Das Konzept erläutert Bernhard Feller, LWK Nordrhein-Westfalen
Deckzentrum, Wartestall, Abferkelstall, Flatdeck, Mast. So sieht bislang der „Wohnungsplan“ für den Großteil der in Deutschland gehaltenen Schweine aus. Das Haltungskonzept hat sich durchgesetzt. Denn es bietet nicht nur hygienische, sondern auch arbeitswirtschaftliche Vorteile.
Doch es gibt auch Nachteile. Das mehrfache Umstallen der Schweine belastet die Tiere und ruft bei vielen von ihnen Stresssituationen hervor. Insbesondere die knapp vier Wochen alten Absatzferkel leiden unter dem gleichzeitigen Verlust der Mutter, dem Ortswechsel und der Neugruppierung. Die Folge sind sinkende biologische Leistungen – Stichwort Absetzknick.
Hinzu kommt, dass das Zusammenstallen von Ferkeln oder Mastschweinen aus unterschiedlichen Gruppen immer wieder zu Beißereien führt. Das kann bei der Haltung von Schweinen mit unkupiertem Ringelschwanz zu erheblichen Gesundheitsproblemen führen.
Feste Bucht bis Mastende
Die Firmen Big Dutchman und Bröring versuchen, diese Nachteile mit dem Havito-Stallkonzept zu umgehen. Denn hier leben die Ferkel entweder von der Geburt bis zum Ende der Ferkelaufzucht (Birth to Rear) oder sogar bis Schlachtreife (Birth to Finish) wurfweise im Familienverbund zusammen.
Die Familienbucht ist immer 2,5 m breit. Dass liegt an der sogenannten Schweinetoilette, die vom Hersteller vorgefertigt geliefert und im vorderen Buchtenbereich installiert wird. Die Buchtenlänge orientiert sich an der Anzahl der Schweine pro Bucht. Legt man als Planungsgrundlage Wurfgrößen von bis zu 14 Tieren zugrunde und sollen die Schweine bis zur Schlachtreife in der Bucht stehen, muss diese gut 15 m2 groß sein. Dann ist eine Länge von 6 m nötig. Unterstellt ist hier ein Platzanspruch von 1,1 m2 pro Tier, der bei Haltungsform 3 gefordert wird. Soll die Bucht nur bis zum Ende der Aufzucht von einem Wurf belegt werden, reicht eine Länge von rund 3 m aus.
Anders als in herkömmlichen Ställen ist der größte Teil des Bodens planbefestigt. Kot und Urin werden nur über die Schweinetoilette abgeführt. Diese besteht aus einem ca. 4 m2 großen Förderband aus Kunststoffelementen. Die Technik wird im Automobilbau am Montageband eingesetzt. Auch Getränkehersteller arbeiten damit, wenn sie Flaschen per Fließband transportieren. Die Kunststoffelemente sind durchlässig, sodass Flüssigkeiten nach unten abfließen können. Unter dem Förderband sitzt eine Edelstahlwanne, die dem Band die nötige Stabilität gibt und den Harn auffängt. Durch ein Rohrsystem fließt der Urin dann in Richtung Endlager ab.
Kot, Reste von organischem Beschäftigungsmaterial usw. bleiben auf dem Förderband liegen. Sie werden je nach Einstellung mehrmals am Tag automatisch in einen Querkanal gefördert, der unter dem Kontrollgang sitzt. Ein Unterflurschieber befördert das Material von dort nach draußen. Ziel der Kot-Harn-Trennung ist es, die Emissionen zu senken.
Ganz neuer Stallgrundriss
Sollte das neue Stallkonzept künftig in Praxisbetrieben zum Einsatz kommen, ändert sich die bauliche Situation grundlegend, wie die Übersicht verdeutlicht. Der Beispielrechnung zugrunde gelegt ist ein Bestand mit 336 Sauen im Einwochenrhythmus. Das heißt, jede Woche ferkeln 16 Sauen ab. Die Zahl der abgesetzten Ferkel je Wurf liegt bei 14 Tieren, die Säugezeit beträgt 28 Tage.
- Bei konventioneller Haltung mit festen Tiergruppen wären 270 Deck- und Warteplätze in 17 Buchten nötig. Dazu kommen 80 Abferkelbuchten mit je 6,5 m2 Nettobuchtenfläche plus 1800 Ferkelaufzucht- und 3.580 Mastplätze. Werden zu den Nettobuchtenflächen 20 % Serviceflächen wie Kontrollgänge, Vorräume usw. hinzugerechnet, liegt die benötigte überbaute Fläche bei rund 7.120 m2.
- Wachsen die Ferkel bis zum Ende der Aufzucht wurfweise in einer Havito-Bucht auf, ergibt sich folgendes Bild: Für die zu belegenden und tragenden Sauen müssen 270 Plätze zur Verfügung gestellt werden. Für die laktierenden Sauen inklusive der Saugferkel sind 192 Havito-Buchten mit je 7 m2 Nettobuchtenfläche erforderlich. Die Buchtengröße reicht für 14 Aufzuchtferkel aus.
Nach der 49-tägigen Aufzuchtphase kommen die Schweine in den konventionellen Maststall. Alles in allem werden für dieses Haltungssystem 7.210 m2 Stallgrundfläche benötigt. Pro Sau sind das 21,5 m2 und damit in etwa so viel wie in der konventionellen Haltung.
- Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn die Schweine bis zur Schlachtreife in der Havito-Bucht bleiben. Dann muss jede Bucht 15,4 m2 groß sein. Die Belegzeit der Buchten beträgt 27 Wochen. Insgesamt benötigt der Betrieb in diesem Fall fast 9000 m2 überbauten Raum! Pro Sau sind das 26,3 m2.
Wean-to-Finish sehr teuer
Im Hinblick auf die Gebäudekosten ergibt sich folgendes Bild:
- Bleiben die Ferkel nur bis zum Ende der Aufzucht in den Havito-Buchten, steigen die Gebäudekosten nur minimal an, da für das Haltungskonzept im Vergleich zum gesetzlichen Standard kein wesentlich höherer Stallflächenbedarf entsteht. Als Pluspunkt kann das Konzept für sich verbuchen, dass die Ferkel nach dem Absetzen wurfweise in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Das reduziert die Stressbelastung, führt zu stabileren biologischen Leistungen und dürfte insbesondere im Hinblick auf den intakten Ringelschwanz künftig eine zunehmend wichtigere Rolle spielen.
- Sehr teuer wird das Verfahren, wenn die Schweine bis zum Ende der Mast in den Havito-Buchten bleiben. Bei 27 Wochen Produktionszyklus und einem um 5,4 m2 größeren Flächenbedarf sowie Investitionskosten von 800 € je m2 Stallfläche steigen die Baukosten um 4.800 € je produktive Sau an. Unterstellt man in der Vollkostenrechnung 15 % Festkosten, sind das 720 € pro Jahr. Diese Mehrkosten müssten von rund 30 verkauften Mastschweinen pro Sau und Jahr getragen werden. Das wären 24 € je Tier! Fraglich ist, ob diese Summe durch die wurfweise Haltung refinanziert werden kann.
Um mehr belastbare Zahlen zu bekommen, wird derzeit in neuer Teststall mit 64 Havito-Buchten von den Firmen Big Dutchman und Bröring gebaut. Ein Ziel ist dabei, herauszufinden, ob durch die lebenslange Haltung in ein und derselben Bucht höhere biologische Leistungen und damit kürzere Produktionszyklen möglich sind.