Die Schweinebranche hat über viele Jahre dafür gekämpft, wieder Tiermehl verfüttern zu dürfen. Vor knapp zwei Jahren schlug man den Knoten endlich durch und das im Zuge der BSE-Krise verhängte Einsatzverbot wurde durch eine Gesetzesnovellierung aufgehoben.
Die deutschen Veredlungsbetriebe haben vor allem aus zwei Gründen auf die Wiederzulassung von Nebenprodukten tierischen Ursprungs in der Schweinefütterung gedrängt. Zum einen überzeugen tierische Proteinlieferanten, wie Geflügel- und Fischmehl, in der Tierernährung durch ihre hohe Verdaulichkeit. Zum anderen werden diesen Futterkomponenten positive Effekte auf das Verhalten der Tiere nachgesagt. Und gerade dieser Aspekt gewinnt angesichts der Diskussionen um einen flächendeckenden Kupierverzicht für die Praktiker immer stärker an Bedeutung.
Hohe Verdaulichkeit
Der Einsatz von Tiermehlen in der Schweinefütterung ist mit klaren Gesetzesvorgaben verbunden. So gilt ein striktes Intraspezies-Verfütterungsverbot. Das bedeutet, dass z.B. Tiermehl mit dem Ursprung Geflügel an Schweine verfüttert werden darf, mit dem Ursprung Schwein aber nicht. Zudem besteht eine Nulltoleranzregel gegenüber Rückständen. Das bedeutet industrielle Mischfutterhersteller müssen garantieren, dass sie in einem Werk entweder nur Schweinefutter produzieren oder die Futterlinien für unterschiedliche Tierarten penibel getrennt halten. Nur 10% der Mischfutterbetriebe erfüllen diese Voraussetzungen.
Die Vorgaben bzw. Zulassungskriterien für selbst mischende Schweine- oder Geflügelhalter, die nur eine Tierart halten, sind weniger streng. Die genauen Zulassungskriterien sollten die Landwirte allerdings bei der zuständigen Behörde für die amtliche Mischfutterkontrolle erfragen.
Betriebe, die den Mehraufwand in Kauf nehmen, können beim Einsatz von tierischem Futterprotein von einigen ernährungsphysiologischen Vorteilen profitieren. So weist es eine hohe Verdaulichkeit auf und ist dem zu bildenden Körperprotein ähnlicher als pflanzliches. Durch die höhere biologische Wertigkeit lassen sich bei der Futterkonzeption mit verhältnismäßig niedrigen Einsatzmengen die Zielvorgaben beim Rohprotein und den Aminosäuren erreichen.
Außerdem liefern Tiermehle je nach Produkt und verarbeitetem Knochenanteil auch viel Calcium, Natrium, Phosphor und fettlösliche Vitamine. Nicht zu vergessen sind Inhaltsstoffe wie z.B. Carnitin, die den Energiestoffwechsel fördern und in pflanzlichen Futtermitteln nicht enthalten sind.
Futter als Stressfaktor
Die Schweinehalter erhoffen sich zudem positive Effekte auf das Tierverhalten. So zeigen wissenschaftliche und praktische Beobachtungen, dass die auf Futteraufnahme gezüchteten Schweine in Stresssituationen schnell zu einem übertriebenen Sozial- oder Futtersuchverhalten neigen. Im schlimmsten Fall artet das in einer Verhaltensstörung wie dem Schwanzbeißen aus.
Auf den Betrieben zählen vor allem gesundheitliche Probleme zu den häufigsten Ursachen für Stress. Darauf folgt dann aber auch schon die Fütterung, die aus unterschiedlichen Gründen das Auftreten negativer Verhaltensweisen begünstigen kann. Besonders gefährdet sind Jungtiere. In Leistungstests werden nicht selten in der letzten Aufzuchtwoche Tageszunahmen von bis zu 1.000 g erreicht. Oft fressen die Ferkel bei diesem Leistungsniveau mehr, als sie verdauen können. Mit der Folge, dass gerade in dieser Produktionsphase Probleme mit nekrotischen, blutigen Veränderungen der Schwänze und Entgleisungen des Tierverhaltens auftreten.
