Nienhoff hält Gesetz für Tierhaltungskennzeichnung für überflüssig

Der ZKHL-Geschäftsführer Dr. Hermann-Josef Nienhoff befürchtet mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz ein „bürokratisches Monster“. Zudem seien die Vorgaben sehr hoch angesetzt.

Seine Kritik am Entwurf der Bundesregierung für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz hat der Geschäftsführer der Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft (ZKHL), Dr. Hermann-Josef Nienhoff, bekräftigt. Aus seiner Sicht ist dieses Gesetz „überflüssig“. Mit der Initiative Tierwohl (ITW) gebe es bereits eine gut etablierte Kennzeichnung. Mittlerweile zeige auch die Gastronomie Interesse. Der ZKHL-Geschäftsführer befürchtet ein „bürokratisches Monster“ nur für das Ziel der Konsumlenkung, mit der der Schweinefleischkonsum verringert werden solle.

Zusatzkosten steigen

Er warnte am Dienstag vergangener Woche bei einer Podiumsdiskussion der Studierendengruppe Bonn des Berufsverbandes Agrar, Ernährung, Umwelt (VDL) davor, dass die Vorgaben im geplanten Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sehr hoch angesetzt seien. Bislang verursache die Tierhaltungsstufe 2 Zusatzkosten von 5,28 € pro Mastschwein; mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz würden sich die Zusatzkosten auf 12 € bis 13 € je Tier belaufen.

Zweifel an Plänen von Aldi

Skeptisch zeigte sich der ZKHL-Geschäftsführer zudem, ob die Pläne von Aldi, bis 2030 nur noch Frischfleisch aus den Haltungsstufen 3 und 4 anbieten zu wollen, funktionierten. Hier mache die Wirtschaft die Rechnung ohne den Landwirt. Zudem fehlten notwendige Änderungen im Bau- und Umweltrecht, argumentierte Nienhoff. Nach seiner Einschätzung werde Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir seinen Entwurf „so nicht durchbringen“ können. Die Landwirte seien bereit, sich zu ändern und sähen die Chancen. Dafür müssten aber auch die strukturellen Möglichkeiten da sein.

Mehr Forschung zum Tierwohl

Der Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), Michael Uckelmann, verwies auf die große Unsicherheit unter den Schweinehaltern, da es keine Garantie für die Vergütung der Zusatzkosten gebe, die das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz mit sich bringen würde. Aus seiner Sicht braucht es ein System wie die ITW.

Die von Aldi Süd geplante Umsetzung der Haltungsstufe 3 und 4 wird sich nach seiner Einschätzung nicht sofort zu 100 % umsetzen lassen. Sollte der Schritt aber erfolgreich sein, dürften mehr Landwirte auf den Zug aufspringen. Uckelmann, der selbst Schweinehalter ist, hält mehr Forschung zum Tierwohl für notwendig, damit es messbare Parameter gibt. Diese Parameter müssten auf Versuchsgütern entwickelt werden.

Tierwohl leistbar machen

Der Teamleader Corporate Responsibility bei Aldi Süd, Stephan Schoch, sieht das Ende der Fahnenstange beim Tierwohl noch nicht erreicht. Die Landwirte müssten abgeholt werden. Zugleich müssten sie die Zusage erhalten, dass sie mehr Tierwohl auch vergütet bekämen. Schoch zeigte sich überzeugt, dass der Discounter seine Pläne bis 2030 erreichen wird. Gleichwohl räumte aber auch er ein, dass dies mit dem Baurecht zusammengehen müsse. Ziel sei es, „Tierwohl für alle leistbar zu machen und nicht nur für die Akademikerblase“.

LEH schneller als Politik

Dr. Johannes Simons vom Lehrstuhl für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft an der Universität Bonn zufolge ist der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sehr viel schneller als die Politik. Der LEH und der Sektor seien vorangegangen. Simons hat den Eindruck, dass mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz ein „Prestigeprojekt“ umgesetzt werden solle, das „nicht zum Rohrkrepierer werden darf“.

Die Verbraucher wüssten dazu jedoch nicht viel. Simons erklärte, dass natürlich allen Verbrauchern mehr Tierwohl wichtig sei, aber auf einer anderen Ebene. Gleichzeitig stellte er fest, „wir sind zerrissen, da es sich viele nicht leisten können“. Die Diskussion finde in einer akademischen Blase statt. Zudem gebe es gut organisierte Gruppen, die sich auf das Tierwohl eingeschossen hätten, wobei es „eigentlich viel schlimmere Probleme“ gebe.