Stegemann: "Gräben mit den Grünen schließen"

Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU schildert eine mögliche Zusammenarbeit mit den Grünen.

Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, hat mit dem Nachrichtenportal Agra-Europe (AgE)über eine künftige Agrarpolitik diskutiert. Hier die Kernaussagen in gekürzter Form:

Die CDU will die Landwirtschaft aus dem Hamsterrad befreien. Was bedeutet das?
W
enn die Betriebe die gesamtgesellschaftlichen Anforderungen erfüllen sollen, brauchen sie dafür einen Ausgleich. Setzen wir nur auf das Ordnungsrecht, werden immer größere Teile der Produktion ins Ausland abwandern. Die Zukunftskommission Landwirtschaft und die Borchert-Kommission liefern Blaupausen, um das zu verhindern.

Der Borchert-Plan liegt seit 2020 vor. Seitdem ist politisch wenig passiert. Woran lag‘s?
An dem konsequenten Willen, die Empfehlungen in Gänze umzusetzen. Es gab und gibt einen breiten Konsens, die Tierhaltung in Richtung von mehr Tierwohl weiter zu entwickeln. Streit herrscht darüber, wie das finanziert werden soll.

Verstecken sich manche hinter der Finanzierung?
Nein, zumindest nicht in unserer Fraktion. Es muss zwischen Daumen und Zeigefinger Spaß machen, in Tierwohl zu investieren. Planungssicherheit über mindestens 15 Jahre muss her. Dafür brauchen wir grünes Licht aus Brüssel. Vor der Kamera hat jeder gesagt, wir wollen die Borchert-Pläne. Wenn es aber ans Eingemachte ging, wurde koalitionsintern zum Rückzug geblasen.

CDU und CSU wollen keine Steuererhöhungen. Heißt das, Borchert geht nicht?
Nein! Zwar sind damit steuerliche Lösungen schwierig. Es gibt aber auch andere Finanzierungsmodelle. Voraussetzung ist, sie liegen in staatlicher Hand. Details müssen wir mit dem künftigen Koalitionspartner klären.

Ein möglicher Koalitionspartner sind die Grünen. Könnte da was gehen?
Dazu müsste man wissen, was sich die Grünen unter einem Tierwohlcent vorstellen. Entscheidend ist für mich zunächst die Erkenntnis der Grünen, dass es Tierwohl nicht zum Nulltarif geben kann.

Soll das Bundeslandwirtschaftsministerium in CDU-Hand bleiben?
Wir brauchen weiter ein eigenständiges Bundeslandwirtschaftsministerium, auch weil davon eine identitätsstiftende Wirkung für Landwirtschaft und ländliche Räume ausgeht. Und wir wollen es als CDU auch künftig führen.

Sollen Landwirte zu Landschaftspflegern werden?
Ich bin selber Landwirt. Ich sehe mich nicht als Landschaftspfleger. Es geht darum, dass Landwirte möglichst effizient einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten, ohne dass sie die Zeche dafür zahlen. Da sehe ich keinen Widerspruch zur Nahrungsmittelerzeugung, die weiter die Hauptaufgabe bleiben wird. Natürlich werden wenig produktive Flächen aus der Produktion gehen.

Ein Ziel sind weniger tierische Produkte. Gehen Sie mit?
Zunächst hängt die Entwicklung der Tierhaltung in Deutschland von vielen Faktoren ab. Wir sind erfolgreich am Markt. Häufig wird über unseren Exportanteil gejammert. Für mich ist Export aber auch Ausdruck einer wettbewerbsfähigen Struktur. Wenn wir ein gesundes Maß an Wettbewerbsfähigkeit erhalten, können wir auch für den Export produzieren.

Brauchen wir wieder mehr Außenschutz?
Darüber müssen wir ernsthaft nachdenken. Vorschläge dafür macht ja nicht nur die ZKL, sondern auch die EU-Kommission. Ich bin überzeugt, dass besonders nachhaltig erzeugte Agrarprodukte künftig auch international ihren Absatz finden werden. Der Klimawandel erfordert ein Umdenken.

Müssen Tierhaltungsanlagen in ihrer Größe gedeckelt werden?
Wir müssen aufpassen, dass wir in einer gesellschaftlich akzeptierten Tierproduktion bleiben. Allerdings halte ich nichts von Deckelungen. Wenn der Brandschutz wie in Alt Tellin nicht gesichert werden kann, dann gehört eine solche Anlage nicht genehmigt. Aber wenn ich eine Anlage habe, die mehr Tierwohl ermöglicht, mehr Arbeitssicherheit gewährleistet, in der die ökologischen Fragen gelöst sind und diese Wettbewerbsfähigkeit bringt, darf ich nicht aus einem Bauchgefühl heraus mit einer Deckelung um die Ecke kommen.

Was könnte mit den Grünen gehen, was mit der SPD nicht ging?
Ich habe die Hoffnung, dass es bei den Grünen den Wunsch gibt, die Tierhaltung umzubauen und man sich dieser sachlichen Logik nicht plump verschließt. Wir brauchen einen Partner, der „ins Gelingen verliebt ist“. Bei den Grünen nehme ich eine solche Einstellung wahr.

Bei Themen wie der gentechnischen Züchtung könnte es schwer werden.
Nicht unbedingt. Auch da erlebe ich bei den Grünen, besonders bei den jüngeren, weitaus mehr Offenheit als bei den Sozialdemokraten. Bei den Grünen ist die Erkenntnis gereift, dass neue Züchtungstechniken eine Chance bieten können, dem Klimawandel mit resilienteren Pflanzen zu begegnen. Wir brauchen Innovationen und Digitalisierung für eine nachhaltigere Landwirtschaft. Das sind für mich Silberstreifen am Horizont, dass wir es bei bestimmten Themen endlich schaffen, nicht mehr ideologisch, sondern sachbezogen und wissenschaftsbasiert zu diskutieren.

Welche Konstellation wäre Ihnen nach der Wahl die liebste?
Vom Gesamtkonzept her wäre Jamaika immer noch eine gute Lösung, trotz der von der FDP vertanen Chance beim letzten Mal. Um gesellschaftliche Gräben zu schließen, würde eine Koalition von CDU und CSU mit den Grünen eine wirkliche Chance bieten. Dass eine Verständigung trotz der jahrzehntelangen Polarisierung zwischen Agrar- und Umweltseite möglich ist, hat die Zukunftskommission Landwirtschaft gezeigt. Es gibt den ganz intensiven Wunsch, dass die Gräben geschlossen werden. Den gibt es nicht nur bei uns, sondern auch bei den Grünen. AgE