Die hochpathogene PRRS-Variante Rosalia bereitet in Spanien weiter große Probleme. Tierarzt Francesc Illas beschreibt die aktuelle Lage und Risiken für andere EU-Länder.
Wo trat Rosalia zuerst in Spanien auf?
Die ersten Fälle gab es zum Jahreswechsel 2019/2020 in Katalonien im Nordosten Spaniens, nur wenige Kilometer von der französischen Grenze entfernt. In derselben Region hatte unsere Integration Batallé im Februar 2020 den ersten Rosalia-Fall in einem Mastbetrieb. Nur 60 km davon entfernt traf es zwei Monate später unseren ersten Sauenbetrieb. Zwischen dem Ferkelerzeuger- und Mastbetrieb besteht keine Verbindung.
Wie schnell verbreitet sich das Virus?
Die Ausbreitung ist rasant. Rosalia hat sich bereits innerhalb von zwei Jahren auf die verschiedenen Landesteile von Spanien ausgeweitet. Etwa 50% der Betriebe melden einen PRRS-Ausbruch. In den vergangenen Jahren hatte Rosalia mit einem Anteil von 70% die größte Bedeutung für das PRRS-Geschehen.
Gibt es Betriebe, die weniger anfällig sind?
Es ist nur eine persönliche Einschätzung. Aber wir haben den Eindruck, dass Betriebe eher von Rosalia verschont bleiben, wenn sie ihre Kadaver und ihre Gülle an separaten Standorten weit abseits ihrer Tierbestände lagern.
Wie verbreitet sich Rosalia im Bestand?
Wir gehen davon aus, dass von der Einschleppung in die Herde bis zu den ersten klinischen Anzeichen drei bis sieben Wochen vergehen. Das Krankheitsbild zeigt sich damit später, als man erwarten würde. Das Fatale ist, dass sich Viren des Rosalia-Stamms sehr schnell vermehren und sehr hohe Konzentrationen im Blut erreichen. Die Tiere bleiben bis zu drei Monate lang virämisch und können das Virus übertragen. Hinzu kommt, dass Rosalia sehr geringe Virusmengen benötigt, um ein Tier zu infizieren. Das bedeutet: Biosicherheitsmaßnahmen, die bei anderen PRRS-Stämmen funktionieren, sind bei Rosalia weniger effektiv.
Gibt es Rosalia auch außerhalb Spaniens?
Vermutlich wurde der Rosalia-Stamm durch Tiere aus einem anderen europäischen Land nach Spanien getragen. Ich gehe daher davon aus, dass es Rosalia auch in anderen EU-Ländern gibt. Vielleicht befindet sich das Virus bislang in einer Region mit einer geringeren Schweinedichte. Dann hat es mehr Probleme, von einem Betrieb zum anderen zu springen und fällt weniger auf.
Wie groß ist die Gefahr, dass der neue Stamm andere EU-Länder erreicht?
Das größte Risiko für die Verschleppung eines Krankheitserregers ist die Verbringung von lebenden Tieren. Spanien exportiert keine Schweine, sondern nur Fleisch. Eine Verschleppung von PRRS-Viren über die Fleischkette ist fast unmöglich. Die Hauptgefahr sind die Viehtransporte, da wir lebende Schweine aus anderen europäischen Ländern importieren. Es ist denkbar, dass die Transportfahrzeuge auf ihrem Rückweg den Rosalia-Stamm in das Exportland eintragen. In diesem Szenario ist der entscheidende Punkt eine gute Reinigung und Desinfektion der Lkw.
Welche Probleme haben die Betriebe?
Heutzutage gibt es viele Untervarianten der ursprünglichen Rosalia-Stämme und die Ausbrüche sind milder als noch vor drei Jahren. In einigen Sauenbetrieben erreichen wir dennoch 10% Sterblichkeit bei den Muttertieren. Zudem treten massive Fruchtbarkeitsprobleme mit 25% Aborten auf. In den ersten drei Monaten des Ausbruchs fällt es oft schwer, die Ferkelverluste unter 30% zu halten.