Vor diesem Hintergrund haben wir am Lehr- und Versuchsgut Köllitsch einen Praxisversuch mit vier Aufzuchtdurchgängen und insgesamt 592 Ferkeln gestartet. Im Zentrum der Untersuchung stand die Frage, ob und wie sich der vollständige Austausch von Sojaextraktionsschrot gegen Geflügel- oder Fischmehl auf das Tierverhalten sowie die Leistung und Gesundheit auswirkt.
Dafür teilten wir die Tiere bereits direkt nach der Geburt in Versuchs- und Kontrollgruppen ein. Innerhalb dieser Gruppen wurden zwei Drittel der Tiere kupiert, der Rest nicht. Beim Absetzen wogen wir alle Ferkel einzeln und verteilten sie anschließend auf die zwei Aufzuchtabteile bzw. die verschiedenen Behandlungsgruppen. In den gemischtgeschlechtlich belegten Buchten mit durchschnittlich jeweils 19 Tieren lag das Platzangebot bei 0,37 m² pro Tier.
Nach einer einwöchigen Anfütterungsphase, in der alle Ferkel das gleiche Aufzuchtfutter (FA) 1 erhielten, erfolgte die zweite Wägung. Die dritte Einzeltierwägung wurde zum Versuchsende nach circa 35 Tagen durchgeführt. Schwanzverletzungen und Schwanznekrosen bonitierten wir zweimal wöchentlich anhand einer Skala von 1 bis 4. Zudem erhoben wir einige Leistungsparameter.
Zwei Tiermehlrationen
Ab dem achten Aufzuchtstag fraßen sowohl die Versuchs- als auch die Kontrollgruppen das betriebseigene FA 2. In der Kontrollgruppe wurden die Grundkomponenten Gerste, Weizen und Mineralfutter mit Sojaextraktionsschrot (48% Rohprotein) als Proteinlieferant ergänzt.
Die Versuchstiere spalteten wir auf zwei Fütterungsgruppen auf. In der einen Gruppe wurde das Soja durch Geflügelmehl (60% Rohprotein), in der anderen durch Fischmehl (65% Rohprotein) ersetzt. Ziel war es, dass die Versuchs- und Kontrollmischungen möglichst die gleichen Gehalte an Energie und Lysin aufwiesen. Dafür wurde 14% HP Soja gegen circa 10% Geflügel- oder Fischmehl und 4% Getreide ausgetauscht.
Aus Zeitgründen verzichteten wir beim Einsatz des Tiermehls auf eine Inhaltsstoffanalyse und die Rationsoptimierung basierte auf den deklarierten Werten. Das stellte sich als eine ungünstige Herangehensweise heraus. Denn tierisches Protein ist je nach Herstellungscharge nicht so einheitlich zusammengesetzt wie Soja und es ergaben sich ungewollte Unterschiede zwischen den Futtermischungen. So zeigten Analysen der Versuchsfutter, dass die Variante mit Fischmehl 0,3 MJ ME pro kg Futter mehr als berechnet enthielt. Die Geflügelmehl-Ration lag beim Rohprotein mit 0,6% über den Zielwerten. Das Aminogramm der Futter war aber wunschgemäß nahezu identisch.
Bei der Ausstattung der Futter mit Mengenelementen tolerierten wir bewusst Unterschiede zwischen Versuchs- und Kontrollgruppen. Da die eingesetzten Tiermehle aufgrund ihres Verarbeitungsanteils von Knochen bzw. Gräten per se mehr Calcium und Phosphor liefern, hätte ein speziell darauf eingestelltes Mineralfutter einen Ausgleich schaffen können. Auf diesen Aufwand verzichteten wir und so enthielten die Versuchsfutter durchschnittlich 0,26% bzw. 0,13% mehr Calcium und Phosphor. Dadurch wurde das Ca:P-Verhältnis der Versuchsfutter mit 1,5:1 gegenüber 1,2:1 in der Kontrolle sogar etwas ungünstiger.
