Insektenlarven als Proteinfutter für Schweine

Die Branche sucht Alternativen zum Import-Soja. Wolfgang Westermeier von FarmInsect erklärt, welche Möglichkeiten Insektenproteine bieten.

Die weltweite Nachfrage nach Insektenprotein für Futterzwecke dürfte in den kommenden zehn Jahren deutlich zunehmen. Davon geht die Rabobank in einer aktuellen Studie aus. Die niederländischen Marktanalysten beziffern den voraussichtlichen globalen Bedarf für das Jahr 2030 auf insgesamt 500 000 t – das wäre fünfzigmal so viel wie das aktuelle Marktvolumen.

Das Ziel ist, Reststoffe aus der Lebensmittelindustrie möglichst effizient in In­­sektenbiomasse umzuwandeln. Beson­deres Potenzial wird in der Kreislauf­wirtschaft bei der Kombination von Insektenzucht und landwirtschaftlichen Biogas­anlagen gesehen: Abwärme aus Biogasanlagen ließe sich für die Insektenzucht nutzen, Reststoffe aus der Zucht könnten wiederum in der Biogasanlage verwertet werden.

Eines der meistuntersuchten Futter­insekten ist die Schwarze Soldatenfliege (Hermetia illucens). Das Start-up-Unternehmen FarmInsect in der Nähe von München baut derzeit eine solche Insektenzucht auf und berät Landwirte. SUS sprach mit Geschäftsführer Wolfgang Westermeier über die Perspektiven als neue Proteinquelle.

Kann Insektenmehl das Soja im ­Schweinefutter ersetzen?

Ja! Insektenprotein ist eine sehr hoch­wertige Futterkomponente und von der Aminosäuren-Zusammensetzung vergleichbar mit Fischmehl. Das heißt, Insekten können sowohl Soja als auch ­tierische Eiweißträger in der Ration er­­setzen.

Sehen Sie Insektenprotein als Massen­futter oder eher als Spezialprodukt?

Aktuell ist es eher noch ein Spezialprodukt, welches Fischmehl oder Biosoja ersetzt. Dies ändert sich jedoch gerade. Die Insektenzucht wird immer effizienter, während der Preis für Soja zunehmend steigt. Deshalb werden sich Insekten in den nächsten Jahren mehr und mehr zum Massenfutter entwickeln.

Werden gleich gute Leistungen erzielt?

Das Insektenmehl der Schwarzen Soldatenfliegenlarve ist aus ernährungsphy­siologischer Sicht geeignet, bis zu 100 % des Sojaschrotes für Ferkel und Mastschweine zu ersetzen. Allerdings immer unter Berücksichtigung einer adäquaten Aminosäurenergänzung. Unter diesen Voraussetzungen gibt es keine Unterschie­de, weder bei der biologischen Leistung noch bei der Schlachtkörperqualität.

Gibt es zusätzliche Effekte?

Ei­­nige Studien zeigen, dass sich die Fütterung mit Insektenprotein positiv auf das Tierwohl auswirkt und z. B. Schwanzbeißen reduziert. Eine Vielzahl an Immunpeptiden können die Tiergesundheit zu­­sätzlich verbessern. Die Verwendung von Larven der Schwarzen Soldatenfliege als Proteinzutat könnte somit der Gesundheit und Produktivität von Zuchtschweinen zugutekommen.

Warum eignet sich die Larve der ­Soldatenfliegen besonders?

Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege können von allen in der EU zugelassenen Insektenarten das breiteste Futtermittelspektrum verarbeiten. Das ist wichtig, um möglichst viele regionale Reststoffe verwerten zu können. Zusätzlich kommen die Larven auch mit feuchten Futtermitteln sehr gut zurecht und haben den kürzesten Mastzyklus.

Wie ist die rechtliche Grundlage?

Die Schwarze Soldatenfliege ist seit 2017 als Nutztier in der EU zugelassen. Seither dürfen die Larven in unverarbeiteter Form, also lebend oder tiefgefroren, an Hühner, Schweine und Fische verfüttert werden. Bereits seit 2017 war die Fütterung des verarbeiteten Insektenproteins bei Aquakulturen zugelassen, was seit September dieses Jahres nun auch bei Schweinen und Hühnern möglich ist.

Womit werden die Insektenlarven ­täglich gefüttert?

Die Futtergrundlage unterscheidet sich regional und nach Saison. In der Regel basieren die Rationen auf ein bis zwei gut lagerbaren Trockenkomponenten aus der Lebensmittelindustrie wie z. B. Weizenkleie. Diese werden dann je nach Saison und Verfügbarkeit mit regionalen Reststoffen, z. B. Schälreste, Fallobst, Altbrot, Biertreber etc., gemischt, um eine ausgewogene und wirtschaftliche Fütterung zu erreichen. Bei der Optimierung der Rationen für die Larven helfen wir den Landwirten.

Warum der Umweg über die Larve?

In der Schweinemast sind die Einsatzmengen von Nebenprodukten meist be­­grenzt. Die Insekten können auf Basis von 100 % Reststoffen eine gute Wachstumsleistung erzielen. Dabei sind sie in der Lage, bis zu 90 % des Proteins aus den Reststoffen zu extrahieren und in Biomasse umzu­setzen.

Wandeln Insekten darüber hinaus auch nicht essbare Biomasse um?

