Autoren: Robert Hoste, Uni Wageningen und Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen
Die Schweinehaltung steht trotz der aktuell verbesserten Erlössituation weiter unter Druck. Zwar haben sich die Preise für Futtermittel und Energie wieder etwas entspannt. Fachleute sind sich aber einig, dass die Schweinebranche auch mittelfristig mit deutlich höheren Kosten kalkulieren muss.
Gleichzeitig ist der Spielraum für höhere Erzeugererlöse begrenzt. Der weitere Rückgang des Fleischkonsums und der inflationsbedingte Trend zu günstigeren Artikeln sind nicht zu übersehen.
Umso wichtiger ist es, dass die Branche ihre Produktionskosten genau kennt. Dies gilt insbesondere für den Fleischexport, wo der Preis das wichtigste Kaufkriterium darstellt. Die Expertengruppe Interpig erstellt jährlich einen Produktionskostenvergleich für wichtige Erzeugerländer in Europa sowie in Nord- und Südamerika. Die jüngste Datenerhebung umfasst das Jahr 2021. Wie Deutschland hier abschneidet und welche Trends im laufenden Jahr zu erwarten sind, haben wir mit Marktexperten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sowie der Uni Wageningen (NL) diskutiert.
Wo positioniert sich Deutschland im internationalen Vergleich?
Hortmann-Scholten: In der Auswertung für 2021 gehört die Bundesrepublik mit gut 1,80 €/kg Schlachtgewicht zu den Ländern mit den höchsten Produktionskosten. Nur Irland, Italien, Schweden und Großbritannien weisen höhere Kosten auf. Wobei die beiden letztgenannten schärfere Tierwohlstandards haben als wir. Die deutschen Mehrkosten belaufen sich im Vergleich zu wichtigen Nachbarländern wie den Niederlanden, Frankreich und Dänemark auf 10 bis 30 Cent je kg Schlachtgewicht.
Was sind die Ursachen?
Hoste: Die deutschen Schweinehalter leiden unter einem Strauß an Wettbewerbsnachteilen. Ein wichtiger Punkt bleibt die geringere Bestandsgröße, die insbesondere beim Ein- und Verkauf Nachteile mit sich bringt. Tendenziell sehen wir bei den kleineren Betrieben auch niedrigere biologische Leistungen. Insgesamt hat sich das Leistungsniveau der deutschen Schweinehalter weiter verbessert. Mit den Dänen und Holländern können sie jedoch aufgrund des weniger ausgefeilten Managements nicht mithalten.
Hortmann-Scholten: Ein weiterer Nachteil der hiesigen Schweinehalter ist die deutlich schwierigere und damit teurere Beschaffung von Fremdkapital. So liegt der Fokus der hiesigen Banken oft stark auf der Besicherung. Hingegen ist die Kreditvergabe z. B. in den Niederlanden stärker auf den Businessplan bzw. die erzielbare Rendite ausgelegt.
Warum hinkt Deutschland beim Schlachterlös so stark hinterher?
Hortmann-Scholten: Der Ausbruch der ASP im Jahr 2020 hat den deutschen Schweinesektor ins Mark getroffen. Über Nacht brachen wichtige Absatzkanäle in Asien weg. Die Schlachthöfe beziffern den Wertschöpfungsnachteil auf bis zu 35 € je Schwein. Im Auswertungsjahr 2021 hatte Deutschland zudem mit den Folgen des Schweinestaus zu kämpfen. Corona-bedingt kam es zu erblichen Kapazitätsausfällen in unseren Fleischbetrieben und ruinösen Erzeugererlösen. In vielen anderen EU-Ländern hatte die Fleischindustrie deutlich weniger Probleme mit der Coronapandemie.
Wie ist die Lage bei den Futterkosten?
Hoste: Hier liegt Deutschland im EU-Vergleich im Mittelfeld. Es gibt einen sehr starken Wettbewerb im Mischfuttersektor, wodurch die hiesigen Betriebe etwas günstiger einkaufen können als z. B. ihre niederländischen Nachbarn. Zu beachten ist, dass Interpig die Marktpreise für Futtermittel zugrundegelegt. Hofmischer können daher etwas niedrigere Futterkosten haben als in der Darstellung der Expertengruppe.
