Dr. Thomas große Beilage koordinierte die erste Keulung eines Großbetriebes wegen ASP. Spätestens jetzt sollte man alle Vorsorgemaßnahmen scharf schalten.
Michael Werning, SUS
Mitte November letzten Jahres trat das ein, was die Schweinebranche seit dem Aufflammen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) im ostdeutschen Wildschweinebestand am meisten fürchtete. Nachdem es im Sommer bereits drei Kleinsthaltungen mit Hausschweinen getroffen hatte, wurde die Seuche in einen konventionellen Großbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern mit mehreren Tausend Mastplätzen nachgewiesen.
Um eine Ausbreitung der ASP zu verhindern, wurde der Betrieb nach Bestätigung des Seuchenausbruches abgeriegelt und geräumt. Organisiert wurde diese Aktion von Dr. Thomas große Beilage, Tierarzt und Geschäftsführer der Gesellschaft für Seuchenvorsorge (Gesevo).
Wie sahen die ersten Schritte aus, als Sie über diesen ASP-Fall informiert wurden?
Bei einem Ausbruch geht es um Stunden, da die Viruslast im Seuchenbetrieb exponentiell ansteigt. Deshalb informiert uns das zuständige Veterinäramt idealerweise bereits im Verdachtsfall. Folgt die Bestätigung, planen wir sofort zusammen mit unserem Dienstleister für die Durchführung den Einsatz. Die Vorbereitung ist sehr wichtig. Am Einsatzort, wie zuletzt im 400 km entfernten Landkreis Rostock, darf nichts fehlen. Bei diesem Ausbruch wurden wir Montagabend über den Verdacht informiert. Mittwochmorgen bauten wir die Hygiene- und Tötungseinrichtungen auf und am Nachmittag begann die Räumung.
Wo liegen die größten Herausforderungen bei der Räumung eines Seuchenbetriebes?
Sicherlich darin, dass jeder Betrieb anders ist. Daher ist es wichtig, dass wir uns zunächst ein Bild vom Bestand, der Umgebung und der Infrastruktur machen. Ist es ein Zucht- oder Mastbestand? Wie lässt sich der Bestand abschirmen? Wo sind die Schwarz-Weiß-Grenzen, in die wir unsere Schleusen einbauen? Sind die Ställe mit Verladerampen versehen, wo wir andocken können? Wo bauen wir die Technik- und Versorgungsmodule für Strom, Wasser, Material und Personal auf?
Wie wird der Seuchenbetrieb abgeschirmt?
Bereits beim Verdacht auf einen Seuchenausbruch sperrt das Veterinäramt den Schweinebetrieb und schränkt den Tier-, Personen- und Fahrzeugverkehr ein. Unsere Arbeit beginnt mit dem Aufbau unserer Hygieneschleusen, damit Fahrzeuge und Personen kein Virus heraustragen können. Vorausgegangene Seuchenzüge haben uns gelehrt, dass Schadnager gefährliche Krankheitsüberträger sind. Daher beginnen wir auch sofort mit einer intensiven Beköderung auf dem gesamten Betriebsgelände und dessen Umfeld.
Was umfasst Ihr Aufgabengebiet?
Bei der Seuchenvorsorge unterscheiden wir zwischen Organisation und Durchführung vor Ort. Die Gesevo hält das Spezialwissen, die Organisationsstrukturen und die erforderliche Technik vor. Alles wird von uns ständig einsatzbereit und auf dem Laufenden gehalten. Im Seuchenfall gehört zu meinen Aufgaben die übergeordnete Koordination und Organisation des Ablaufs. Unser wichtigstes Pfund sind aber die Spezialunternehmen, die wir als Dienstleister unter Vertrag haben und die eigentliche Arbeit im Betrieb übernehmen. Das Veterinäramt kontrolliert die Abläufe vor Ort, wie z.B. die Abholung der Tierkörper. Der Erfolg hängt von der Zusammenarbeit aller Beteiligten ab. Im aktuellen Fall hat das ausgezeichnet geklappt.
Steht das Personal für Bestandsräumungen immer auf Abruf bereit?
Keiner kann genau vorhersagen, wann ein Seuchenfall eintritt. Deswegen arbeiten unsere Seuchenbekämpfer genau wie Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr ganz normal in ihren angestammten Berufen – häufig im grünen Bereich. Über Standby-Verträge haben wir alles für den Ernstfall geregelt, auch wie schnell der Einsatz beginnen und wie viel Personen mit welcher Qualifikation zur Verfügung stehen muss.
Wie werden die Einsatzkräfte geschult?
In der Regel kommen diese Personen aus verwandten Berufssparten, durch die sie bereits gewisse Vorkenntnisse haben. Gerade im Umgang mit Tieren oder bei der Desinfektion müssen sie über entsprechende Sachkunde verfügen. Darüber hinaus werden theoretische und praktische Fortbildungen durchgeführt, z.B. zum Umgang mit Tieren sowie dem Aufbau und Betrieb unserer Geräte. Die Schulungen erfolgen vor Ort oder über E-Learning-Kurse, die wir speziell dafür entwickeln. Wir bieten auch Unterstützung für die mentale Gesundheit an, da die Seuchenbekämpfung psychisch sehr belastend sein kann.
Inwieweit wird bei der Räumung der Betriebsleiter eingebunden?
Erfahrungsgemäß zeigen sich die Landwirte schwer getroffen von der Situation. Besonders für Familienbetriebe ist der Seuchenfall eine Tragödie, mit der sie nur schwer umgehen können. Oftmals sind die Menschen sehr hilfsbereit, weil sie wissen, dass wir Teil der Lösung ihres Problems sind. Wir beanspruchen sie aber nur so weit, wie es unbedingt nötig ist, z.B. für notwendige Formalitäten oder technische Fragen zum Stall.
Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Räumung und Ermittlungen zur Eintragsquelle des Virus?
Generell zählt die Ermittlung der Eintragsquelle nicht zu unseren Aufgaben. Wir konzentrieren uns voll und ganz auf die schnelle und tierschutzgerechte Räumung des Bestandes bei optimaler Seuchenhygiene. Die epidemiologischen Untersuchungen sind Sache des Veterinäramtes, des zuständigen Landesamtes bzw. des Friedrich-Loeffler-Institutes.
Wie geht es nach der Keulung eines Bestandes weiter?
Mit der Nottötung und Verladung aller Schweine ist nur ein Teil unserer Arbeit getan. Sehr viel Zeit kostet die sorgfältige Reinigung und Desinfektion der Geräte, des Töteplatzes, der Treibwege sowie der Verkehrsflächen rund um den Stall. Auch die Fahrzeuge und Container werden von außen und innen akribisch gereinigt und hygienisiert. Die komplette Arbeitskleidung verbleibt auf dem Betrieb und wird dort entseucht und entsorgt. Abschließend verlässt das Personal das Gelände über eine Hygieneschleuse, duscht also aus, ohne auch nur einen Einweghandschuh oder dergleichen mitzunehmen.
Wann können nach der Räumung wieder Tiere aufgestallt werden?
Hier gibt es rechtliche Vorgaben und Fristen, die das Veterinäramt umsetzt. Wir sorgen dafür, dass die Voraussetzungen für die Freigaben schnellstmöglich geschaffen werden, indem wir nach der Räumung die erste Desinfektion durchführen. In Niedersachsen, auf Wunsch auch in Mecklenburg-Vorpommern, können wir die Reinigung und Desinfektion bis zur Abnahme durch das Veterinäramt organisieren.
Wer bezahlt solch eine Bestandskeulung?
Die Kosten werden von der Tierseuchenkasse (TSK) getragen. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Tierhalter seinen Verpflichtungen zur Bestandsmeldung und Beitragszahlung nachgekommen ist. In Niedersachsen kann der Tierhalter eine Beihilfe für die anschließende Reinigung und Desinfektion geltend machen.
In welchen Bundesländern ist die Gesevo aktiv?
Die einzelnen Bundesländer haben eine Vorsorgeverpflichtung für den Seuchenfall. Deshalb schreiben sie in der Regel über die TSK die mehrjährigen Aufträge für die Seuchenbekämpfung aus. Wir organisieren zusammen mit der GSV (Emsland und Grafschaft Bentheim) die Seuchenvorsorge für ganz Niedersachsen und Bremen für Geflügel, Schweine und Wiederkäuer. In Mecklenburg-Vorpommern sind wir alleine für Geflügel und Schweine zuständig.
Stehen Sie im Austausch mit Seuchenbekämpfern aus anderen Bundesländern?
Unser aller Ziel ist eine erfolgreiche, effiziente Tierseuchenbekämpfung und dafür stimmen wir uns mit Organisationen bzw. Behörden innerhalb und außerhalb unseres Zuständigkeitsgebietes ab. Wenn es woanders brennt, können unsere Geräte durch unsere Dienstleister auch in anderen Bundesländern genutzt werden. Allerdings unter der Voraussetzung, dass die Seuchenbekämpfung bei uns vor Ort dadurch nicht beeinträchtigt wird. Dafür lassen wir uns auch von der TSK und dem Land das Okay geben.
Wie schätzen Sie das aktuelle ASP-Risiko für den deutschen Hausschweinebestand ein?
Alle Schweinehalter, auch die in den bislang nicht betroffenen Teilen Deutschlands, müssen erkennen, dass die ASP-Gefahr absolut präsent ist. Wir haben in Ostdeutschland Gegenden, die durch infizierte Wildschweinebestände eine sehr hohe Viruslast aufweisen. Diese Regionen sind größtenteils für jedermann frei zugänglich. Es ist anzunehmen, dass jede Woche kontaminiertes Material auch in die nordwestdeutschen Veredlungshochburgen gelangt. Wir haben nur das Glück, dass das Virus dort noch nicht ans Schwein gelangt ist. Insofern ist jetzt höchste Alarmstufe und alle Biosicherheitsmaßnahmen müssen ausnahmslos scharf geschaltet sein.
Wie können sich die Schweinehalter am besten schützen?
In dem sie die Situation, unabhängig von Standort oder Betriebsstruktur, sehr ernst nehmen und sich streng an die Biosicherheitsempfehlungen halten. Die wichtigsten Standards werden von den Brancheninstitutionen hoch und runter zitiert und viele Dinge setzen die Betriebe auch um. Aus meiner Zeit als praktizierender Tierarzt weiß ich aber, dass öfters die letzte Konsequenz fehlt. Dann bleibt die im Stalleingang aufgestellte Desinfektionswanne für die Stiefel irgendwann trocken oder der Viehtransporteur muss beim Verladen mit in den Stall, weil Personal fehlt. Das sind die kleinen Nachlässigkeiten, über die am Ende die ASP in den Stall gelangt. Auf den ersten Fall in der Region zu warten, wäre fatal – er könnte auf dem eigenen Betrieb eintreten.
Wie lassen sich diese gefährlichen Nachlässigkeiten abstellen?
In dem sich der Schweinehalter immer wieder vor Augen führt, wie groß die Gefahr ist, dass Krankheitserreger in den Bestand gelangen. Da muss man nicht nur an die ASP, sondern auch die vielen anderen gefährlichen Erreger, wie PRRS oder APP, denken. Wichtig ist auch, dass diese Einstellung auf Familienmitglieder und Mitarbeiter übertragen wird. In größeren Betrieben bietet es sich zudem an, einen Hygienebeauftragten zu ernennen.