ISN: Özdemir ignorant

Berlin ändert Gesetzentwurf zur Tierhaltungskennzeichnung ohne Landwirtschaft

Die Koalition streitet weiter über das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Das ist ohne Rücksprache mit der Landwirtschaft geändert worden. Nun muss das Papier erneut von der EU genehmigt werden.

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Cem Özdemir betont immer wieder, dass er das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG) so schnell wie möglich rechtsverbindlich umsetzen möchte. Auch die Herkunftskennzeichnung will der Bundesagrarminister möglichst zügig verabschieden.

Zudem ist aus Berlin zu hören, dass man auch die für die Neuaufstellung der Nutztierhaltung notwendigen Änderungen im Baugesetzbuch und bei der TA Luft gleich „mit abräumen“ will. Alles soll möglichst in einem Paket vom Bundestag verabschiedet werden. So weit, so gut.

Doch Özdemir und die Bundesregierung können bei dem Gesetzesvorhaben nicht frei schalten und walten. Sie benötigen z.B. für die Verabschiedung des TierHaltKennzG neben der Parlamentszustimmung auch die Zustimmung der EU – die sogenannte Notifizierung. Rechtsgrundlage ist der Artikel 45 der EU-Verordnung 1169/2011. Die EU-Zustimmung zum Gesetzesvorschlag des BMEL aus dem Jahr 2022 hatte die EU bereits Anfang des Jahres erteilt. Es schien also so, dass die Zeitpläne des Ministers aufgingen.

Deutschland kann Gesetz nicht ohne EU-Zustimmung verabschieden

Jetzt wurde aber bekannt, dass man den nach Brüssel übersandten Gesetzesentwurf im Bundeslandwirtschaftsministerium noch einmal überarbeitet hat und erneut zur Notifizierung nach Brüssel gegeben hat. Wie die EU in einem Schreiben mitteilt, muss deshalb die Notifizierung zum Teil erneuert werden und das Tierhaltungskennzeichengesetz könnte damit in Deutschland nicht zeitnah verabschiedet werden

„Eine Überarbeitung des Gesetzentwurfes war zu erwarten. Auf einige Forderungen wurde zwar eingegangen. Insgesamt ist aber wenig Zählbares für die Praxis dabei herausgekommen. Denn entscheidende Kritikpunkte bleiben unberücksichtigt – so beispielsweise die Nicht-Kennzeichnungspflicht für ausländische Ware“, ordnet ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack die Änderungen fachlich ein.

Zudem kritisiert er das Vorgehen Özdemirs: „Der Vorgang ist ein weiteres Beispiel für die Ignoranz von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Offensichtlich will er nicht direkt mit den Betroffenen aus der Landwirtschaft über den Gesetzentwurf reden.

Und auch, dass er so kurz vor der Agrarministerkonferenz (AMK) mit der Einreichung bei der EU Fakten schafft, ist bemerkenswert. Es werden also auch die Bundesländer ignoriert, wie aus den wiederholten Forderungen auch im aktuellen AMK-Protokoll deutlich wird.

Es scheint, als sei das der Stil der grünen Bundesminister in Berlin. Denn auch Wirtschaftsminister Robert Habeck hat ja u.a. beim Thema Heizungsumbau zuvor nicht mit den Betroffenen geredet und sich so heftige Kritik eingehandelt,“ macht Staack seinem Ärger Luft.

Mehrere Änderungen eingebaut

Konkret geändert wurden u.a. folgende Punkte:

  • Die Haltungsform „Auslauf/Freiland“ wird umbenannt in „Auslauf/Weide“. Die Umbenennung soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine konkrete Vorstellung von den tatsächlichen Haltungsbedingungen ermöglichen.

  • Der neue Gesetzesentwurf lässt eine Herabstufung von einer Haltungsform in die nächste zu (Downsizing). Wenn z.B. über 80 % der Mischpartie aus einer Haltungsstufe (z.B. „Stall plus Platz“) kommt und der Rest aus den jeweils darüber liegenden Stufen, dann wird diese Partie mit der Hauptstufe gekennzeichnet und einzelne Prozentangaben müssen nicht mehr gemacht werden. Sind diese Bedingungen nicht gegeben, bleibt es bei der Anteilsangabe der einzelnen Stufen.

  • An verschiedenen Stellen wurden Präzisierungen eingebracht – beispielsweise bei den Dokumentationspflichten. So wird nun vorgeschrieben, dass die landwirtschaftlichen Betriebe neben dem Aufstallungsdatum und der Anzahl der Tiere auch das „durchschnittliche Gewicht der Tiere je Aufstallungsgruppe bei Aufstallung“ angeben müssen.

  • Inhaltlich ändern sich insbesondere auch die Kriterien in der Haltungsstufe „Stall plus Platz“. Hier werden nun u.a. nicht mehr 20 % mehr Platz vorgegeben, sondern lediglich 12,5 %. Dafür ist hier nun Raufutter zusätzlich zum Beschäftigungsmaterial und zusätzlich zu den drei auszuwählenden Strukturelementen vorgeschrieben.

  • Leichtere Anpassungen wurden bei den Kriterien der Haltungsstufen „Frischluftstall“ und „Auslauf/Weide“ vorgenommen, die aber zum Teil erheblichen Einfluss auf die Umsetzung dieser Haltungsstufen haben.

  • Ergänzt wurden Angaben zum Einsatz von Beschäftigungsmaterial. Demnach muss gesundheitlich unbedenkliches und in ausreichender Menge vorhandenes organisches und faserreiches Beschäftigungsmaterial, zu dem jedes Schwein jederzeit Zugang hat und das das Schwein untersuchen und bewegen kann und das vom Schwein veränderbar ist und damit dem Erkundungsverhalten dient, zur Verfügung stehen.