Unser Autor: Thomas Kornhoff, Gemeinschaftspraxis Dümmerland
Lawsonien können schwerwiegende Darmerkrankungen bei Schweinen auslösen, die weltweit zu hohen wirtschaftlichen Schäden führen. Die Erkrankung firmiert in der Praxis häufig unter Porzine Intestinale Adenomatose (PIA), die eigentlich eine Unterform beschreibt. Der bakterielle Erreger Lawsonia intracellularis ist weit verbreitet und lässt sich in mehr als 90 % der Be- stände in Nordwesteuropa nachweisen.
Typisch für den Erreger sind die unterschiedlichen Erscheinungsformen. Die akute Form heißt Proliferative Hämorrhagische Enteropathie (PHE). Sie betrifft Tiere im Alter von vier bis zwölf Monaten und ist u. a. durch blutigen, teerfarbenen Durchfall gekennzeichnet. Die Tiere verbluten praktisch in den Darm, wodurch in kurzer Zeit bis zu 50 % der akut erkrankten Tiere verenden können. Bei dieser Form gilt es sofort zu handeln.
Die größere Bedeutung für die Praxis haben aber die chronischen Verlaufsformen. Ihr Kennzeichen ist ein dünnbreiiger bis pastöser Kot ohne Bluteinschlüsse, den Landwirte oft als Kleckern bezeichnen. Die Tiere zeigen verminderte Zunahmen, eine schlechtere Futterverwertung und wachsen auseinander.
Bei der chronischen Verlaufsform gibt es drei Unterarten. Sie unterscheiden sich darin, an welcher Stelle im Darm und in welcher Art die Schäden auftreten. Die größte Relevanz beim chronischen Verlauf hat die bereits erwähnte PIA, die bei Schweinen im Alter von sechs bis 20 Wochen auftritt. Weitere chronische Formen sind die Nekrotische Enteritis (NE) und Regionale Ileitis (RI).
Das Fatale ist, dass es in vielen Betrieben zum subklinischen Verlauf kommt. Hier treten die typischen Symptome wie Durchfall und Verluste nicht auf, wodurch das Krankheitsgeschehen oft lange unerkannt bleibt. Dennoch kann der Erreger im Darm erhebliche Schäden verursachen. In vielen Betrieben fällt die Problematik erst auf, wenn sich die Tiere nicht wie gewohnt entwickeln oder blasse Schweine und Kümmerer auftreten.
Schäden an Darmzotten
Lawsonia intracellularis lebt ausschließlich in Darmzellen und ist von seiner genetischen Struktur relativ einfach. Letzteres hat den Vorteil, dass es nur selten zu Mutationen kommt und der Erreger kaum Resistenzen gegen Antibiotika ausbildet. Allerdings ist Lawsonia intracellularis säurefest. Das heißt: Die natürliche Säurebarriere des Magens kann den Erreger nicht aufhalten. Diese Eigenschaft ist bei der Wahl von Desinfektionsmitteln zur Stallreinigung zu beachten.
Der Erreger wird ausschließlich oral aufgenommen. Haltungssysteme mit einem verminderten Schlitzanteil im Boden neigen zu mehr Verschmutzung und sind daher nachteilig.
Das Zielareal des Erregers ist der letzte Abschnitt des Dünndarms, das Ileum. Die physiologischen Schäden verursachen Lawsonien in den unreifen Epithelzellen am Fuße der Darmzotten. Hierdurch kommt es zur unkontrollierten Zellvermehrung. Die Zellteilung wird beschleunigt, gleichzeitig wird die Ausdifferenzierung der Zellen gehemmt. Die von Lawsonien befallenen Zellen lagern sich in mehreren Schichten übereinander und können ihre eigentliche Funktion nicht mehr erfüllen:
- Es kommt zum Verlust von Becherzellen, wodurch die Schleimbarriere als natürlicher Schutz des Darms wegfällt.
