Fazit
Die Marktanteile der Vaterrassen sind regional sehr unterschiedlich.
Die Unterschiede zwischen Piétrain und Duroc bei Schlachtkörper und Zunahmen sind geringer geworden.
Jede Genetik hat auch künftig ihre Daseinsberechtigung.
Alle Zuchtunternehmen investieren in die Forschung und Entwicklung von Gesundheits-, Robustheits- und Verhaltensmerkmalen.
Die Genetik allein wird den Ringelschwanz nicht ermöglichen können.
Die Duroc-Nachkommen erreichten 50 g höhere Zunahmen als die Piétrain-Tiere.
Jahrzehntelang war der Piétrain-Eber der unangefochtene Spitzenreiter bei den Vaterrassen. Doch seit einigen Jahren trumpfen Durocs und synthetische Linien groß auf. Wie sich die Marktanteile in den vergangenen vier Jahren entwickelten, haben wir bei allen Besamungsstationen in Deutschland abgefragt.
Übersicht 1 zeigt, dass die Nachfrage nach Piétrain-Endstufenebern an allen KB-Stationen – abgesehen von Bayern-Genetik im Süden – abgenommen hat. Besonders groß ist der Rückgang bei der Schweinebesamung Weser-Ems (SWE) im Nordwesten, die 2023 rund 1,45 Mio. Spermatuben verkauft hat. Hier hat der Piétrain seinen Anteil von 79 % in 2020 auf 39 % in 2023 halbiert. Der Duroc hingegen konnte den Spermaabsatz nahezu verdoppeln und lag 2023 Kopf an Kopf mit dem Piétrain. „Dieser Trend wird sich vermutlich fortsetzen“, prognostiziert Johannes Korfhage von der SWE.
Einen rasanten Aufstieg haben in den vergangenen Jahren auch die synthetischen Linien hingelegt, also Eber, die meist aus zwei unterschiedlichen Rassen gekreuzt und dann züchterisch weiter bearbeitet worden sind. Bei der GFS hielten sie 2023 einen Anteil von 15 %, bei der SWE waren es bereits 24 %.
Piétrain dominiert im Süden
Gänzlich anders als im Nordwesten zeigt sich das Bild in Süddeutschland: Bei der Bayern-Genetik kommt der Piétrain nach wie vor auf einen Marktanteil von knapp 100 %. Das kleine Zwischenhoch des Duroc im Jahr 2022 ist wieder abgeflacht. Auch beim BVN hält der Piétrain einen Anteil von knapp 80 % an allen verkauften Spermatuben bei den Endstufenebern. Hier liegen die Durocs und synthetischen Linien gleichauf bei rund 10 %.
Für die nächsten Jahre erwarten die befragten Vertreter der KB-Stationen, dass das Angebot an Ebergenetiken vielfältig bleiben wird. Überwiegend einig waren sie sich, dass jede Genetik ihre Daseinsberechtigung hat. Vermutlich werde sich deutschlandweit betrachtet ein Marktanteil von 50 bis 60 % für die Piétrain-Eber, 30 bis 35 % für die Duroc-Vererber und 10 bis 15 % für die synthetischen Linien einstellen – mit großen regionalen Unterschieden.
Allerdings sei der Markt im Schweinebereich schnelllebig, warnt Silvia Zinner vom BVN: „Es ist in den letzten Jahren mehrfach vorgekommen, dass eine Genetik nachgefragt worden ist und ein Jahr später wollte diese fast keiner mehr.“ Laut Susanne Rohde von der GFS kommt es vor allem darauf an, wie sich die Masken an den Schlachthöfen entwickeln werden.
Verschiedene Märkte
Die Analyse der KB-Zahlen zeigt also, dass unser Land in Süden und Nord/Nordwest gespalten ist hinsichtlich der Frage, welches die beste Vaterrasse ist. Warum ist das so?
Ganz entscheidend für die Wahl der Ebergenetik ist die Vermarktung. Im Süden ist die Metzger- und die Thekenvermarktung über die großen Vollsortimenter im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) nach wie vor sehr bedeutend. Hier punkten Piétrain-Nachkommen mit ihrer sehr guten Fleischfülle. Die Teilstücke Schinken, Lachs, Schulter und Bauch passen bei guter Sortierung am besten zur AutoFOM-Klassifizierung, sodass hohe Indexpunkte möglich sind.
Im Norden und Nordwesten werden die Schweine hingegen weniger nach Indexpunkten, sondern nach Muskelfleischanteil (MFA) bezahlt. Bei der FOM-Klassifizierung mit Halbschale (MFA-% AutoFOM) erreichen inzwischen auch die Duroc-Nachkommen einen marktkonformen Wert. Die früher übliche Verfettung der Schlachttiere, insbesondere beim Bauchfleischanteil, findet laut Branchenkennern kaum noch statt.
