Organisches für alle

Ab August müssen alle Schweinehalter organisches Beschäftigungsmaterial anbieten. ­Weichholz bleibt erlaubt. ITW-Betriebe benötigen ein zweites Material.

Laut Tierschutz-Nutztierhaltungsver­­ordnung müssen ab August alle Schweine stets Zugang zu organischem und faserreichem Beschäftigungsmaterial haben. Das Material muss in ausreichender Menge vorliegen. Dies gilt auch für Sauen und Saugferkel.Für Teilnehmer der dritten ITW-Phase ist Raufutter bereits Pflicht. Sie müssen ab August verschiedene Beschäftigungsmaterialien anbieten. Künftig werden neben der ITW auch die Amtsveterinäre und QS die Beschäftigungsmaterialien prüfen. Es ist daher mit einer erhöhten Kontrolldichte zu rechnen.

Weichholz weiter dabei

Wie das Beschäftigungsmaterial aussehen soll, hat der Gesetzgeber definiert. So sollen die Materialien untersucht und bewegt werden können. Zudem müssen sie veränderbar sein und dem Erkundungsverhalten dienen. Die Verordnung nennt Stroh, Heu, Sägemehl oder eine Mischung daraus als bevorzugte Materialien. Zulässig sind jedoch laut Ausführungshinweisen auch Jutesäcke, Seile sowie bedingt Weichholz. Das Holz muss unbehandelt sein und innerhalb weniger Tage zerkaut werden können.Entscheidend ist, dass das Material auch veränderbar ist und die Tiere es mit der Rüsselscheibe untersuchen können. Voraussetzung hierfür ist eine bodennahe Anbringung. Die Montagehöhe muss somit an das Alter und die Größe der Tiere angepasst werden. Das Beschäf­tigungsmaterial sollte in der Höhe der Unterkante der Rüsselscheibe aufgehängt werden.Den Schweinehaltern stehen zahlreiche Beschäftigungsmaterialien zur Ver­fügung. Ebenso vielfältig ist die Dar­­reichungsform. Aber nicht jedes Beschäftigungsmaterial ist für jeden Alters- bzw. Produktionsabschnitt optimal. Hier soll­te der Betrieb auch die Arbeitszeit und die Kompatibilität mit dem Güllesystem im Blick behalten.Vermutlich werden viele Betriebe Weichholz zur Beschäftigung verwenden, da es einfach einsetzbar ist. Weichholz eignet sich für Schweine in allen Altersgruppen, wobei Fachleute des Kuratoriums mit Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) die Eignung für die Mast betonen (Übersicht 2).Weichholz kann in den Knabberrohren an der Wand oder an Ketten angeboten werden. Allerdings kann Holz ein Risiko für die Tiere darstellen, wenn z. B. Splitter auftreten. Daher sollte nicht zu altes oder zu trockenes Holz verwendet werden. Zu beachten ist auch, dass Holz in seiner Attraktivität nur mittelmäßig abschneidet. Tritt Schwanzbeißen auf, sind weitere Materialien mit stärkerer Ablenkungswirkung anzubieten.Weiter ist zu bedenken, dass Weichholz aus Sicht der Behörden nicht die erste Wahl ist und in einigen Bundesländern kritisch betrachtet wird. Sind andere Materialien verfügbar, sollten diese be­­vorzugt werden.

Raufutter

Seile und Holzstücke an einer Kette sind in Höhe der Rüsselscheiben der jeweiligen Tiergruppe zu montieren. (Bildquelle: Driemer)

Säcke und Seile

Jutesäcke und Seile aus Hanf oder Baumwolle sind in der Praxis ebenfalls beliebt. Sie eignen sich für jeden Produktionsabschnitt. In der Abferkelbucht können Jutesäcke zum einen als Nestbaumaterial für die Sau und zum anderen als Beschäftigungsmaterial für Sau und Ferkel eingesetzt werden. Voraussetzung ist, dass die Säcke über die gesamte Säugezeit für Sau und Ferkel erreichbar sind. Seile und Säcke lassen sich ebenso wie Holz auf unterschiedliche Art und Weise in der Bucht platzieren, z. B. an der Buchtenwand oder freihängend. Für Sauen in Einzelhaltung bietet sich ein Seil für jeweils zwei Tiere an, wenn je ein Seilende pro Sau erreichbar ist. Probleme mit dem Güllesystem könnten auftreten, wenn größere Stücke der Säcke oder Seile durch den Spaltenboden gelangen. Neben den Materialien mit geringem Verbrauch können die Betriebe auch Raufutter im engeren Sinn einsetzen. Der Gesetzgeber bevorzugt diesen Weg.