Was macht die Dänen zum Kostenführer in Europa?
Hoste: In Dänemark stimmt momentan einfach alles. Das Futter ist sehr günstig. Die hohe Flächenausstattung der Betriebe und langfristige Kontrakte sind hier die Hauptfaktoren. Zudem punkten die Dänen weiterhin mit Spitzenleistungen. Auch wenn der Leistungszuwachs geringer ist als in früheren Jahren, markiert Dänemark mit 31,5 vermarkteten Mastschweinen pro Sau und Jahr erneut den EU-Spitzenreiter. Gerade in der Ferkelerzeugung wirkt sich die Zahl der verkauften Ferkel massiv auf das wirtschaftliche Ergebnis aus.
Hortmann-Scholten: Positiv ist zudem die enge Verzahnung der Schlachtbranche mit den Bauern und der Forschung. Diese Art der Integration hilft Synergien zu heben. Zudem genießt die dänische Veredlungsbranche mehr Rückendeckung aus Politik und Gesellschaft als die deutsche. So setzt Kopenhagen beim Tierschutz den EU-Standard um, aber nicht mehr. Beim Stallbau setzen die Dänen auf wenige Standardkonzepte, was Kostendegressionen erlaubt.
Warum ist Spanien nicht mehr der EU-Kostenführer?
Hoste: Die neue PRRS-Variante Rosalia hat bei den Iberern zu höheren Ferkelverlusten geführt, die bis zu 30 % betrugen. Um die Mastställe füllen zu können, wurden deutlich mehr Ferkel importiert. Im Vergleich zur EU-Spitze haben die Spanier 2021 rund drei Ferkel pro Sau und Jahr weniger abgesetzt. Dies können sie aber durch äußerst niedrige Stallbau- und Arbeitskosten weitgehend kompensieren. Wenn das PRRS-Problem abflacht, bleibt Spanien ein wichtiger Kandidat für die Kostenführerschaft in Europa.
Hortmann-Scholten: Die Stärke der Spanier ist ihre Integration in vertikalen Produktionsketten. Sie steuern den Sauenbestand und haben damit das Aufkommen an Schlachtschweinen bzw. Fleisch unter Kontrolle. Mit dieser Strategie haben sie ihren starken Fokus auf den Fleischexport erfolgreich umgesetzt. Auch im Krisenjahr 2021 konnten die Spanier Erlöse oberhalb der Vollkostenmarke erzielen.
Warum fällt Italien im EU-Vergleich so stark ab?
Hortmann-Scholten: Rund 85 % der Schweine werden in Italien in Spezialprogrammen mit sehr hohen Schlachtgewichten erzeugt. Die schweren Schweine verwerten das Futter deutlich schlechter. Eine um 0,1 Punkte niedrigere Futterverwertung kostet den Landwirt bei den aktuellen Futterkosten bereits über 3 € je Tier. Zudem ist Futter aufgrund des hohen Importbedarfs in Italien teurer als bei uns. Auch hat die Inflation den Absatz der landestypischen Luxusprodukte wie Parmaschinken gedämpft. Die italienischen Schweinehalter haben daher 2021 vergleichsweise hohe finanzielle Verluste eingefahren.
Die Schweden kommen mit ihren hohen Kosten besser klar.
Hoste: Ja, trotz überdurchschnittlich hoher Produktionskosten von fast 2 €/kg SG war die Schweinehaltung der Skandinavier 2021 kostendeckend. Der Hauptvorteil ist, dass die Supermärkte überwiegend auf heimisches Fleisch setzen. Während das günstigere Importfleisch aus Dänemark eine untergeordnete Rolle spielt. Schwedens Konsumenten sind hohe Fleischpreise gewohnt und haben eine stabile Kaufkraft. So ist es gelungen, steigende Produktionskosten bis an den Endverbraucher zu tragen. Das skandinavische Land unterscheidet sich markant von Deutschland, wo der Verbraucher beim Fleischkauf preissensibel ist.
Weltweit haben die Brasilianer die niedrigsten Produktionskosten. Warum?