Züchterisch hat sich der Duroc damit in den vergangenen Jahren in puncto Schlachtkörper weiterentwickelt – wobei es zwischen den verschiedenen Linien innerhalb der Rasse noch große Unterschiede geben kann. Ferkelerzeuger sollten deshalb bei der Eberauswahl umsichtig sein. Laut Dr. Stephan Welp vom BHZP findet man besonders beim Schinkenanteil und der Fleischtiefe noch deutliche Unterschiede zwischen Durocs oder synthetischen Linien und dem Piétrain.
Die Achillesferse der Piétrains waren bislang die im Vergleich zum Duroc geringeren Tageszunahmen. In der Breite konnten sie in diesem Merkmal jedoch in den vergangenen Jahren zulegen. Einzelne, speziell auf Wuchs selektierte Piétrain-Linien kommen mittlerweile sogar an die Aufzuchtleistung der Durocs heran. Und das biologische Wachstums-Plateau sieht Christine Noack von German Genetic noch nicht erreicht.
Vaterrassen ausgewertet
Dass sich die beiden Ebergenetiken angenähert haben, zeigt auch eine Auswertung der VzF GmbH Uelzen nach Vaterrassen (s. Übersicht 2). Im Wirtschaftsjahr 2022/23 erzielten die Duroc-Herkünfte im Schnitt 50 g höhere Tageszunahmen als die Piétrain-Nachkommen. Trotz der deutlich höheren Futteraufnahme der Duroc-Tiere war – bedingt durch die sehr hohen Zunahmen – auch die Futterverwertung etwas besser. Im Hinblick auf den Schlachtkörper schnitten hingegen die Piétrain-Tiere mit höheren MFA-Werten besser ab.
Bei der ökonomischen Auswertung weist der VzF einschränkend darauf hin, dass einige ökonomische Parameter nicht durch die Genetik bedingt sind. So kauften die Betriebe mit Piétrain-Herkünften günstigere, aber auch leichtere Ferkel ein und erzielten höhere sonstige Erträge. Die Duroc-Betriebe kauften günstiger Futter ein. Zusammen mit der besseren Futterverwertung hatten sie dadurch niedrigere Futterkosten, was neben den etwas höheren Erlösen und dem höheren Verkaufsgewicht zu einer Überlegenheit in den Direktkostenfreien Leistungen im Vergleich zu Betrieben mit Piétrain-Tieren führte.
Festzuhalten bleibt laut VzF, dass auch besonders das Management eine wichtige Rolle für erfolgreiches Wirtschaften spielt. Nicht jede Genetik passt zu jedem Betrieb und Aspekte wie Fütterungsstrategie und Verkaufsmanagement sollten auf die jeweilige Genetik abgestimmt sein.
Zukünftige Anforderungen
Wie sehen die künftigen Anforderungen an die Endstufeneber also aus? An erster Stelle müssen sie auch in Zukunft durch marktkonforme Mast- und Schlachtleistungen überzeugen – diese Kriterien spielen wirtschaftlich betrachtet die größte Rolle. In puncto Klimaeffizienz und Nachhaltigkeit wird die Futterverwertung noch entscheidender werden.
Alle Zuchtunternehmen investieren zudem in die Forschung und Entwicklung von Gesundheits- und Robustheitsmerkmalen. Züchterisch im Fokus sind auch Verhaltenseigenschaften und das Handling der Nachkommen. Barbara Berger von PIC unterstreicht: „Vor dem Hintergrund begrenzter Arbeitskapazitäten ist es außerdem wichtig, die Funktionalität der Tiere im Blick zu haben, sodass Schweinehalter zuversichtlich und gelassen sein können.“
Doch diese funktionalen und sozialen Merkmale stellen hohe Ansprüche an die Zucht, weil sie nur zu einem geringen Grad vererbbar sind. Genomische Selektion verbunden mit Bildanalyse und Künstlicher Intelligenz bringen zwar einen entscheidenden Durchbruch, bedeuten aber auch einen enormen Aufwand. Zudem wichtig: „Selbst wenn genetische Variationen identifiziert werden, müssen Korrelationen zu anderen Verhaltensweisen berücksichtigt werden, um nicht ungewollt auf unerwünschte Eigenschaften zu selektieren“, stellt Dr. Jan Bielfeldt von PIC klar.
Hinzu kommt, dass die Unternehmen bei der Zuchtarbeit stets die ganze Kette der Schweineproduktion im Blick haben müssen. Teilweise haben KB-Stationen, Ferkelerzeuger, Mäster, Schlachter und der LEH gemeinsame Anforderungen an die Vaterrassen, teilweise gibt es Merkmale, die nur für eine Stufe relevant sind.
So besteht beispielsweise aus Sicht der Besamung bei manchen Eberlinien noch züchterischer Bedarf in puncto Spermaqualität. Teilweise wären auch korrektere Fundamente wünschenswert.