Stroh vielseitig einsetzbar

Das wichtigste Raufutter dürfte Stroh sein, das in verschiedenen Formen als Kurz- oder Langstroh, pelletiert oder gepresst verfügbar ist. Weitere wichtige Raufutter sind Heu, Luzerne und Silagen. Diese können in Raufen, Körben, Wühlautomaten oder auf dem Boden angeboten werden. Um zu starke Futterverluste und Probleme mit dem Güllesystem zu vermeiden, eignen sich Auffangkörbe und Bodenplatten. Letztere haben den Vorteil, dass die Tiere das Material auf der festen Fläche bewühlen können. Beim Angebot von Stroh, z. B. im Deckzentrum, muss beachtet werden, dass das Material langfaserig genug ist, damit die Tiere es aus den Raufen ziehen können. Insbesondere bei unverarbeitetem Raufutter ist das Gesundheitsrisiko im Hinblick auf einen Pilzbefall bzw. Belastungen mit Mykotoxinen zu beachten. Beim Zukauf aber auch bei der eigenen Erzeugung von Stroh oder Heu ist dies zu bedenken. Bei Pellets oder Presslingen ist im Bedarfsfall die Herkunft der Rohware beim Hersteller abzufragen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund einer möglichen Verschleppung von ASP-Erregern z. B. über Stroh.Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Risiken für das Güllesystem. Insbesondere grobfaserige Materialien wie Langstroh können in vielen Systemen zu hartnäckigen Verstopfungen führen. Im Ver-gleich dazu sind gehäckselte Formen und der Einsatz von Stroh-, Heu- oder Luzernepellets deutlich kompatibler mit der Gülletechnik. Pellets und Presslinge werden zudem von den Tieren gut ange-nommen. Sie verursachen aber im Vergleich die höchsten Kosten.

Genug Fressplätze

Wichtig ist außerdem, dass den Tieren ausreichend Beschäftigungsmaterialien bereitstehen. Für den Einsatz von Objekten wie Seilen und Jutesäcken gilt ein Verhältnis von maximal 1 : 12 pro Objekt. Dieses Verhältnis gilt streng genommen auch für Saugferkel. Werden Raufen oder Beschäftigungsautomaten bzw. Spender eingesetzt, gilt ein Verhältnis von 1 : 12 pro Beschäftigungsplatz. Wobei die Plätze allein anhand der Schulterbreiten definiert werden. Achtung: In der neuen Haltungs-VO gelten somit andere Tierzahlen als bei der Initiative Tierwohl.Die Handhabung der Berechnung zeigt ein Beispiel. Ausgangspunkt sind Mastschweine mit bis zu 60 kg Gewicht. Sie sollen mit einer 75 cm breiten wandständigen Raufe mit offenen Seiten mit Langstroh versorgt werden.Laut Verordnung gelten bei dieser Tiergruppe 27 cm Schulterbreite: 70 cm Raufenbreite geteilt durch 27 cm Schulterbreite ergibt 2,6 Tierplätze. Dieser Wert ist auf 2,0 abzurunden. Das heißt: Diese Raufe kann mit zwei Fressplätzen bis zu 24 Tiere versorgen. In einer 30er-Bucht müssten somit zwei Raufen angeboten werden oder eine Raufe, die z. B. durch ein Baumwollseil ergänzt wird.

Ausgleich für Sensor-Trog

Eine wichtige Rolle spielt das Angebot von Raufutter auch für Betriebe mit Sensor-Kurztrögen. So fordert die neue Haltungsverordnung für mindestens vier Tiere einen Fressplatz. Typische Sensor-Kurztröge in der Mast erfüllen diese Vorgabe oft nicht.Allerdings erlaubt die Verordnung, dass fehlende Futterplätze mit Raufutterplätzen ausgeglichen werden. Hierfür muss das Raufutter ad libitum verfügbar sein. Die auf diese Weise umfunktionierten Raufutterplätze zählen jedoch nicht als mehr Beschäftigungsmaterial. Das heißt, dass die Sensorbetriebe zusätz­liche Beschäftigungsangebote schaffen müssen. Dies ist beispielsweise mit einer separaten Raufe oder weiteren Beschäftigungsobjekten wie Seilen möglich.Abschließend bleibt der Hinweis, dass die Initiative Tierwohl insgesamt höhere Vorgaben an das Beschäftigungsmaterial stellt als der Gesetzgeber. So akzeptiert ITW nur Stroh, Heu, Silagen, Luzerne etc. als Raufutter. Während die Haltungs-VO auch Weichholz, Jutesäcke und Seile als veränderbares, organisches Beschäftigungsmaterial anerkennt.Wichtig ist für ITW-Betriebe zudem, dass sie das Raufutter zusätzlich zum gesetzlich vorgeschriebenen Beschäftigungsmaterial anbieten. Es muss sich somit um verschiedene Beschäftigungsmaterialien handeln, die räumlich ge­­trennt verabreicht werden. Ein Angebot in einer Raufe oder einem Trog wird anerkannt, wenn beide Materialien z. B. durch ein Brett innerhalb der Raufe getrennt sind und der Zugang für mehrere Tiere gleichzeitig möglich ist.

Fazit:

  • Organisches Spielmaterial ist ab August für alle Schweine Pflicht.
  • Der Gesetzgeber akzeptiert weiterhin bestimmtes Weichholz.
  • Seile und Säcke aus Jute etc. sind ebenfalls in der Praxis beliebt.
  • Stroh ist das wichtigste Raufutter. Es kann aber das Güllesystem verstopfen. Die Hygiene muss passen.
  • Presslinge und Pellets sind attraktiv, vielseitig einsetzbar, aber teuer.
  • ITW-Betriebe müssen zusätzliches Beschäftigungsmaterial anbieten.

Zuerst veröffentlich in der SUS 3/21. Klicken Sie hier...


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