Wie lässt sich der Zielkonflikt zwischen Tierwohl und Umweltschutz lösen? Die Firma Schauer Agrotronic will die Lösung gefunden haben und hat gemeinsam mit Experten der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt (HBLFA) Raumberg-Gumpenstein einen besonders emissionsarmen Außenklimastall entwickelt. Doch ist das sogenannte „Natureline“ Konzept emissionstechnisch wirklich so gut, wie Schauer verspricht? Das haben die Wissenschaftler aus Österreich knapp drei Jahre lang ausführlich untersucht. Denn bislang gab es für die Baugenehmigung von Außenklimaställen keine verlässlichen Daten.
Fazit
- Der Natureline Außenklimastall ist deutlich emissionsärmer als ein konventioneller Maststall.
- Durch das Maßnahmenbündel sinken die Ammoniakemissionen um 80 % und Geruch um 95 %.
- Eine Strohentstaubung mit Ölsprühanlage reduziert den Staubgehalt um 51 %.
- Weil keine Ventilatoren verbaut sind, breitet sich Lärm weniger aus.
- Der Minderungseffekt ist mit dem eines Abluftfilters vergleichbar.
- Kontaktgitter zwischen den Buchten sollen die Schweine dazu animieren, wie gewünscht im Außenbereich zu koten.
Federführend betreut wurde das EIP-Agri-Projekt SaLuT (Saubere Luft in der Tierproduktion) von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein unter der Leitung von Eduard Zentner. Darüber hinaus waren die Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik, die Fachstelle für Tierhaltung und Tierschutz, der TÜV Austria, die Landesanstalt für Landwirtschaft Bayern (LfL), das Land Steiermark, die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) sowie die Medizinische Universität Graz beteiligt.
Liege-, Fress- und Kotbereich
Der Versuchsstall steht auf dem Betrieb der Familie Neuhold in der Steiermark. Die insgesamt 850 Mastschweine haben jeweils 1,1 m² Platz. Jede Bucht ist in drei Funktionsbereiche unterteilt, die vollständig überdacht sind (s. Übersicht 1).
Im Inneren des Stalls befindet sich der Liegebereich, bei dem man das Platzangebot durch eine verstellbare Rückwand an die Größe der Schweine anpassen kann. An der Decke ist eine automatische Strohmatic-Einstreuanlage installiert, die den planbefestigten Boden zwei Mal täglich minimal mit Stroh einstreut. Das Stroh wird vorab in einem Ballenauflöser gehäckselt und entstaubt. Um möglichen Staub zusätzlich zu binden, sprühen Düsen nach dem Einstreuen ein paar Sekunden lang Rapsöl in die Buchten.
Der Innenbereich wird über eine Unterflurlüftung unter dem Mittelgang temperiert. An jeder Seite des Stalls angebrachte „Coolpads“ kühlen die Zuluft von April bis Oktober mithilfe von Wasser ab. In den kalten Monaten wärmt den Innenbereich eine Fußbodenheizung, die mit Erdwärme gespeist wird. Über den First gelangt die Abluft wieder nach außen. Die gezielte Temperatursteuerung soll dafür sorgen, dass die Schweine die Funktionsbereiche das ganze Jahr über wie gewünscht einhalten. Außerdem ist der Liegebereich deshalb relativ dunkel.
Über Pendeltüren gelangen die Schweine nach draußen in den Fressbereich. Der Boden ist ebenfalls geschlossen und weist ein Gefälle von 3 % zur Außenwand auf. Die Tiere werden in Multiphasen mit einem eiweißreduzierten Trockenfutter versorgt. Zur Beschäftigung erhalten sie zusätzlich Kräuterpellets.
Der Ausscheidungsbereich ist mit Kunststoffrosten und zum Kontrollgang hin mit einem Kotschlitz ausgestattet. Der Spaltenanteil beträgt etwa 20 % der Gesamtfläche. Kontaktgitter zwischen den Buchten sollen die Tiere zum Abkoten anregen. Hier befinden sich auch die Tränken. An den Außenseiten des Außenbereichs sind Windschutznetze als Schutz vor Zugluft montiert. Die Netze halten zudem Vögel und Schadnager davon ab, in den Stall zu gelangen.
Unter den Spalten im Kotbereich befindet sich eine Kot-Harn-Trennung. Der flüssige Anteil der Ausscheidungen wird über eine Harnrinne in einen Behälter geleitet. Der feste Kot bleibt auf der Mistbahn zurück und wird per Schieber unterflur in einen Container abgelegt.
Ammoniak um 80 % reduziert
Die Untersuchungen im SaLuT-Projekt gliederten sich in mehrere Teilbereiche. Die Abteilung Luftreinhaltung des Amtes der steiermärkischen Landesregierung hat dabei die Ammoniakemissionen und -Immissionen (NH3) gemessen. Im Außenbereich wurde die NH3-Belastung an zehn Messpunkten in allen Windrichtungen und unterschiedlichen Entfernungen (15 bis 250 m) erhoben.