Vital, robust und gesund
Für die Sauenhalter sind lebensstarke, vitale Ferkel, geringe Verluste in der Säugezeit und Aufzucht wichtige Kriterien bei der Eberauswahl. Viele berichten, dass die Nachkommen von Duroc- und synthetischen Ebern hier einen Vorteil gegenüber Piétrain-Herkünften haben. Zuchtunternehmen, die überwiegend Piétrain-Linien im Portfolio haben, fokussieren sich in ihrer Zuchtarbeit deshalb verstärkt auf die paternale Fruchtbarkeit.
Wünschenswert für jeden Ferkelerzeuger sind zudem Vaterlinien, die keine bzw. wenig Anomalien vererben. Die Anomalienprüfprogramme mancher KB-Stationen sind ein wirksames Instrument, um Eber aufzuspüren, die über- oder unterdurchschnittlich viele Brüchlinge und Binneneber vererben.
Bei der Zucht auf Gesundheit und Widerstandsfähigkeit sind die Coli-Resistenzen (Coli F4 und F18) weitere wichtige Bausteine, so Angela Brugger von der bayerischen Züchtervereinigung EGZH. Aktuell sind an deutschen KB-Stationen bereits einige genetisch Coli-resistente Eberlinien verfügbar.
Großes Thema Ringelschwanz
Ein wichtiges Thema in Deutschland bzw. in Nordwesteuropa ist die Haltung von Schweinen mit Ringelschwanz. Für die Zuchtunternehmen steht die große Frage im Raum, welchen Beitrag sie leisten können, um Tiere mit intaktem Schwanz aufzuziehen. Dabei spielen unerwünschte Verhaltenseigenschaften eine Rolle, beispielsweise die Neigung zum Beißen (Täter) oder die Duldung von Beißereien (Opfer). Um diese Verhaltensmuster zu erkennen und zu verstehen, ist die Nutzung von KI sehr hilfreich.
Aktuellen Beobachtungen zufolge kommen ruhige, robuste Tiere mit einer gewissen Speckauflage besser mit der Langschwanz-Haltung zurecht. Die Zuchtunternehmen haben das erkannt und bieten gewisse „entspannte“ Vaterrassen an. Wichtig ist zudem, immer die gesamte Kombination aus Sau und Eber zu betrachten.
Neben unerwünschtem Täter-/Opfer-Verhalten ist auch die Anfälligkeit für das Entzündungs- und Nekrosesyndrom des Schweins (SINS) relevant, das als Auslöser für sekundäres Beißen gilt. Aktuelle US-amerikanische Studien belegen eine Erblichkeit für das Syndrom von 20 %. Viele Zuchtunternehmen forschen deshalb zu diesem Thema.
Aktuell scheint es, dass einzelne Duroc-Linien im Vergleich zu anderen Rassen eine geringere Neigung zu Schwanznekrosen haben. Laut Stefan Derks von DanBred könne der Eber das Risiko für Nekrosen zwar reduzieren, leiste aber insgesamt einen vergleichsweise kleinen Beitrag. Seiner Ansicht nach sind hauptsächlich Fütterungsfaktoren entscheidend, insbesondere die bedarfsgerechte Ernährung der Sauen während der Trächtigkeit. Deshalb sind bei Betrieben, die Ferkel mit unkupierten Schwänzen halten, alle Genetiken anzutreffen, so Derks weiter. Auch Armin Prosteder von Bayern-Genetik unterstreicht das: „Nach bisheriger Erkenntnis wird die Genetik alleine den Ringelschwanz nicht bewerkstelligen können.“
Fleischqualität verbessern?
Nicht wenige in der Schweinebranche wurmt es, dass die Verbraucher beim Rindfleisch bereit sind, hohe Preise für beste Qualität zu zahlen, während diese Bereitschaft beim Schweinefleisch fehlt bzw. das Angebot an besseren Qualitäten sehr überschaubar ist. Manche Zuchtunternehmen haben bereits spezielle Eber im Portfolio, die geschmacklich „besseres“ Fleisch vererben – aufgrund eines sehr hohen intramuskulären Fettanteils.
Bislang fristen diese Eber in Deutschland noch ein Nischendasein in regionalen Programmen. Denn laut Stefanie Nuphaus von Topigs Norsvin gibt es nur in begrenztem Umfang Käufer, die bereit sind, mehr Geld für dieses Fleisch auszugeben. In der Masse werde Fleischqualität weder gemessen noch honoriert, da viele Konsumenten preisorientiert einkaufen.
Blickt man auf Europa, hat laut Dr. Peter Heinrichs von Hypor die Schweinefleischqualität vor allem im Süden einen hohen Stellenwert – in Italien mit dem Parmaschinken und in Spanien mit dem Iberico-Fleisch. Seinen Beobachtungen nach gewinnt sie aber sukzessive auch in Nord-West-Europa an Bedeutung.