Schlachtbefunddaten liefern wichtige Hinweise zu Tiergesundheit und Management. IQ-Agrar hat ein Modell entwickelt, mit dem sich die Daten auch schlachthofübergreifend vergleichen lassen.
Die am Schlachtband vom Tier erhoben Befunddaten lesen sich wie die Biografie des Schweines. Chronische Atemwegserkrankungen können zum Beispiel ein Indiz dafür sein, dass die Heizung oder die Lüftung im Stall nicht richtig eingestellt war. Milk Spots auf der Leber weisen auf einen Befall mit Spulwürmern hin. Und Schlagstriemen auf dem Schinken lassen vermuten, dass die Tiere beim Treiben oder Verladen auf den Viehtransporter zu ruppig behandelt wurden.
Deshalb ist es ratsam, die Schlachthofbefunde im Blick zu behalten. Landwirte, Tierärzte und Berater können sie nutzen, um die Tiergesundheit im Betrieb zu verbessern, weiter an der Haltungs- und Lüftungstechnik zu feilen und das betriebliche Management zu optimieren.
Befunde kosten Zunahmen
Das kommt nicht nur dem Tierwohl zugute, es macht sich am Ende auch im Portemonnaie des Mästers bemerkbar. Denn jeder Organbefund kostet Zunahmen. Auswertungen der IQ-Agrar Service GmbH, Deutschlands größtem QS-Bündler (siehe Kasten auf Seite 32) für Schlachtschweine, belegen dies mit beeindruckenden Zahlen.
Die Analyse der Befunddaten von 100.000 Schlachtschweinen aus der Einzeltierkennzeichnung ergab, dass jeder Organbefund rund 100 g Tageszunahmen kostet. Das entspricht einem Mindererlös von 3 € je Mastschwein! Eine Entzündung des Darms schlägt sogar mit -5 € pro Schwein zu Buche.
Bei zwei Organbefunden pro Tier summiert sich der Schaden im Durchschnitt bereits auf 131 g geringere Tageszunahmen. Und bei drei Befunden muss man im Schnitt mit 188 g geringeren Tageszunahmen kalkulieren.
Neben dem finanziellen Verlust leidet unter der schlechteren Futterverwertung der Tiere auch die Nachhaltigkeit der Schweinefleischerzeugung. Ein Aspekt, der immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Befunddaten lassen sich allerdings häufig nur schwer vergleichen. Denn erstens werden an den Schlachthöfen unterschiedliche Merkmalsumfänge bei den Befunddaten erfasst. Und zweitens können die Daten auch von Schlachthof zu Schlachthof, von Schlachttag zu Schlachttag und sogar innerhalb eines Schlachttages erheblich voneinander abweichen.
Diese „Umwelteffekte“ führen zu Verzerrungen und machen die Befundergebnisse schwer vergleichbar. Eine Untersuchung, die im Landkreis Cloppenburg von 2014 bis 2016 an den dort ansässigen Schlachthöfen durchgeführt und wissenschaftlich begleitet wurde, ergab folgende Einflussfaktoren auf die Erhebung von Schlachtbefunden:
- Saisonal: Brustfellentzündungen werden z.B. in den Wintermonaten am Schlachtband deutlich häufiger registriert als im Frühsommer.
- Regional: Je nach Region, aus der der Schlachthof mit Schweinen beliefert wird, werden unterschiedliche Genetiken eingesetzt. Zudem wenden die Kreisordnungsbehörden bei der Befunderhebung unterschiedliche Maßstäbe an.
- Subjektiv: Je nachdem, welcher Veterinär oder Fachassistent gerade am Band steht, werden die Befunde subjektiv unterschiedlich bewertet.
- Merkmalsumfang: Die Grenzen zwischen der Schwere eines Befundes, z.B. einer Lungenentzündung (PN-1 – PN-3), werden unterschiedlich gesetzt.
Durch regelmäßige Schulungsmaßnahmen des Personals am Schlachtband sollen die subjektiven Bewertungsunterschiede zwar so gering wie möglich ausfallen. Die saisonalen und regionalen Einflüsse bleiben jedoch.
Einheitlicher Befundindex
Um die Schlachtbefunde für die Beratung nutzbar zu machen, hat man bei IQ-Agrar deshalb bereits vor neun Jahren überlegt, wie sich die Umwelteffekte he-rausrechnen lassen.
„Unser Ziel ist, Mästern, Tierärzten und Beratern ein Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem sie die Tiergesundheit eines Bestandes objektiv beurteilen, verbessern und sie mit der Gesundheit in anderen Betrieben vergleichen können“, erläutert Peter Schwaer, Geschäftsführer der IQ-Agrar Service GmbH.
Herausgekommen ist dabei der sogenannte Befundindex. Er setzt sich aus zehn Einzelbefunden zusammen, die in vier Gruppen gebündelt werden:
- Die Atemwegsgesundheit wird anhand des Schweregrads von Brustfellentzündungen (PL-1 bis PL-3), dem von Lungenentzündungen (PN-1 bis PN-3) und dem Auftreten von Herzbeutelentzündungen (PE) beschrieben.
