Unser Autor: Dr. Alexander Kulüke, Tierarztpraxis Schöppingen
Welche Durchfallerreger bereiten in der Praxis die größten Probleme?
Als Auslöser für Saugferkeldurchfall kommt eine Vielzahl von bakteriellen, viralen und parasitären Erregern infrage. Ganz vorne zu nennen sind sicherlich E. coli-Keime. Gerade in Kombination mit anderen gefährlichen Erregern, wie z. B. dem Clostridium perfringens Typ A, sind sie in der Lage die Darmschleimhaut massiv zu schädigen. Daneben diagnostizieren wir auf den betroffenen Betrieben vor allem Infektionen mit Rotaviren und Kokzidien.
Ist die Durchfallerkrankung PED noch ein Thema?
Vor einigen Jahren hatten wir durchaus einige PED-Fälle. Wir verzeichneten glücklicherweise nicht so dramatische Mortalitätsraten wie in den USA, wo teils 95 % der betroffenen Ferkel starben. Der Erreger bereitete uns aber trotzdem Sorgen. Der letzte Fall liegt allerdings schon längere Zeit zurück und deshalb ordnen wir dieser Durchfallkrankheit aktuell keine große Relevanz zu.
Fazit
- Saugferkeldurchfall ist auf vielen Betrieben ein Problem.
- Neben Kokzidien, Colibakterien und Clostridien werden immer häufiger Rotaviren als Ursache ausgemacht.
- Zur Prophylaxe gehören eine hohe Hygiene, Sauenimpfungen und ein gutes Kolostrummanagement.
- Betroffene Würfe sind u. U. antibiotisch zu behandeln. Zusätzlich sollten Elektrolyttränken und wasserbindende Zusatzfutter, wie Kartoffelstärke, angeboten werden.
Wie lassen sich die verschiedenen Durchfallerreger am sichersten diagnostizieren?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die für den Saugferkeldurchfall verantwortlichen Keime zu diagnostizieren. Am weitesten verbreitet ist die Tupferprobe (Rektaltupfer) bei betroffenen Ferkeln.
Für eine bakteriologische Untersuchung nehmen wir in der Regel zwei Tupferproben. Hier ist es wichtig, dass die Tiere nicht behandelt wurden. Bei Verdacht auf Rotaviren werden fallbezogen mehrere Tupferproben gezogen, die wir für die PCR-Analyse zu zwei Pool-Proben zusammenfassen. Da es sich um eine Viruserkrankung handelt, können auch behandelte Tiere beprobt werden.
Wann ist eine Sektion zu empfehlen?
Die Sektion ist der Goldstandard der Diagnostik. Haben wir es mit einem verlustreichen Krankheitsgeschehen zu tun, sollten unbedingt frisch verendete oder schwer erkrankte Tiere der pathologischen Untersuchung zugeführt werden. Dabei haben wir die Möglichkeit, von betroffenen Darmabschnitten Tupfer- oder Gewebeproben zu entnehmen und weitere mikrobiologische bzw. histologische Untersuchungen durchzuführen.
Aus der Tierärzteschaft hört man, dass immer öfter eine Infektion mit Rotaviren als Durchfallursache ausgemacht wird.
Das kann ich bestätigen. Früher wurde dieser Erreger vor allem bei Jungsauenwürfen oder neu aufgebauten Herden mit instabiler Immunität diagnostiziert. Heute müssen wir feststellen, dass jeder zweite Fall von Saugferkeldurchfall auf Rotaviren zurückzuführen ist.
Wie verläuft eine Rotavirus-Infektion und welche Varianten gibt es?
Bei einer Infektion mit Rotaviren zieht sich das Durchfallgeschehen über mehrere Tage, bevor es in der Regel von alleine abebbt. Die Ferkel wirken oft matt und desorientiert. Häufig sind die Tiere und das Ferkelnest durch den wässrigen, klaren bis gelben Kot stark verschmutzt. Zudem zeigen die Ferkel im Krankheitsverlauf ein hohes Wärmebedürfnis. Sie liegen vermehrt in Haufenlage im Ferkelnest oder direkt an bzw. auf der Sau. Die Verlustraten variieren stark, jedoch sehen wir bei den überlebenden Tieren oft ein verstärktes Auseinanderwachsen.
Aktuell kennen wir die Rotavirustypen A und C. Gegen diese Erkrankung zeigen antibiotische Therapien keine Wirkung.
Welche Vorbeugemaßnahmen sollten die Landwirte ergreifen?
Viele Durchfallerreger befinden sich im direkten Umfeld des Ferkels. Deshalb kommt dem Entfernen des Sauenkots und der Stalldesinfektion eine große Bedeutung zu. Genauso wichtig ist es, dass die Ferkelnester auf ca. 35 °C aufgeheizt sind und die Tiere nicht auskühlen.
Auch die Gabe von Zitronensäure ab dem ersten Lebenstag der Ferkel kann helfen. Diese senkt den pH-Wert im Darm und stabilisiert die Darmflora. Das von uns eingesetzte Präparat wird mit 20 g auf 10 l Wasser eingemischt.
