Jens Blomen ist ein überzeugter Teilnehmer der Initiative Tierwohl (ITW). Dennoch war für den Ferkelerzeuger aus dem nordrhein-westfälischen Hamminkeln nach der zweiten Programmphase zur Jahresmitte 2021 erst einmal Schluss. Und das hing in erster Linie mit den guten biologischen Leistungen zusammen, die der Betrieb erzielt.
„Wie bei vielen anderen Sauenhaltern auch, ist bei uns die Anzahl abgesetzter Ferkel pro Sau mit den Jahren deutlich über die 30er-Marke gestiegen. Dadurch wurde das Flatdeck zu einem Schlüsselloch und der Platz war knapp“, schildert Blomen die damalige Situation.
Notgedrungener ITW-Ausstieg
Da er so nicht für jede Absetzgruppe ein zusätzliches Platzangebot von 10% über dem gesetzlichen Standard gewähren konnte, hatte er damals schon für den Start der zweiten ITW-Runde nur die Sauen und nicht die Ferkelaufzucht angemeldet.
Das war möglich, weil die ITW anfangs beide Produktionsstufen getrennt führte und vergütete. So floss ein Bonus pro Ferkel in der Sauenhaltung und ein Bonus pro Ferkel in der Aufzucht. Diese Trennung wurde allerdings mit dem Start der dritten Phase aufgehoben und seitdem fließt der Bonus ausschließlich übers Aufzuchtferkel an den Ferkelerzeuger. Sprich Sauenhaltung und Aufzucht müssen beide den ITW-Kriterien entsprechen.
Jens Blomen steht hinter den Ansätzen der Initiative und wollte gerne weiter an ihr teilnehmen. Um die dafür notwendigen Platzkapazitäten in der Aufzucht zu schaffen, suchte er das Gespräch mit mehreren Betrieben, die in jüngster Vergangenheit aus der Sauenhaltung ausgestiegen waren. „Oftmals war es aber so, dass die Landwirte keine Schweinehaltung mehr auf ihrem Hof haben wollten oder den hohen Arbeitsaufwand und die Verantwortung für eine Lohnaufzucht scheuten“, berichtet der Landwirt. Auf diesem Weg kam er also erst einmal nicht weiter.
Lohnaufzucht schafft Luft
Erst einige Monate nachdem die neue ITW-Programmphase zu Jahresbeginn 2021 ohne ihn gestartet war, tat sich für den ambitionierten Sauenhalter eine Lösung auf. Bei der Suche nach einem Mitarbeiter kreuzten sich nämlich die Wege von Blomen und Stephan Sondermann. Der junge Landwirt aus einem Nachbarort hatte im Jahr 2021 zusammen mit seinem Vater beschlossen, trotz großer Leidenschaft für diesen Betriebszweig, die Sauenhaltung aufzugeben.
Schnell war den beiden klar, dass die Chemie zwischen ihnen stimmt und sich weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit ergeben. Die Aufzuchtställe der Sondermanns waren noch in einem sehr guten Zustand und so dauerte es nicht lange, bis die ersten Absetzferkel aus Blomens Sauenstall aufgestallt wurden. „Für uns natürlich ein Glücksfall. Stephan kann sein Wissen nun als Mitarbeiter auf unserem Betrieb einbringen. Und zusammen mit seinem Vater kümmert er sich zuhause um die Aufzucht unserer Ferkel“, ist der Sauenhalter sehr zufrieden mit dieser Entwicklung.
Magengeschwüren vorbeugen
Mit 500 Sauen und nun insgesamt rund 3.300 Aufzuchtplätzen ist seine Ferkelerzeugung mit zehn Absetzgruppen im versetzten Zwei-Wochen-Rhythmus erst mal rund. Und weil er nun auch durchgängig die geforderten 0,35 m² pro Aufzuchtferkel anbieten kann, zögerte er nicht lange, sich im September 2022 als Nachrücker für die laufende ITW-Phase zu bewerben.
„Wir haben zwar jetzt nur noch eine Programmlaufzeit von 18 Monaten. Da wir die restlichen Kriterien aber in einem überschaubaren Umfang umsetzen konnten, haben wir uns trotzdem für die Teilnahme entschieden“, erläutert Blomen. Anschließend lief alles sehr reibungslos und nachdem er mit seinem Betrieb Anfang November erfolgreich die Auditierung durchlief, werden seit mehreren Wochen wieder Ferkel unter dem ITW-Siegel produziert.
Ein Kriterium, das er bereits vor seiner ersten Teilnahme an der ITW freiwillig umsetzte, ist die Raufuttergabe im Wartestall. Über separate Futterautomaten werden den Tieren Heupellets vorgelegt. „Die Pellets stellen eine gute strukturelle Ergänzung zum feinen Fertigfutter dar. Damit beugen wir in erster Linie Magengeschwüren vor“, so der 42-Jährige.
Zudem hat er festgestellt, dass sich seine Sauen aus dem DanBred-Zuchtprogramm Porkuss deutlich länger mit der Futteraufnahme beschäftigen. Dadurch wirken die Tiere in den 12er-Gruppen sehr ausgeglichen und der Landwirt beobachtet kaum Rangkämpfe.
Teures Raufutter
Das Zusatzangebot ist natürlich mit einem gewissen Aufwand verbunden. Die Befüllung der Automaten erfolgt per Hand und dauert täglich circa 20 Minuten. „Die Vorlage könnte man natürlich automatisieren. Stephan und ich nutzen diese Arbeit aber gerne für die Tierkontrolle“, erläutert der Unternehmer.
