SUS 6/2023

Karlsruhe beerdigt Tierwohlträumerei

Die Bundesregierung kämpft mit riesigen Haushaltslöchern. Fraglich ist, ob und inwieweit der Umbau der Tierhaltung künftig noch staatlich finanziert wird. Kommentar von SUS-Redaktionsleiter Marcus Arden

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat der Ampelkoalition Mitte November eine herbe finanzpolitische Niederlage zugefügt. Die ursprünglich für die Bekämpfung der Corona-Folgen vorgesehenen 60 Mrd. € hätten nicht in den Klima- und Transformationsfonds verschoben werden dürfen, lautet das Urteil der Verfassungsschützer. Damit fehlt dem Bund nun ein dicker Batzen Geld, und in den kommenden Jahren drohen gewaltige Haushaltslöcher.

Das Urteil der Karlsruher Richter wird Auswirkungen auf die ­Schweinehaltung in Deutschland haben. Stand die staatliche Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung bislang ohnehin auf wackligen Füßen, dürfte künftig gar kein frisches Geld mehr für Außenklimaställe oder andere staatliche Tierwohlträumereien vom Bund zu erwarten sein. Realistisch betrachtet wird es jetzt außer der bisher zugesicherten 1 Mrd. € auf vier Jahre verteilt kein weiteres Haushaltsgeld für den Umbau der Tierhaltung mehr geben. Hinzu kommt, dass auch die Hürden für die Förderung sehr hoch und dadurch für viele Ferkelerzeuger und Mäster wenig interessant sind.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat aber auch etwas Gutes: Die Richterinnen und Richter haben deutschen Schweinehaltern im Gegensatz zur Politik endlich eine Perspektive aufgezeigt. Die heißt: Deutlich höhere Tierwohlstandards rechnen sich nur für Veredler, die die höheren Kosten in der Wertschöpfungskette zurückverdienen können. Wer kein passendes Vermarktungskonzept hat, sollte die Finger davon lassen und bis auf Weiteres nach gesetzlichem Mindeststandard Schweinefleisch produzieren. Eine Alternative kann allenfalls die Haltung nach ITW-Standard sein, weil sich die Branche hier auf ein Finanzierungsmodell über Bonuszahlungen geeinigt hat. Dieses Modell bietet Zukunftschancen, auch wenn der Bonus künftig frei zwischen den Marktpartnern ausgehandelt werden muss.

Ob die Tage höherer Tierwohlstandards in Deutschland endgültig gezählt sind, hängt in Zukunft sehr stark vom Lebensmitteleinzel­handel ab. Die Unternehmenspolitik der Händler entscheidet darüber, was künftig im Regal liegt und was der Schweinehalter produziert. Passt der Preisaufschlag für den Bauern, hat Tierwohlware eine Chance. Passt der Zuschlag nicht, war mehr Tierwohl in deutschen Ställen bloß ein schöner Traum. - SUS 6/2023