Die Auswertung über die LfL ergab durchweg geringe Ammoniak-Konzentrationen. Laut den Wissenschaftlern ist somit im Nahbereich des Versuchsstalls (135 m) mit keiner negativen Ammoniakbelastung zu rechnen. Auch die Messungen im Stallinneren wiesen in allen drei Funktionsbereichen sehr geringe NH3-Konzentrationen auf.
Die gemessenen Werte lagen sowohl im Inneren als auch im Außenbereich nie über 3,1 ppm (parts per million). Der konventionelle Maststall der HBLFA wies bei Vergleichsmessungen im Schnitt eine NH3-Belastung von bis zu 16,5 ppm auf.
Die Übersicht 2 zeigt die modellierte räumliche NH3-Gesamtbelastung von Januar bis November 2021 in Mikrogramm pro m³ (μg/m³). Bezogen auf die 850 Mastplätze haben die Forscher einen mittleren Emissionsfaktor von 0,73 kg NH3 pro Tierplatz (TP) und Jahr ermittelt. Verglichen mit dem Basisfaktor für einen konventionellen Stall von jährlich 3,64 kg pro TP reduziert sich die NH3-Belastung somit um über 80 %.
Außerdem wurde die Geruchsemission anhand von Rasterbegehungen mit geschulten Probanden bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen und Jahreszeiten ermittelt. Die von den Probanden wahrgenommenen Gerüche waren um ganze 95 % niedriger verglichen mit denen einer konventionellen Haltung.
Einen wesentlichen Effekt auf die Ammoniak- und Geruchsbelastung hat die kühlere Temperatur im Stall – insbesondere in den Sommermonaten. Dafür sorgt die Kühlung durch die Coolpads in Kombination mit der Unterflur-Zuluftführung. Zu jeder Jahreszeit herrschen so optimale klimatische Bedingungen für die Tiere, was neben der Ammoniakreduktion auch das Tierwohl fördert.
Öl bindet Staub
Ein weiterer Aspekt war die Messung der Staub-Konzentration. Denn Staub ist ein wichtiges Trägermedium für Ammoniak und Geruch. Außerdem belastet er die Atemwege von Mensch und Tier. In Ställen mit Stroheinstreu ist die Staubbelastung jedoch besonders hoch.
Im Versuchsstall wird das Stroh deshalb entstaubt und beim Einstreuen über eine Niederdruck-Ölsprühanlage mit Rapsöl besprüht. Die Einstreumenge betrug 50 – 100 g Stroh pro Tier und Tag, das über die Strohmatic-Anlage zwei Mal täglich automatisch eingestreut wurde.
Die Erhebungen wurden sowohl im Stallinneren als auch im Außenbereich durchgeführt. Das Messgerät hing jeweils in der Mitte der Bucht in 1,50 m Höhe. Die Wissenschaftler erfassten so die Partikelzahl und die Staubmassenfraktion zu verschiedenen Zeitpunkten im Jahr.
Dabei stellte sich heraus, dass die Zudosierung des Öls den Staubgehalt um durchschnittlich 48 % senken konnte. In Kombination mit der automatischen Einstreu über die Strohmatic-Anlage reduzierte sich der Staubgehalt um 51 % im Vergleich zur händischen Einstreu ohne Öl. Bei besonders aktiven Tieren und niedrigen Luftraten war die Konzentration jedoch tendenziell höher. Auch bei hoher Luftfeuchte stieg die Staubbildung.
Im Herbst und Winter war die Partikelanzahl ebenfalls höher, was die Experten auf die niedrigere Luftrate und den höheren Feuchtegehalt der Luft zurückführen. In den wärmeren Sommermonaten fiel die Belastung im Stall niedriger aus. Dies begründen die Forscher durch eine intensivere Belüftung des Stalls.
Wenig Bioaerosole
Weitergehend haben Experten der Medizinischen Universität Graz im Projekt die Konzentration von Bioaerosolen gemessen. Dazu zählen z. B. Bakterien und Viren, die als Krankheitserreger eine wichtige Rolle für die Tiergesundheit spielen. Das Hauptaugenmerk lag im Projekt auf der Ansammlung von Staphylokokken (Staphylococcus aureus). Diese Bakterien sind als Leitparameter für die Erfassung besonders geeignet, weil sie relativ konstant auf der Haut und Schleimhaut von Schweinen auftreten.
An neun Messtagen und sechs Messstellen haben die Wissenschaftler Luftkeimmessungen im und um das Stallgebäude vorgenommen. Ebenso wurde die Anzahl der Gesamtbakterien (grampositive Bakterien) erfasst. Dazu haben die Wissenschaftler über ein Jahr lang Abstriche an der Nackenfalte bzw. an der Nase und Stirn der Schweine sowie an den Wänden der Buchten entnommen.