- Durch die Verdickung der Schleimhaut ist die Nährstoffaufnahme aus dem Darm ins Blut stark gestört.
- Hierdurch gelangen große Mengen unverdauter Nährstoffe in den Dickdarm, was u. a. die Durchfälle bedingt.
- In der akuten Verlaufsform sind die Gewebeschäden an den Darmzotten so stark, dass es zu Blutungen kommt.
Sektion ist Goldstandard
Bei Verdacht auf eine Infektion mit Lawsonien bestehen verschiedene diagnostische Ansätze. Bei der Untersuchung können ein teerfarbener oder breiiger Durchfall und das Auseinanderwachsen der Gruppen ein Hinweis sein. Allerdings ist die Diagnostik bei den häufig dominierenden subklinischen Verläufen erschwert. Zumal beim Kümmern und inhomogen Tiergruppen auch andere Erreger in Betracht kommen.
Daher sollten auch Kotproben aus verschiedenen Altersgruppen ins Labor geschickt werden. Hier ist mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) ein direkter Erregernachweis möglich. Mithilfe von Blutproben lässt sich der Infektionszeitpunkt eingrenzen.
Der diagnostische Goldstandard bei PIA ist die Sektion. Sie ermöglicht es insbesondere, frühe Erkrankungsstadien zu erkennen. In der Sektion sind die von Lawsonien befallenen Darmabschnitte gut sichtbar. Hier zeigen sich typische, hirnwindungsartige Verdickungen. Hingegen ist ein gesunder Darm feucht, glatt und fast durchsichtig. Rötungen und gelbliche Beläge deuten außerdem auf starke Entzündungsreaktionen hin. In derart geschädigten Darmarealen kommt die normale Nährstoffresorption praktisch zum Erliegen.
Bei erkrankten Tiergruppen hat sich eine antibiotische Behandlung als Sofortmaßnahme bewährt. Sie dient insbesondere dazu, weitere Verluste zu verhindern. Am häufigsten eingesetzt und hoch wirksam ist Tylosin. Aber auch Tiamulin und Lincomycin zeigen eine gute Wirkung. Resistenzen sind bei diesen Wirkstoffen nicht bekannt. Allerdings muss eine antibiotische Behandlung häufig wiederholt werden, da sich die Tiere in unterschiedlichen Infektionsstadien befinden können. Klar ist auch, dass Antibiotika lediglich zur Schadensbegrenzung beitragen. Eine Eradikation von Lawsonien war auf diesem Wege bisher wenig erfolgreich.
Vorbeuge steht im Fokus
Der PIA-Prophylaxe kommt daher eine große Bedeutung zu. In Deutschland sind hierfür zwei Impfstoffe zugelassen:
- Ein Lebendimpfstoff für die orale Verabreichung. Dieser kann in der Ferkelaufzucht und Vormast über die Tränke oder Flüssigfütterung verabreicht werden. Die Anwendung ist relativ einfach, sofern der Betrieb über die notwendige Technik verfügt. Bei der oralen Applikation bleibt jedoch die Frage, ob alle Tiere genug Impfstoff aufgenommen haben.
- Seit 2019 ist ein inaktivierter Impfstoff am Markt. Er kann intramuskulär per Nadel oder intradermal verabreicht werden. Die Einzeltierbehandlung ist aufwendig. Sie bietet aber mehr Sicherheit, dass alle Tiere genug Impfstoff erhalten. Vor allem nach akuten Erkrankungen erhält der inaktivierte Impfstoff oft den Vorzug. Bei Bedarf ist der PIA-Impfstoff mit dem PCV2-Mykoplasmen-Kombiimpfstoff desselben Herstellers gemischt einsetzbar.
Neben der Applikation kommt es auf den richtigen Impfzeitpunkt an. Die meisten Schweine infizieren sich in der Aufzucht. Die PIA-Impfung sollte idealerweise vier Wochen vor der Infektion erfolgen. Der 21-wöchige Impfschutz deckt den Zeitraum bis zum Mastende erfahrungsgemäß sicher ab.