- Die Organgesundheit eines Schweines wird auf Basis der festgestellten Leberbefunde (Le-2) und der Darmveränderungen (Da-V) bewertet.
- Die Gelenkgesundheit wird anhand der Gelenkveränderungen (Gel-V) rangiert.
- Und die körperliche Unversehrtheit, zu der u.a. Schwanzveränderungen (Schw-V)und Untauglichkeit (untgl.) gehören, wird im vierten Block erfasst.
Die Einzelbefunde werden je nach Ausprägung gewichtet und zu einem Index je Gruppe verrechnet. Aus den Gruppenindices wird dann im letzten Schritt der Befundindex der Partie berechnet.
Schlachthofübergreifend
Anhand dieses Befundindexes ist es möglich, einzelne Lieferpartien zu bewerten und ein Benchmarking durchzuführen. Das heißt, die Lieferpartie kann mit allen am gleichen Tag und am gleichen Schlachthof geschlachteten Partien verglichen und der Lieferbetrieb entsprechend rangiert werden.
Dafür ist allerdings eine ausreichend große Datenmenge erforderlich. Das gilt erst recht, wenn der Vergleich schlachthofübergreifend erfolgen soll. Deshalb nutzt IQ-Agrar als Vergleichsgröße für jeden Befund das durchschnittliche Niveau aller in den letzten zwölf Monaten durchgeführten Schlachtungen.
Dieser Vergleichswert wird quartalsweise aktualisiert. Für jeden Befund werden alle drei Monate rückwirkend für das letzte Jahr die statistischen Häufigkeiten neu berechnet. Anschließend erfolgt die Aufschlüsselung in die 25% besten bzw. schlechtesten Betriebe. Alle anderen bilden das statistische Mittelfeld.
Darstellung in Ampeloptik
Um das Ergebnis anschaulich darzustellen, nutzt IQ-Agrar Ampelfarben (siehe Übersicht 1 auf Seite 31). Jede Befundart wird in Form eines Balkens dargestellt. Die Schlachtpartien mit den wenigsten Befunden in dieser Kategorie repräsentieren den grünen, die Lieferungen mit mittleren Ergebnissen den gelben und die Partien mit den häufigsten Befunden den roten Bereich.
Der Befundindex der aktuell ausgewerteten Schlachtpartie wird in Form eines schwarzen, senkrechten Striches auf dem Farbbalken abgebildet. Er gibt den Prozentrang des Befunds wieder. Der niedrigste Wert entspricht dabei 0% (ohne Befund) und der höchste Wert 100%, der höchsten im Schlachthof erfassten Befundrate innerhalb der letzten zwölf Monate. „So sieht man auf einen Blick, welchen Rang die auszuwertende Lieferpartie im ganzjährigen Schlachthofmittel einnimmt“, erläutert Peter Schwaer.
Rechts neben der Balkendarstellung ist zusätzlich vermerkt, wie viele Tiere der Schlachtpartie einen positiven Befund aufwiesen und welchen Rang (angegeben in %) die Partie innerhalb des Schlachthofes beim jeweiligen Befund einnimmt. Und ein kreisrundes Ampelsymbol bewertet zusätzlich das Gesamtergebnis für die jeweilige Befundkategorie.
Neu hinzugekommen ist auf Wunsch von Tierärzten eine optische Darstellung von Mehrfachbefunden. Bei der Atemwegsgesundheit z.B. (s. Übersicht 2, Seite 31) sieht man anhand der Schnittmengen sofort, wie viele Schweine gleichzeitig an einer Entzündung des Lungengewebes (Pneumonie), des Herzbeutels (Perikarditis) und des Brustfells (Pleuritis) litten.
Einfach und praktikabel
„Diese Art der Befundauswertung ist einfach, praktikabel und leicht nachvollziehbar“, so Schwaer. Und sie ermöglicht sogar einen schlachthofübergreifenden Vergleich, zumindest innerhalb gewisser Grenzen, wie Übersicht 3 zeigt.
Dazu wurden zwei Lieferpartien eines Mastbetriebes innerhalb einer Woche an zwei verschiedene Schlachtstätten geliefert. Alle Tiere stammten aus dem gleichen Bestand, der gleichen Stallhülle und waren gleich gesund. Trotzdem wichen die Befundergebnisse voneinander ab. Im Schlachthof A wurden bei fünf Schweinen Milk Spots auf der Leber (Le-2) entdeckt, im Schlachthof B dagegen bei 17 Tieren. Ähnlich verhält es sich bei den Darmveränderungen (Da-V).
Die Detailunterschiede ergeben sich dadurch, wie genau die Amtsveterinäre die Befunderhebung durchführen. „Dennoch sind die Ergebnisse vergleichbar“, ist Peter Schwaer überzeugt. Denn in beiden Schlachthöfen rangiert die Lebergesundheit im gelben und die Zahl der Darmveränderungen im roten Bereich. Er blickt daher zufrieden auf das bisher Erreichte: „Unser Modell zur Berechnung des Befundindex ist praktikabel und wird in der Praxis bereits von zahlreichen Tierärzten und Beratern genutzt.“
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