Wie ist die Situation in der Mast?
In der Mast kann es ebenfalls zu hohen Tierverlusten kommen. Das gilt insbesondere, wenn neben PRRS weitere Co-Infektionen auftreten. Derart hohe Mortalitätsraten in der Mast haben viele Tierärzte in Spanien noch nie zuvor gesehen. Glücklicherweise sind die letzten Ausbrüche weniger schwerwiegend.
Offenbar gibt es Betriebe, die zweimal getroffen wurden. Warum?
Ja, das ist möglich. Denn wie andere PRRS-Stämme befällt auch Rosalia die Thymusdrüse und das Knochenmark. Beide übernehmen zentrale Aufgaben im Immunsystem. Dadurch können einige Tiere, die infiziert sind, keine schützenden Antikörper für einen zukünftigen Ausbruch bilden.
Was wissen Sie über die Entstehung von Rosalia?
PRRS-Viren haben generell eine hohe Mutations- und Rekombinationsrate. Aus diesen Gründen kommt es häufig vor, dass neue Stämme oder Varianten im Feld nachgewiesen werden. Aber nicht immer ist ein neuer Stamm oder eine neue Variante virulenter, weil die meisten Genomveränderungen zufällig sind. Bei Rosalia hat die Rekombination jedoch zu einer besonders hohen Pathogenität geführt.
Können PRRS-Impfstoffe helfen?
Ganz klar, nein! Keine der verfügbaren PRRS-Vakzine zeigt eine Wirkung gegen Rosalia. Zumindest sehen wir keinen Unterschied zwischen geimpften und ungeimpften Herden. Und Spanien ist ein Land mit einer hohen Impfdichte bei PRRS. Die Entwicklung einer Vakzine, die auch gegen Rosalia wirkt, ist als kompliziert und langwierig einzuschätzen.
Was können die Betriebe tun?
In Bezug auf die Biosicherheit können wir immer noch mehr tun. In unserer Integration hatten wir bisher sieben Ausbrüche mit sieben verschiedenen Rosalia-Stämmen. Das zeigt, dass wir zumindest die Verschleppung des Erregers innerhalb unserer Produktionskette vermieden haben. Zudem haben wir einen strikten Handlungsablauf mit dem Unternehmen vereinbart, das unsere Kadaver aufnimmt. Das Unternehmen hält sich daran. Wir glauben, dass in einigen Fällen das Sammeln der Gülle ein kritischer Punkt ist. Es wird auch viel über die Übertragung von Rosalia über die Luft gesprochen, was jedoch umstritten ist.
Welche Rolle spielt der Jungsauenbezug?
Die Eingliederung der Jungsauen ist ein zentrales Thema, vor allem wenn der Betrieb PRRS-positiv ist. Denn der Aufbau stabiler Herden auf Basis einer durchlebten Infektion – Stichwort Durchseuchung – funktioniert bei Rosalia nicht. So entwickeln einige junge Tiere nach einer Rosalia-Infektion keinen Immunschutz und können wiederholt erkranken. Zur Aufnahme neuer Jungsauen sollte der Betrieb daher PRRS-negativ sein. Wir haben gerade unsere Ferkelerzeuger erfolgreich vom Ein- auf den Vier- oder Fünfwochenrhythmus umgestellt. Das erlaubt die strikte Trennung der Altersgruppen nach dem Prinzip „all in – all out“.
Wie ist Ihr Ausblick für Rosalia in Spanien?
Wir müssen davon ausgehen, dass Rosalia in Spanien bleibt. Ich denke, dass weitere hochvirulente Stämme hinzukommen. Rosalia zeigt, wie verletzlich unsere Produktion ist. Der Gesundheitsschutz findet zu wenig Beachtung. Wir können nicht auf politische Hilfe oder auf einen magischen Impfstoff warten. Wir müssen die Biosicherheit maximal verbessern. Es darf keine Lücken für die Keimverschleppung geben. Dabei spielt es keine Rolle, wie groß der Betrieb ist.Ihr Kontakt zur Redaktion:fred.schnippe@susonline.de