Die Ferkel kommen ohne Immunabwehr zur Welt. Erst mit der Aufnahme der Biestmilch und der darin enthaltenen maternalen Antikörper werden sie passiv vor verschiedenen Erregern geschützt. Deshalb sollte die Impfung der Sauen dem Keimspektrum auf dem Betrieb angepasst sein, um schnell eine belastbare Immunität der Jungtiere zu erreichen.
Höchste Priorität hat eine gute Jungsaueneingliederung. Ohne durchdachtes Impfprogramm und eine Heranführung an das Erregerspektrum im Betrieb kann es gerade bei Jungsauenwürfen zu schwerem Saugferkeldurchfall kommen.
Welchen Einfluss hat die Sauenfütterung auf das Durchfallrisiko?
Wir sehen immer wieder, dass trotz ordnungsgemäß durchgeführter Sauenimpfung der Durchfalldruck hoch bleibt. In solchen Fällen schauen wir uns immer gezielt das Futterkonzept an. Grundsätzlich gilt, je optimaler die Muttertiere rund um die Geburt versorgt werden, desto besser ist die Produktion und Weitergabe des Kolostrums an die Ferkel.
So kann z. B. ein erhöhter Rohfaseranteil dafür sorgen, dass der Kot weicher wird und die Sauen seltener unter MMA leiden. Zudem fressen die Muttertiere gerne rohfaserhaltiges Futter und erreichen früh in der Laktationsphase den Höhepunkt der Futterkurve.
Wie wirksam sind Impfungen gegen Durchfallerreger?
Impfungen sind einer der Eckpfeiler in der Vorbeuge von Saugferkeldurchfall, egal ob eine bakterielle oder virologische Ursache vorliegt. Durch Mutterschutzimpfungen wird das Kolostrum gezielt mit Antikörpern angereichert. Vorausgesetzt, wir haben ein gutes Kolostrummanagement, hilft dies insbesondere gegen Clostridien, Colibakterien und Rotaviren. Bei letztgenanntem Erreger ist zwar zu beachten, dass es derzeit nur eine Impfung gegen Typ A gibt. Dafür kann man neuerdings auf einen handelsüblichen Kombiimpfstoff zurückgreifen, der auch gegen E. coli-Diarrhoe wirkt.
Welche Rolle spielen bestandsspezifische Impfstoffe bei der Prophylaxe?
Diese Impfstoffe gewinnen zunehmend an Bedeutung. Hierbei wird aus den durch z. B. Tupferproben nachgewiesenen bakteriellen und/oder viralen Erregern ein eigener Impfstoff hergestellt.
Dessen Zusammensetzung lässt sich immer wieder an die Erregerveränderung auf dem Betrieb anpassen. Das kommt durchaus vor und wird immer dann nötig, wenn die Tiere trotz erfolgreicher Impfung klinische Symptome zeigen.
Was ist beim Kolostrummanagement zu beachten?
Die Konzentration der Immunglobuline IgG und IgA im Kolostrum sinkt innerhalb von Stunden stark ab. Die Ferkel müssen also möglichst früh viel Kolostrum aufnehmen. Entscheidend dafür ist die Fitness der Sau. Erkrankungen, wie eine Agalaktie, stören massiv die Kolostrumversorgung und damit die passive Immunisierung. Zudem braucht die Sau eine ruhige, stressfreie Umgebung zum Säugen.
Eine gesunde Sau erzeugt in den ersten 48 Stunden rund 2,5 l Kolostrum. Angesichts der Wurfgrößen und Streubreiten bei den Geburtsgewichten ist es eine Herausforderung, dass alle Ferkel in dieser Zeitspanne mindestens 250 g pro Tag davon aufnehmen. Bewährt hat sich das geteilte Säugen, um schwächeren Ferkeln den Zugang zum Gesäuge zu erleichtern. In manchen Fällen zahlt sich auch ein Säuge-Training aus. Dabei werden die Tiere so lange an die Zitzen gehalten, bis sich ein Säugeverhalten etabliert.
Wie sieht die Erstversorgung aus, wenn es trotzdem zu Durchfall kommt?
Bei bakteriellen Infektionen halte ich eine antibiotische Therapie für unerlässlich. Gleiches gilt bei Rotavirus-Infektionen, um bakterielle Sekundärinfektionen zu unterbinden. Unter Umständen bietet es sich auch an, die Sau mit einem Entzündungshemmer zu behandeln.
Oft verenden die Ferkel nicht an der Infektion, sondern am Flüssigkeitsverlust und dem Mangel an wichtigen Körpersalzen. Deshalb empfehlen wir, Elektrolyttränken anzubieten. Wir haben auch gute Erfahrungen damit gemacht, z. B. Kartoffelstärke auf die Liegefläche zu streuen. Das Zusatzfutter bindet die Flüssigkeiten, die sich durch die Durchfallerkrankung im Darm gebildet haben, und der Kot wird wieder fester. Zudem kann es helfen, die Bucht bzw. Liegefläche mit Hygienepulver zu desinfizieren und trocknen.