Die Wissenschaftler stellten im Stallinneren im Vergleich zu ähnlichen Messungen in einem konventionellen Maststall mit ähnlicher Tierzahl niedrigere Bakterienkonzentrationen fest. Im Inneren war die Konzentration höher als an den Außenmessstellen in 25 bis 300 m Entfernung zum Stall. Doch bereits im Nahbereich des Auslaufs verdünnte sich die Staphylokokken- und Gesamtbakterienkonzentration durch die Umgebungsluft. Dadurch rechnen die Wissenschaftler nicht mit relevanten Zusatzimmissionen von Bioaerosolen durch den Stall.
Lärm breitet sich weniger aus
Darüber hinaus haben die Forscher aus Raumberg-Gumpenstein die Lärmbelastung des Stallsystems mithilfe von Schallpegelmessgeräten ermittelt. Die Messungen wurden im Innenbereich sowie im nördlichen Auslaufbereich durchgeführt.
Dabei zeigte sich, dass die Schallemissionen im untersuchten Außenklimastall ähnlich hoch wie bei einem zwangsbelüfteten System sind. Im für die Untersuchung relevanten Tages- und Abendzeitraum (06.00 – 19.00 Uhr bzw. 19.00 Uhr – 22.00 Uhr) lag der Schallleistungspegel für ein Tier im Durchschnitt bei 61 dB.
Ergänzend dazu haben die Wissenschaftler die Ausbreitung des Schalls berechnet. Der Lärm breitete sich beim Natureline Stall mit etwa 50 m jedoch nur etwa halb so weit aus als bei einem konventionellen Maststall mit ca. 92 m (siehe Übersicht 3). Die Forscher erklären dies dadurch, dass im Außenklimastall keine Ventilatoren verbaut sind, die den Schall ansonsten stark verbreiten.
Jedoch treten im Nahbereich des Versuchsstalls im Vergleich zum zwangsbelüfteten Stall stellenweise auch höhere Schallemissionen auf. Dies liegt an der Zuluftführung der Unterflurlüftung. Im lauteren, rot-orangenen Bereich saugen zwei Ventilatoren über Schächte frische Luft in den Stall.
Saubere Buchten und Tiere
Neben den Emissionen und Immissionen haben die Wissenschaftler der HBLFA auch die Auswirkungen auf das Tierwohl untersucht. Dazu haben sie unter anderem die Verschmutzung der Buchten und der Schweine bonitiert. Denn ein sauberer Liegebereich senkt die Emissionen und fördert die Tiergesundheit.
Sie kamen zu dem Schluss, dass der Liegebereich von den Schweinen wie gewünscht genutzt und sauber gehalten wird. Auch die Tierverschmutzung war insgesamt gering. Allerdings stellten sie fest, dass die Verschmutzung an Tagen mit einer Temperatur von über 20 °C tendenziell höher war. Dies unterstreicht die besondere Bedeutung des Kühlsystems für die Einhaltung der Funktionsbereiche, so die Experten.
Insgesamt bewerten die Wissenschaftler das Konzept als tiergerechtes Stallsystem, das sich auch für die Haltung von Schweinen mit Ringelschwanz eignet.
Wie geht es weiter?
In ihrem Abschlussbericht kommen die Wissenschaftler der HBLFA Raumberg-Gumpenstein zu dem Schluss, dass der emissionsmindernde Effekt im Nature–line Stallkonzept mit dem einer Abluftreinigung vergleichbar ist. Als besonders emissionsmindernd lassen sich somit die folgenden Maßnahmen belegen:
- Kot-Harn Trennung
- Reduktion der emittierenden Flächen durch die Funktionsbereiche
- Optimal klimatisierter Liegebereich
- Unterflur-Zuluftkühlung
- Überdachter Auslauf
- Strohentstaubung
- Eiweißreduzierte Fütterung
Die positiven Emissionswerte wurden von den österreichischen Behörden mittlerweile vollständig anerkannt, sodass sie nun auch auf andere Standorte übertragen werden können. So sind sie bereits in mehrere Genehmigungsverfahren für Stallbauten in Österreich eingeflossen. Die Experten arbeiten derzeit daran, dass die Daten künftig auch bei Stallbauten in Deutschland angewendet werden können. Außerdem wurden die Ergebnisse in verschiedenen Merkblättern zusammengefasst, an denen sich bauwillige Schweinehalter orientieren können. Schauer betont, dass sich das Konzept nicht nur für Neubauten wie auf dem Versuchsbetrieb eignet. Es kann auch als günstigere Umbaulösung umgesetzt werden.
Video zum Projekt auf SUSonline.de