Hoste: Durch die riesigen Anbauflächen sind Getreide und Eiweißträger günstig verfügbar. Die Gebäude- und Arbeitskosten sind ebenfalls extrem niedrig. Die großen Distanzen zwischen den Schweineanlagen erlauben eine hohe Tiergesundheit. Zudem sind große Teile der brasilianischen Schweinehaltung in der vertikalen Integration gut organisiert. Allerdings konnte Brasilien im Fleischexport bisher oft nur Lücken besetzen, was zu Erlösschwankungen führte. Dennoch dürfte die Schweineproduktion der Südamerikaner künftig deutlich wachsen. Denn Brasilien ist Mitglied der BRICS-Staaten und hat angesichts der Spannungen zwischen China und dem Westen gute Exportchancen nach Asien.
Was ermöglichte die Rekorderlöse der US-Farmer?
Hortmann-Scholten: Die Schweinehalter in den USA verfügen traditionell über große Überschüsse an Mais und Sojaschrot, was anhaltend niedrige Futterkosten ermöglicht. Aufgrund von PRRS-Problemen waren die biologischen Leistungen zuletzt allerdings unter Druck. Es kamen spürbar weniger Tiere an den Haken, was die Schlachterlöse beflügelte. 2021 wurden Rekordmargen von 40 ct/kg SG erzielt. Ein Problem der Amerikaner ist der zunehmende Arbeitskräftemangel in den Fleischbetrieben sowie in den Farmen. Dennoch bietet die US-Schweineproduktion eine gute Basis für ein Wachstum von 1 bis 2 % im Jahr.
Hat die Kostenexplosion 2022 das Ranking verschoben?
Hoste: Nein, denn der Preisanstieg bei Futter und Energie trifft alle wichtigen Erzeugerländer in Nordwesteuropa ähnlich. Dänemark dürfte aufgrund seiner günstigen Rahmenbedingungen der EU-Kostenführer bleiben. Hingegen könnte Spanien ins Mittelfeld abrutschen, weil insbesondere höhere Mindestlöhne und steigende Umweltschutzauflagen die Produktion verteuern. Zudem haben die starken Rückgänge beim Chinaexport die Iberer hart getroffen. Global sehe ich Brasilien als Krisengewinner, der seine Schweineproduktion spürbar ausbauen kann. Die politische Nähe zu China hilft ihnen dabei.
Wie kann sich Deutschland in diesem Umfeld behaupten?
Hoste: Für die deutschen Schweinehalter wäre es fatal, sich in einem kostenorientierten Wettbewerb an den Nachbarländern Dänemark, Niederlande oder Frankreich auszurichten. Der Kostennachteil der deutschen Betriebe ist inzwischen viel zu groß. Weitere Verschärfungen der Haltungsauflagen z. B. im Deckzentrum heizen die Produktionskosten zusätzlich an. Bei einem erneuten Preistief kann dies in Deutschland sowie in den Niederlanden und Belgien den Weg zu integrativen Strukturen öffnen.
Hortmann-Scholten: Den deutschen Produzenten bleibt vornehmlich, sich auf den heimischen Markt zu konzentrieren. Der sinkende Inlandskonsum macht diesen Weg aber nicht einfach. Dennoch ist die zusätzliche Wertschöpfung aus dem Export von Teilstücken des sogenannten fünften Viertels wichtig. Aufgrund der ungünstigen Bedingungen mussten die deutschen Betriebe 2021 die höchsten Eigenkapitalverluste im EU-Vergleich hinnehmen. Die drastischen Rückgänge bei den Sauenbeständen und beim Schlachtaufkommen sprechen für sich.
Fazit
- Dänemark ist der unangefochtene Kostenführer in Europa.
- Spanien ist aufgrund starker PRRS-Probleme etwas zurückgefallen.
- Deutsche Schweinehalter hatten 2021 EU-weit die höchsten Eigenkapitalverluste zu verzeichnen.
- Brasilien gilt als Krisengewinner, der weiter expandiert.
- Schärfere Tierschutzauflagen werfen die deutschen Betriebe künftig noch stärker zurück. Ihnen bleibt nur der Fokus auf den Heimatmarkt.