil ist eine Sortierschleuse installiert, die die leicht schlauchförmige Großbucht in zwei getrennte Fressbereiche mit Breiautomaten, eine Separationsbucht sowie einen großen Liege- und Aktivitätsbereich aufteilt. „Die Großgruppe bietet mehr Möglichkeiten zur Strukturierung. Sie ist aber auch unübersichtlicher und erfordert eine intensivere Tierkontrolle“, gibt Struve zu Bedenken.
Vorsortierung bei 45 kg
Damit leichtere, rangniedrigere Tiere nicht „untergehen“, nutzt der Betriebsleiter die Sortierschleusen zur Separation dieser Schweine. Das sieht so aus, dass die frisch eingestallten Ferkel zunächst über direkte Zugänge aus dem Liege- und Aktivitätsbereich und die offen gestellte Schleuse in die Fressbereiche gehen können. Nach drei Wochen liegt das durchschnittliche Tiergewicht bei circa 45 kg und Struve bereitet die Selektion vor.
Dafür sperrt er die direkten Zugänge zu den Fressplätzen und die Schweine gelangen nur noch über die offene Sortierschleuse dorthin. In dieser gut einwöchigen Phase ist er als Betreuer besonders gefordert. Bei 410 Tieren in einer Gruppe wollen eine Handvoll Schweine die Schleuse nicht passieren. „Die erkennt man am Folgetag am unruhigen Verhalten und den leeren Bäuchen. Einmal mit etwas Nachdruck durch die Schleuse geschoben, sitzt der neue Weg“, schmunzelt der Schweinehalter.
Dann beginnen die Wiegungen und die Sortierschleuse wird scharfgestellt. Aus der Großgruppe wird in der separaten Bucht eine Kleingruppe mit den 44 leichtesten Tieren gebildet. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass leichtere Tiere so an Gewicht aufholen können. Wenn wir diese Trennung wenige Tage vor dem Absortieren der ersten Schlachttiere auflösen, sind diese Tiere in der Großgruppe nicht wiederzufinden“, so bislang Struves Erfahrung.
Spalten mit 4% Perforation
Neben den Schleusen stechen die Liegekessel an den Außenseiten und der Tiefstreubereich im hinteren Teil der Buchten heraus. Beide Bereiche werden vollautomatisch über eine Kettenfütterungsanlage mit kurz gehäckseltem Stroh eingestreut. Durch die pneumatisch gesteuerten Ventile lässt sich für jede Dosierstelle eine individuelle Einstreumenge einstellen.
Der Vorratsbehälter für die Einstreu steht vor dem Stall und wird einmal täglich per Teleskoplader befüllt. „Bei der Häcksellänge muss man aufpassen. Alles über 80 mm fällt nicht sauber durch die Auslässe. Im schlimmsten Fall schiebt sich die Anlage dann mit Material voll“, so die Erfahrung von Jörg Struve.
Ergänzend zur Einstreu werden morgens vollautomatisch Luzernepellets zudosiert. Damit das Raufutter nicht direkt in die Gülle fällt, ist hier genau wie im Liege- und Fressbereich, ein Boden mit einem Perforationsgrad von 4% verbaut. Da sich so nicht komplett verhindern lässt, dass Einstreu in den Güllekeller fällt, laufen in den Kanälen Schieber. Diese befördern Gülle und Stroh in eine Vorgrube mit Spüleinrichtung.
Bei einer Aufstallung mit hohem Anteil geschlossener Fläche und Einstreu ist auch immer die Verschmutzung der Buchten ein Thema. Nachdem der Stall im letzten Jahr in Betrieb ging, hat Struve unterschiedliche Erfahrungen gemacht. „Jeder Durchgang ist anders. Grundsätzlich halten die Tiere die Liegekessel und die Tiefstreu relativ sauber“, berichtet der Mäster. Nur selten muss er eine Schmutzecke händisch säubern.
Brause bringt Abkühlung
Das führt der Schweinehalter u.a. auf die Buchtenstrukturierung und die Positionierung der Tränken in die Buchtenmitte zurück. Hier hat er auf normal perforierten Spaltenboden eine lange Tränkerinne installiert. Außerdem können die Schweine mit einem Drucktaster für fünf Sekunden eine Duschbrause auslösen. „Dieser Bereich ist feuchter und durch geschützte Ecken werden die Tiere hier zum Koten animiert“, so Struve.
In diesem Winter hat der Norddeutsche allerdings festgestellt, dass die an der Außenwand gelegenen Liegekessel stärker verschmutzt sind. „Die Tiere rücken von der kalten Wand ins Stallinnere und dadurch entstehen zwangsläufig Kotecken in den Liegekesseln“, so seine Beobachtung. Aus diesem Grund wurden in einem Abteil bereits Abdeckungen über den Liegekesseln nachgerüstet.
Eintritt ins Edeka-Programm
Ohne Güllebehälter hat der Stall für 820 Tiere rund 765000 € Netto gekostet. Dass sich diese Investition zusammen mit dem höheren Arbeitsbedarf und Haltungsstandard kaum über den ITW-Bonus refinanzieren lässt, war dem Landwirt direkt klar. Daher machte er sich früh daran, einen Absatzkanal abseits des Massenmarktes zu erschließen.
Wochenlang führte Struve Gespräche mit Schlachtern, Vermarktern und Handel. Letztlich wurde er sich mit Edeka Nord einig und trat deren Strohschwein-Programm bei. „Ausschlaggebend war, dass ich einen mehrjährigen Abnahmevertrag und die Perspektive erhielt, auch mit den anderen Ställen ins Programm einzutreten“, so der Landwirt. Zudem konnte er sich bei dem jungen Programm in die Gestaltung der Haltungskriterien und des Bezahlmodells einbringen.
Mindestpreis und Aufschläge
Edeka Nord setzt im Kern auf die Vorgaben für die Haltungsform 3. Das bedeutet 40% mehr Platz pro Tier und Außenklimareiz. Ergänzend dazu wird eine GVO-freie Fütterung und Stroheinstreu gefordert. „Gerade die GVO-freie Fütterung entwickelt sich zu einem Kostentreiber. Wir versuchen das abzupuffern, indem wir selbst auf rund 40 ha Ackerbohnen als Proteinlieferant anbauen“, erklärt Struve.
Abgerechnet wird über eine reine Gewichtsmaske. Das Grundgerüst bildet die VEZG-Notierung, wobei ein Mindestpreis von 1,40 € festgeschrieben ist. Da-rauf wird ein Aufschlag von 30 Cent und eine Bonus-Staffelung bezogen auf das Schlachtgewicht gewährt. Zudem nimmt Struve den ITW-Bonus von 5,28 € pro Tier mit. „Von den hohen Schlachtgewichten versprechen wir uns mehr intramuskuläres Fett“, erklärt der Agraringenieur. Er strebt mit seinen Verkaufspartien ein Durchschnittsgewicht von 110 kg an. Obwohl die Futterverwertung zum Mastende schlechter wird, kommt der Betrieb bei Tageszunahmen von 977 g auf ein Verhältnis von 1:2,65.
Seine Investition und die Kooperation mit dem Handel hat Jörg Struve bislang nicht bereut. Im Gegenteil – mit seinem Abnehmer führt er Gespräche auf Augenhöhe und er arbeitet gerade daran, seine anderen Ställe sukzessive umzubauen. Außerdem will er auf Iberduroc-Eber umstellen, um die Fleischqualität weiter zu erhöhen. „Wir wollen uns von den alten Produktionsstandards komplett lösen“, ist Struves Marschrichtung klar.