Das natürliche Habitat der Schwarzen Soldatenfliege ist Dung. Daher kann sie theoretisch ein sehr breites Futterspektrum bis hin zu faserhaltigen Substraten wie Cellulose verwerten. Doch dann verschlechtert sich die Futterverwertung bzw. die Mastdauer der Larven verlängert sich. Optimal sind also höhere Protein­gehalte in der Mischung.

Wie schnell wachsen die Larven?

Unser Programm ist auf einen Mastzyklus von einer Woche ausgelegt. In diesem Zeitfenster vergrößern die Larven ihr Gewicht um den Faktor 250. Die Futterverwertung liegt je nach Ration im Bereich von 1,3 bis 1,8, bezogen auf eingesetzte Trockensubstanz zur Larvenfrischmasse. Die Trockensubstanz der Larven liegt dabei im Bereich von 30 %.

Welche Produkte und Leistungen ­bietet Ihr Unternehmen an?

Wir haben ein Anlagenkonzept für au­­tomatische Mastanlagen. Damit können Landwirte die Mast regional bei ihnen auf dem Hof durchführen. Jeder dieser Landwirte wird mit der passenden Menge an Jungtieren beliefert. Aktuell haben wir einen ehemaligen Ferkelbetrieb gepachtet und für die Produktion von Junglarven umgebaut. Perspektivisch werden wir bis zu 100 regionale Mastanlagen beliefern können.

Wie alt sind die Junglarven?

Die Jungtiere sind ca. sieben Tage alt und gerade so groß, dass man sie mit dem bloßen Auge erkennen kann. Sie werden in einer klimatisierten Transportbox per Spedition transportiert. In der Regel werden verschiedene Altersklassen in einer Sendung verschickt, um die Transportkosten auf ein Minimum zu redu­zieren.

Wie teuer kommt eine solche Mastanlage?

In den meisten Fällen werden ehemalige Ställe dafür bereitgestellt. Die Silos, Güllegrube, Lüftungsanlage und ggf. Tei­le der Fütterungsanlage können weiter genutzt werden. Es ist aber auch möglich, die Insektenproduktion in einer Halle durchzuführen. Die Mastanlagen sind modular aufgebaut. Oftmals wir zunächst eine kleinere Anlage aufgestellt und später zusätzliche Klimakammern installiert und dazugeschaltet. Dennoch muss man mit Investitionskosten von 250 000 € und mehr rechnen.

Warum so teuer?

Die Mastanlage ist hochgradig automatisiert. Mit einem Tag Arbeit pro Woche können ca. 150 t Insektenlarven pro Jahr erzeugt werden. Die Anlage ist komplett mit Sensoren überwacht und kann per App jeder Zeit aus der Ferne kontrolliert bzw. gesteuert werden. Je nach Anlagengröße amortisieren sich die Investitionen bereits nach wenigen Jahren.

Wie hoch sind die laufenden Kosten?

Die laufenden Kosten setzen sich aus ca. 30 % Futtermittel, 20 % Energie/Wärme, 15 % Lohnkosten und 35 % Jungtiere zu­­sammen. Die absolute Höhe hängt immer von der Anlagengröße ab. Wir kalkulieren mit Kosten von 1 000 € für eine Tonne getrocknete Insekten mit einem Proteingehalt von 50 % in der ­Trockensubstanz. Hinzu kommen die Abschreibungen für die Anlage. Damit liegen die Gesamt­kosten unter dem Preis für Fischmehl, aber deutlich über dem von konventionell erzeugtem Sojaschrot.

Haben Biogasbetriebe Vorteile?

Mit einer Biogasanlage ergeben sich eini­­ge Kopplungseffekte. Die Ab­­wärme der Biogasanlage reduziert die laufenden Kosten für die Insektenmast um bis zu 15 %. Es bietet sich zudem eine Kaskadennutzung des Substrats an. Das heißt, dass die Maissilage z. B. erst den Larven als Futter gegeben wird. Der übrig gebliebene Fraß bietet immer noch ein sehr hohes Biogaspotenzial.

Ist Insektenprotein etwas für Biobetriebe?

Ab nächstem Jahr können die Insekten auch in EU-Bioqualität produziert werden und stellen dann auch eine interessante Alternative für Bio- bzw. GVO-freies Soja dar. Gerade in der Ferkelaufzucht wären positive Effekte zu erwarten.

Kann die Herstellung von Proteinfutter eine Einkommensalternative sein?

Einige Landwirte wollen eigenes Proteinfutter erzeugen und verfüttern die Larven direkt. Aktuell planen wir aber auch Anlagen für Betriebe, die die Schweinemast Stück für Stück aufgeben und in die Produktion von Insektenprotein einsteigen wollen. So kann die vorhandene In­­frastruktur weiter genutzt werden. Durch die Automatisierung der Mastanlage re­­duziert sich der Arbeits- und Managementaufwand erheblich.

Sollten diese Betriebe die Abnahme ihres Proteinfutters vertraglich regeln?

Da der Markt aktuell noch sehr jung ist, sind hier viele Möglichkeiten offen. Es gibt viele, die sich eigene Absatzwege erschließen. Wir können unseren Kunden aber auch bei der Vermittlung des Absatzes behilflich sein.

Fazit

  • Insektenprotein ist ein nachhal­tiges, proteinreiches Futtermittel, welches regional produziert werden kann.
  • Im Fokus steht die Rückführung von Nebenprodukten der Lebensmittelindustrie in den Stoffkreislauf.
  • Der schrittweise Ausbau der ­Insektenmehl-Produktion wird die Erzeugungs­kosten senken.
  • Interessierte Landwirte brauchen eine gute Beratung und Betreuung rund um die Produktionsprozesse.