Grethe fordert langfristige Tierwohlprämie

Ohne Finanzperspektive scheitert der Umbau der Tierhaltung, so der Wissenschaftler.

Eine Schieflage in der politischen Diskussion über den Umbau der Tierhaltung beklagt der Berliner Agrarökonom Prof. Harald Grethe. Die Haltungskennzeichnung sei nicht der Schlüssel für den Umbau, sagt der Wissenschaftler im Interview mit Agra-Europe. Dies gelte erst recht nicht in den ersten Jahren, in denen sie nur für frisches Schweinefleisch vorgesehen sei. Zudem habe der vorgelegte Gesetzentwurf handwerkliche Schwächen. Für Grethe steht außer Frage, dass eine flächendeckende Neuaufstellung der Nutztierhaltung allein über „die Entscheidung an der Ladenkasse“ nicht funktionieren wird.

Entscheidend für den Umbau der Tierhaltung seien daher langfristig verlässliche Tierwohlprämien, so der Berliner Agrarökonom. Dies sei die Voraussetzung, dass die vereinbarte Anschubfinanzierung tatsächlich Kraft entfalten könne. Und es würde der Forderung der Borchert-Kommission nach einer „hinreichend klaren Finanzperspektive“ Rechnung tragen. Die dabei anvisierten zehn Jahre sieht der Wissenschaftler als absolute Untergrenze. Noch sei das Zeitfenster offen: „Wenn 2023 die notwendigen politischen Entscheidungen getroffen werden, kann ein Einstieg in den Umbau gelingen.“

Grethe bekennt sich zu einer Reduzierung der Tierhaltung, kritisiert aber das Ausmaß und die Form des aktuellen Rückgangs in der Schweinehaltung; dieser komme einem „Abbau mit der Abrissbirne“ gleich. „Wir versagen als Gesellschaft zurzeit, weil wir den vielen Tierhalterinnen und Tierhaltern, die gerne zu einem deutlich höheren Tierwohlniveau produzieren wollen, keine Optionen bieten.“

Enttäuscht zeigt sich Grethe von der bisherigen Arbeit der Ampelkoalition. In Bezug auf die großen Stellschrauben - etwa der Umbau der Nutztierhaltung, die Verringerung des Konsums tierischer Produkte, die Wiedervernässung der Moore oder eine gute Dünge- und Pflanzenschutzpolitik - sei „viel zu wenig passiert“.