Tiere mögen Fleischgeschmack
In der abschließenden Auswertung zeigte der direkte Vergleich der einzelnen Proteinträger einen etwa 35 g höheren Futterverzehr der Versuchsgruppe mit Geflügelmehl gegenüber der Kontrolle (siehe Übersicht 1). Das war beim Einsatz von Fischmehl nur phasenweise der Fall.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Versuchsdurchgänge mit Geflügelmehl Ende Februar anliefen. Die Testreihen mit Fischmehl wurden bei viel höheren Außentemperaturen zum Ende des Frühjahrs durchgeführt. Nach unserem subjektiven Empfinden akzeptierten die Ferkel das Futter mit Geflügelmehl aufgrund des Futtergeschmacks besonders gut. Das bestätigt die Vorliebe der Schweine für Fleischgeschmack („umami“).
Auffällig war in diesem Zusammenhang auch ein etwas höherer Futteraufwand in den Versuchsgruppen. Aus anderen Versuchen ist bekannt, dass eine hohe Futterakzeptanz dazu führt, dass sich die Tiere mehr mit dem Futter als mit anderen Buchtengenossen beschäftigen. Ohne ein entsprechendes Gegensteuern über die Futtertechnik hat das aber auch höhere Futterverluste zur Konsequenz.
Weniger Durchfall im Versuch
Durchweg positiv war der Einfluss der tierischen Proteinträger auf die Tiergesundheit. So beobachteten wir in den Versuchsgruppen mit durchschnittlich 0,2 Ferkeln je Bucht signifikant weniger Tiere mit Durchfallgeschehen als in den Kontrollbuchten (0,6 Ferkel je Bucht). Dieser positive Effekt stach beim Fischmehl sogar noch etwas stärker heraus als beim Geflügelmehl. Allgemein lassen sich diese gesundheitlichen Effekte mit der noch nicht vollständig entwickelten Verdauungsfähigkeit der Ferkel bzw. der allergenen Wirkung von Sojaproteinen erklären.
Die positiv beeinflusste Darmgesundheit hatte auch Auswirkungen auf das Tierverhalten. So zeigten die Tiere der Versuchsgruppen ein signifikant ausgeprägteres Ruhe- und Normalverhalten als die Kontrolltiere (siehe Übersicht 2). Hier trat unruhiges Verhalten fast doppelt so häufig auf.
Das hängt damit zusammen, dass durchfallerkrankte Tiere über den Darm wichtige Nährstoffe, insbesondere Elektrolyte, verlieren. Deshalb zeigten die Ferkel in der Folge ein stärker ausgeprägtes Suchverhalten und neigten zu anormalem Verhalten, wie gegenseitiges Bewühlen, Belecken und Caudophagie.
Schwanzbeißen bleibt Thema
Am Ende der Untersuchung beobachteten wir bei den Versuchstieren 2 bis 3% weniger Beiß- und Nekrosegeschehen als bei den Tieren in der Kontrollgruppe (siehe Übersicht 3). Deutlich größer waren die Unterschiede bei einer Betrachtung aller Tiere und dann nur nach kupiert bzw. unkupiert. Denn während etwa 98% der kupiert eingestallten Ferkel ohne Nekrosen oder Schwanzbeißverletzungen das Versuchsende erreichten, traf dies nur auf 37% der unkupierten Ferkel zu.
Der Einsatz von tierischem Protein konnte also nicht generell das Auftreten von Nekrosen und Schwanzbeißen verhindern. Allerdings fiel uns auf, dass die Versuchstiere deutlich weniger schwere Verletzungen aufwiesen als die Versuchstiere. Statistisch gesehen war dieser Effekt bei der Fischmehl-Verfütterung etwas größer als beim Einsatz von Geflügelmehl.
Fazit
- In einem Fütterungsversuch mit Aufzuchtferkeln wurden Sojaschrot und Geflügel- bzw. Fischmehl als Rohproteinlieferanten verglichen.
- Das Geflügelmehl sorgte für eine hohe Futterakzeptanz.
- Die Gruppen mit Tiermehl waren gesünder, ruhiger und es kam etwas seltener zu Schwanzbeißen.
- Bei den unkupierten Tieren konnte der Einsatz von Tierprotein Nekrosen und Schwanzbeißen nicht verhindern, aber deutlich verringern.