Neben Zeit kostet die Raufuttergabe inzwischen auch richtig Geld. Ähnlich wie andere Futtermittel sind Heupellets in den vergangenen Monaten deutlich teurer geworden. Zahlte Blomen im vergangenen Jahr zwischen 26 und 29 € pro dt, ist er inzwischen bei rund 40 € angekommen. „Unsere Muttertiere stehen pro Wurfintervall 80 Tage im Wartestall. Bei einem Verbrauch von rund 650 g pro Sau und Tag sind das jährlich rund 125 kg bzw. 50 € je Tier“, rechnet der Ferkelerzeuger vor.
In der Aufzucht ist die Raufuttergabe ebenfalls zwingend vorgeschrieben. Hier hat Blomen neben Kettenspielzeugen Wandhalterungen installiert, in die er Knabberstangen aus gepressten Luzernen steckt. Ähnlich wie bei den Heupellets werden diese von den Tieren sehr gut angenommen und entfalten im Darm eine diätische Wirkung. „Auch die Knabberstangen sind im Preis gestiegen, weshalb man schon einen erheblichen Teil des ITW-Bonus von 3,57 € je Aufzuchtferkel für die Raufutterbeschaffung veranschlagen muss“, betont der Landwirt.
Ausgeklügeltes Ammensystem
Da die Tierwohlprämie nicht pro Sau, sondern anhand der vermarkteten Aufzuchtferkel ausgeschüttet wird, versucht Blomen in allen Produktionsbereichen das Leistungspotenzial der Tiere auszuschöpfen. Angefangen im Abferkelstall, wo vor allem das ausgetüftelte Ammensystem des Betriebes ins Auge sticht. „Um möglichst vielen neugeborenen Ferkeln gute Startbedingungen bieten zu können, setzen wir seit rund einem Jahr auf eine leicht abgewandelte Form des Gruppensäugen“, erläutert der staatlich geprüfte Landwirt.
Den Anfang machen immer sechs Sauen der insgesamt circa 46 Tiere umfassenden Abferkelgruppe. Bei diesen Sauen rechnet der Betriebsleiter mit einer guten Milchleistung und die Tiere werden paarweise in den hinteren Buchten der doppelreihigen Abferkelabteile aufgestallt. Dort stehen sie sich gegenüber und der Ferkelerzeuger hat die Möglichkeit, die Buchten später zusammenzulegen.
45 Ferkel an zwei Sauen
Das erfolgt meist vier bis sechs Tage nachdem die meisten Sauen der Gruppe abgeferkelt haben. „Meistens haben die beiden Sauen zusammen circa 30 eigene Ferkel. Dann setzen wir den kompletten Wurf einer anderen Sau dazu“, erklärt Blomen. Die ferkellose Sau erhält im Gegenzug 15 Ferkel, die in ihren angestammten Würfen etwas abgefallen sind.
Da die beiden leistungsstarken Sauen natürlich nicht alleine rund 45 Ferkel versorgen können, sind in den zusammengelegten Buchten insgesamt vier Tassen des automatischen Beifütterungssystems verbaut. „Mit der Milchbeifütterung über die Tasse haben wir schon länger sehr gute Erfahrungen gemacht. In Kombination mit diesem Ammensystem konnten wir die Absetzzahlen nochmals um ein Ferkel pro Wurf steigern“, stellt der Sauenhalter heraus.
Feste Lieferbeziehungen
All diese Bemühungen müssen natürlich in einer vernünftigen Vermarktung der Aufzuchtferkel münden. Und bezogen auf den ITW-Bonus muss Blomen berücksichtigen, dass der aufnehmende Betrieb ebenfalls an der Initiative teilnimmt. „Diese Durchgängigkeit war längst überfällig. Nur durch solche Verbindlichkeiten können wir uns von der Standardproduktion absetzen und eine höhere Wertschöpfung erzielen“, ist der Rheinländer überzeugt.
Hier kann der Ferkelerzeuger glücklicherweise eine jahrelange Partnerschaft mit vier Mästern vorweisen, die auch alle ITW-Betriebe sind. „Der Austausch mit meinen Ferkelabnehmern ist mir sehr wichtig. Dadurch, dass ich die Tiere selber ausliefere oder die Mäster sie abholen, sprechen wir uns regelmäßig persönlich“, nennt er einen wichtigen Baustein für diese vertrauensvollen Geschäftsbeziehungen.
Durch die Gespräche mit seinen Mästern bekommt er mit, dass die Vermarktung von ITW-Schlachtschweinen nicht so reibungslos läuft, wie man sich das wünschen würde. „Einer meiner Abnehmer hat einen zweiten Standort ohne ITW-Zulassung. Er macht gerade die Erfahrung, dass seine normalen Tiere ohne Verzug abgeholt werden, während er bei den Tierwohlschweinen auch gerne mal fünf Tage geschoben wird“, gibt Blomen wieder.
Er hofft, dass der Absatz für Tierwohlfleisch wieder anzieht und Handel bzw. Schlachter sich auch finanziell stärker auf die Erzeuger einlassen müssen. „Es wäre ein absoluter Tiefschlag für uns, wenn wir unsere Bemühungen für mehr Tierwohl wieder zurückschrauben müssten, weil wir sie uns schlichtweg nicht mehr leisten können“, bringt es der Ferkelerzeuger auf den Punkt.
Die vollständige Bildergalerie finden Sie hier