Tierwohlfinanzierung: FDP bewegt sich ​ ​ ​

Die FDP schlägt eine zweckgebundene Tierwohlabgabe auf Fleischprodukte vor.

Die FDP sah sich bisher dem Vorwurf einer Blockade der Tierwohlfinanzierung ausgesetzt; sie will nun aber hierzu eine Lösung in der Berliner Ampel-Koalition herbeiführen. Die Landtagsfraktion in Niedersachsen stellte am Montag vergangener Woche in Hannover ein Positionspapier zur „Zukunft der Tierhaltung“ vor, dass auch bundespolitisch eine Grundlage für die Gespräche mit den Koalitionspartnern werden soll. Dieses sieht über ein Bundesgesetz die Einrichtung eines Tierwohlfonds zur verlässlichen finanziellen Unterstützung der Landwirte vor.

Der Fonds soll durch eine zweckgebundene Tierwohlabgabe auf Fleischprodukte gespeist werden, die durch die Marktteilnehmer für das in Deutschland verkaufte Fleisch von ihren Kunden erhoben wird. Dies sei mit den „führenden Köpfen“ der Bundes-FDP abgestimmt, und „die Kollegen der Bundestagsfraktion tragen das mit“, erklärte Niedersachsens FDP-Fraktionsvorsitzender Dr. Stefan Birkner. Er sieht hierbei vor allem den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) in der Verantwortung, die Belastung für die Kunden so gering wie möglich zu halten. „Da sind Margen, bei denen wir meinen, dass es mit Blick auf die oligopolistische Struktur insbesondere Aufgabe des LEH ist, diese Preissteigerung nicht an die Verbraucher weiterzugeben“, so Birkner. Die Höhe der Abgabe sei „eine politische Frage“ und müsse von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit den Beteiligten besprochen werden. Sie dürfe 40 Cent/kg Fleisch aber nicht überschreiten, was bei einem jährlichen Verbrauch von 7,4 Mio. t in Deutschland Einnahmen von fast 3 Mrd. € für den Tierwohlfonds bedeuten würde, erklärte Birkner.

Die Abgabe solle „umfassend“ sein und auf Importe aus allen Herkunftsländern und auch im Großhandel erhoben werden. Es müsse sichergestellt werden, dass diese auch bei den Tierhaltern ankomme und verbleibe. Der Fraktionsvorsitzende sprach sich dafür aus, die Auswirkungen der Tierwohlabgabe regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Die Bewegung der FDP bei der Tierwohlfinanzierung wurde in Politik und Verbänden mehrheitlich begrüßt. Der Vorsitzende des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, Jochen Borchert, äußerte sich jedoch ablehnend zur Tierwohlabgabe.

Als „reines Wahlkampfgetöse“ im Vorfeld der Landtagswahl bezeichnete hingegen Borchert in einem Interview mit dem Fachmagazin „top agrar“ die Vorschläge der niedersächsischen FDP. Angeblich sei das Papier mit der Bundespartei abgestimmt, doch diese habe sich noch gar nicht dazu geäußert. Der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister wies darauf hin, dass laut Juristen eine staatlich verordnete Sonderabgabe für einen Tierwohlfonds verfassungswidrig wäre. Auch ein privater Fonds, in den alle Verkäufer von tierischen Lebensmitteln einzahlen müssten, sei nicht die Lösung. Dieser müsste nämlich die Abgaben selbst eintreiben, was eine eigene Verwaltung erfordere. Diese müsste alle abgabepflichtigen Unternehmen erfassen, deren Fleischumsatz regelmäßig kontrolliere und schließlich die Ansprüche durchsetzen. Hinzu käme ein teurer Verwaltungsapparat, um die Förderung an die Tierhalter weiterzuleiten. Außerdem bestehe bei jedem privatwirtschaftlich organisierten Fondsmodell die Gefahr, dass den Tierhaltern keine langfristig sicheren Verträge im Hinblick auf die Tierwohlförderung zugesichert werden könnten. „Bei so viel Unsicherheit werden Bauern kaum investieren und riskieren, auf den laufende Mehrkosten sitzen zu bleiben“, so Borchert gegenüber top agrar.


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