Die Impfung per Injektion setzen die Betriebe oft zum Ende der Säugephase. Während die orale Impfung meist zu Beginn der Aufzucht erfolgt. Einige Mäster behandeln die Ferkel auch zur Einstallung gegen PIA. Diese relativ späte Vakzinierung zeigt in der Praxis in vielen Fällen ebenfalls gute Erfolge.
Für wen sich die Impfung lohnt, ist einzelbetrieblich zu bewerten. Fakt ist: PIA ist eine Erkrankung, die auch in gut geführten Betrieben mit hohen Leistungen auftritt. Der Wunsch nach einem möglichst niedrigen Antibiotikaeinsatz scheint das Problem zu vergrößern.
Insbesondere bei hohen Futterpreisen steigt das Interesse an der Impfung. Denn bei subklinischer PIA scheint eine Verbesserung der Futterverwertung um rund 0,1 Punkte möglich. Die Leistungssteigerung stellt sich aber nicht immer ein.
Erhebung in Praxisbetrieben
Den Nutzen einer PIA-Impfung zeigen Daten aus Kundenbetrieben der Praxis Dümmerland. Betrieb A stellte die Leistungen von 4.000 ungeimpften und 4.000 oral geimpften Tieren gegenüber. Die Tageszunahme lag in beiden Gruppen mit rund 930 g auf hohem Niveau. In der Ausgangslage erzielten die Tiere bereits eine gute Futterverwertung von 1 : 2,7. Diese verbesserte sich durch die Impfung um 0,05 Punkte.
Noch größere Leistungsunterschiede zeigten sich im Betrieb B. Er hat die Daten von 10.000 ungeimpften mit 9.000 oral und 7.800 per Injektion gegen PIA behandelten Schweinen gegenübergestellt. Hervorzuheben ist hier insbesondere der deutliche Rückgang der Verluste von 2,5 auf 1,8 % mithilfe der Injektionsimpfung (siehe Übersicht 1). Dies spricht für ein akutes Krankheitsgeschehen mit PIA-bedingten Ausfällen.
Die per Nadel verabreichte Vakzine brachte im Bestand B trotz des hohen Ausgangsniveaus von gut 940 g einen nachhaltigen Schub bei den Tageszunahmen. Die orale PIA-Impfung führte in diesem Betrieb lediglich zu einer leichten Verringerung der Verluste.
Impfung spart Antibiotika
Überbetriebliche Auswertungen bei Kunden unserer Praxis zeigen außerdem, wie die PIA-Impfung zur Einsparung von Antibiotika beitragen kann. Für die Auswertungen in Übersicht 2 dient 2019 als Referenzjahr. Für das Jahr sind die über die Praxis eingesetzten Mengen des Antibiotikums Tylosin sowie die PIA-Impfdosen auf 100 % gesetzt.
Es zeigt sich, dass der Einsatz der PIA-Impfung bis zum Jahr 2023 auf mehr als das Achtfache gestiegen ist. Im gleichen Zeitraum ging der Einsatz von Tylosin um nahezu 60 % zurück. Die größere Impfdichte hat also zu einer deutlichen Senkung des Antibiotikaeinsatzes geführt.
Neben der direkten Behandlung am Tier ist es wichtig, die Belastung mit Lawsonien im Stall zu verringern. Als gut wirksame Desinfektionsmittel haben sich quaternäre Ammoniumverbindungen erwiesen. Diese sind auch in Kombination mit Aldehyden und Oxidationsmitteln einsetzbar. Eine entscheidende Rolle spielt bei PIA-Problemen auch die Schadnagerbekämpfung. Denn neben Schweinen können zahlreiche andere Tiere ein Reservoir für Lawsonien darstellen.